Bild: Auf der Jagd: „U-ni-cum“ hallt es über den Campus, wenn die Tüten-Apokalypse beginnt. , The walking Studi – auf der Jagd nach Unicum Bild: ken

Glosse. LAUFT! Die Unicum-Tüten sind los! Mit dem Eintreffen der Papptäschchen geht auch das furchteinflößende Gebrabbel der Tüten-Zombies los … Sie kriechen aus der Bib und ein beängstigender Singsang hallt über den Campus: „U-ni-cum“.

Ich kann gar nicht zählen, wie oft ich die Jagd schon miterlebt habe. Drei Mal? Oder doch schon sechs Mal? Das Zeitempfinden geht verloren, wenn man so lange an der Uni ist wie ich. Die verdammte Sommerzeit tut ihr übriges. Dennoch … in der harten Welt der Bildungselite gibt es Anhaltspunkte, die einem die Orientierung erleichtern. Zwei Mal im Jahr huldigen wir den Bildungsgöttern. „Semesterbeitrag“ heißt der Tribut, den wir zollen müssen. Doch die Götter sind gnädig, sie haben uns vor einigen Jahren die „Studiengebühren“ erlassen. Sie sind inzwischen nur noch Fremden gegenüber so fordernd. Doch es gibt noch andere Anhaltspunkte in welcher Zeit des Jahres wir uns befinden. Manchmal spenden uns die Götter Beutel mit Überlebens-Material für den Alltag. Zumindest dachte ich das anfangs. Ich war ebenso euphorisch wie die Frischlinge. Erstsemester, wie sie auch genannt werden. Bin hingerannt zu der Fütterung im Glauben ich bekäme Textmarker oder Collegeblöcke oder auch nur etwas zu Essen oder zu Trinken, eine kleiner Schubs für die geistige Leistungsfähigkeit. Was bekam ich? Papier. Gehaltloses, dummes Papier. Flyer und Broschüren nennen sie es. Faktisch ist es weder ess- noch trinkbares, markiert nicht meine Texte und es lässt sich nicht drauf schreiben, weil schon etwas draufsteht. 

Das Surren der Gier

Doch die mit Abstand sicherste Orientierung im zeitlichen Raum der Universität sind die Rufe der Tüten-Zombies. „U-ni-cum, U-ni-cum“ hallt es über den Campus. Das ist das Signal, zu fliehen. Dorthin zu rennen, wo es sicher ist. In die Bib, in den Seminarraum, in den Hörsaal. Hauptsache weg aus dem Freien, denn da strömen sie hin. Sie kriechen aus ihren Ecken, lassen ihre Bücher zurück, rennen aus den Vorlesungen, um einen der Beutel zu ergattern. Das hält sie am Leben. Davon ernähren sie sich. Endlose Minuten stehen sie vor der Tütenausgabe Schlange. Einmal, als ich noch frisch hier war, noch neu, habe ich mich unter sie gemischt. Ich dachte: „Da muss es etwas Tolles geben!“ und habe mich mitreißen lassen. Ich bekam eine Tüte, ich öffnete sie in heller Aufregung unter Neugier, was die Erfahrenen mir zur Seite geben würden. 

Ich bekam …

Wieder Papier. Bedrucktes Papier. Ökologisches, aus Recycling. „Free.net“ stand darauf. Und „SuperCut“. Schuhe wurden angepriesen. Und am Boden der Tüte? Ich konnte mein Glück kaum fassen: Chips! Eine herrliche Tüte Chips! Das musste eine Illusion sein! Daneben eine Dose energiespendendes Erfrischungsgetränk. Noch größer als die Freude über diesen Fund war die Enttäuschung darüber, dass die Chips zerbröselt waren. Wie hätten sie es auch nicht sein können? Nachdem ich mich durch die Massen gequetscht hatte, um mit meiner Beute zu entkommen. Nachdem meine Tüte schon durch den Transport und vom Packen selbst lädiert war.
Ich ging nie wieder hin. Doch manchmal handeln wir unter uns Aussätzigen aus, ob und wer sich in den Kampf begibt und eine Tüte für uns alle holt. Denn trotz der Gefahren: Altpapier gibt’s selten so günstig.

:Kendra Smielowski

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