„Wir schaffen das!“ – diese Antwort der Bundeskanzlerin auf die Frage, ob eine schnelle Integration von Geflüchteten möglich ist, wird heiß diskutiert. In einer Vortragsreihe liefern RUB-ProfessorInnen aus drei Fakultäten ihre eigene Sicht der Flüchtlingsdebatte. Am vergangenen Mittwoch gab Professor Thomas Bauer im Blue Square einen Einblick aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive.

Wer aus Krisenländern wie Syrien nach Europa flieht, will vor allem eins: ein menschenwürdiges Leben in Sicherheit. Das schließe einen Arbeitsplatz mit ein, so Bauer, der sich als Vorsitzender des Lehrstuhls für Empirische Wirtschaftsforschung mit der Frage beschäftigt, wie man Geflüchtete in den Arbeitsmarkt integrieren kann.

Er sieht hier vor allem ein Problem im „Zertifizierungswahn“ des deutschen Arbeitsmarktes: „Das ist so ein typisch deutsches Problem, dass man über alle Qualifikationen eine Bescheinigung braucht. Aber jemand, der vor Krieg flüchtet, nimmt natürlich nicht zwangsläufig seine Arbeitszeugnisse mit.“ Somit bleibe vielen Geflüchteten nach ihrer Ankunft keine Möglichkeit, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. „Statt nur auf Zeugnisse zu vertrauen, sollten Arbeitgeber deshalb die Flüchtlinge einfach mal zeigen lassen, was sie können“, plädiert Bauer.

Gibt es genug Arbeit für alle?

Die Realität sieht jedoch anders aus – selbst gut ausgebildete Geflüchtete landen oft in Jobs, für die sie überqualifiziert sind. „Werden die Arbeitsplätze nicht in Zukunft noch knapper, wenn durch die zunehmende Digitalisierung Stellen wegfallen?“, fragt jemand  aus dem Publikum. Bauer verneint dies und verweist darauf, dass ähnliche Befürchtungen auch bei der Einführung des Internets und der Marktreife des PCs im Raum standen: „Da dachte man auch, die Hälfte aller Arbeitsplätze würde wegfallen“, erklärt er.

Migration mit positiven Effekten

Doch selbst ohne derartige Zukunftsszenarien seien am Stammtisch geschürte Ängste vor MigrantInnen, die angeblich den Einheimischen  Arbeitsplätze wegnähmen, völlig unbegründet, so Bauer. „Tatsächlich hatten Migrationsströme in der Geschichte fast nie messbare Auswirkungen auf eine Volkswirtschaft – wenn überhaupt, waren diese eher positiv“, erklärt Bauer. „Deshalb kann man auch gar keine Prognosen darüber aufstellen, wie sich unsere Wirtschaft durch den aktuellen Zustrom verändern wird.“ Kein Grund zum Pessimismus also, so lautet das Fazit des Professors: „Deutschland hat schon viel größere Migrationsströme erfolgreich bewältigt. Das Zitat von Angela Merkel würde ich daher so unterschreiben. Wir können das schaffen.“

:Birthe Kolb

INFOBOX

Unter dem Titel „Schaffen wir das? Zur Integration von Flüchtlingen“ läuft seit Dezember 2015 eine Ringvorlesung im Blue Square, die von den Fakultäten für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie der Juristischen Fakultät gemeinsam organisiert wird. Die nächste Veranstaltung mit dem Titel „Gewaltgeschichten und Verletzungsverhältnisse“ findet am 27. Januar um 18 Uhr statt und untersucht verschiedene Formen der Gewalt gegen Geflüchtete.