Das vierte IDLES-Album ist da, und liefert einen Sound, den viele nicht erwartet haben. Doch wird es den Vorgängern gerecht? 

Frisch und heiß auf dem Markt, das neue IDLES Album steht bereit – auf den üblichen Streaming-Plattform und im Plattenladen Eures Vertrauens. Bereits 2009 gegründet, lieferte die Band aus Bristol, UK dann 2012 mit der Welcome EP ihren ersten Release ab. Noch einige Jahre, und die EP Meat sollten ins Land ziehen, bevor der Name IDLES ein Garant für dreckigen Post-Punk mit Old-School Attitüde gemischt mit einer Portion Optimismus werden sollte. Mit dem 2016er Album Brutalism schafften sie den Schritt dann: Kaum ein Album in diesem Jahr ging so sehr nach Vorne, lieferte wütende rausgepresste Texte über Armut, Ungleichheit und Ignoranz, unterlegt mit klassischen Punk Drumbeats und Basslines die ins Ohr gehen und sich ins Hirn festfressen. Der Erfolg war absehbar und verdient. Trieften die Lyrics auf dem ersten Album noch mit Wut, war auf dem zweiten Album der Name Programm. Joy as an Act of Resistance war up-beat, fröhlich, stellenweise ruhig und nachdenklich aber auch optimistischer als man das von dem üblicherweise fatalistischen Genre Punk-Rock sonst kennt. 

Die absolut herzliche Pro-Migrations-Hymne Danny Nedelko zeigte diese Veränderung genauso wie I’m Scum mit genialen Lines wie „This snowflake‘s an avalanche“. Letztes Jahr wurde es auf Ultra Mono musikalisch etwas experimenteller, die Texte litten dabei jedoch leider darunter, dass sie einfach zu plakativ und stumpf wurden. Wer IDLES also schon länger folgt, wird sich nicht wundern, dass auf CRAWLER auch mal wieder ein nicht völliger, aber auffälliger Stilwechsel hingelegt wird, bei dem sie sich in gewisser Weise trotzdem treu bleiben. Als krasser Kontrast zum letzten Album geht der erste Track nicht direkt in medias res voll auf die Fresse.  MTT 420 RR  ist weniger laut und schnell als das namensgebende Motorrad vermuten lässt. Langsam und bedächtig schleicht sich der Song ein, und vermittelt einem das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt. Eine Geschichte hinter dem Text, eine implizierte Tragödie. The Wheel wiederum setzt sich mit gewohnten Themen auseinander: Sowohl Alkoholismus als auch Substanzenmissbrauch ziehen sich seit langem durch die Texte der Band.  Joe Talbot singt von Verwirrung, Tagen, die miteinander verschwimmen und Kontrollverlust. Das alles untermalt von dem bisher dreckigsten Sound den IDLES abgeliefert haben. Ein Song der sich seinen Platz in meiner Rotation schon beim ersten Hören gesichert hatte. Car Crash ist unangenehm, durcheinander und dissonant, und festigt damit den roten Faden, der sich durch den Sound des Albums zieht. The New Sensation und Stockholm Syndrome reihen sich perfekt ein in die Diskografie der Band und knöpfen an den Sound der letzten zwei Alben an, mit einem Spritzer neue Vibes. The Beachland Ballroom geht tief in die Seele, wenn Joe Talbot uns mit erst unerwartet süßer und dann gewohnt kratziger Stimme versichert: „I’m not praying, baby“. Meds bringt noch mehr Dissonanz, mit off-key Gitarren und Blechbläser-Einlagen. Progress ist einer der experimentelleren, langsamen Tracks, und überzeugt mit effektbeladenem Bass-Sound und Atmosphäre, und bildet damit den perfekten Kontrast zum darauffolgenden 30-Sekunden-Brett Wizz, auf dem IDLES ihren Wurzeln im (Post-)Hardcore nachgehen. Die letzten beiden Tracks des Albums verfehlen etwas die Landung, und gehören zu denen, die mir weniger im Gedächtnis geblieben sind. Insgesamt bin ich sehr glücklich mit CRAWLER, und hätte nicht erwartet, dass IDLES noch mal in diese Richtung gehen. Eine Empfehlung gibt es von mir auf jeden Fall.
     

 :Jan-Krischan Spohr

 

 

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