Bild: War beim diesjähirgen Hallenfußballturnier Sparkassen Masters dabei: Der AFC Bochum., GELD SCHIESST TORE, TRADITION WIRFT BENGALOS? – Teil 9 der :bsz-Reihe zur Lage des Fußballs – 25 Jahre AFC Bochum Foto: tims

Der Arabische Fußball Club (AFC) Bochum feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Jubiläum und möchte am liebsten in die Kreisliga B aufsteigen. Das primäre Ziel lautet aber wie immer: Dabei sein, Spaß haben und eine soziale Verantwortung für die Region übernehmen. Auch mit der aktuellen Flüchtlingsdebatte befasst sich der Verein aus Querenburg. JedeR ist willkommen!

Wenn man mit Yousef Mikeil spricht, bekommt man sofort ein Gespür dafür, wie wichtig ihm der Fußball ist und welche Aufgaben er auch in sozial schwächeren Vierteln übernehmen kann. Der gelernte Dolmetscher, der eigentlich Bauingenieur werden wollte, gründete zusammen mit Saade Egbaria und fünf weiteren Gründungsmitgliedern 1990 den Fußballverein AFC Bochum, weil sie alle „einfach zusammen Fußball spielen wollten“ und anfangs von den Plätzen verwiesen wurden. „Wir suchten uns Bolzplatz um Bolzplatz und wurden jedes Mal  von den Platzwarten weggeschickt, also mussten wir ein Team gründen“, erinnerte sich Mikeil, der auch stolz darüber ist, dass der Verein in diesem Jahr sein Jubiläum feiert. „Der Aufstieg in die Kreisliga B wäre ein großer Erfolg und die Chancen sind aktuell als Tabellenzweiter nicht schlecht.“

Studierendentruppe mit integrativer Arbeit

Primäres Ziel ist aber der Weiterbestand des Vereins und die integrative Arbeit, für die vor allem Saade Egbaria steht, der inzwischen als Präsident des Vereins agiert. Mitte der 1980er Jahre aus Palästina gekommen, schaffte er mit dem AFC das, was an vielen Orten des Landes nicht funktioniert: Menschen unterschiedlicher Kulturen verbinden und einen aktiven Beitrag zum oft in frage gestellten „Multikulti“ leisten. „Wir haben Studierende aus Jordanien, Afghanistan, Palästina, Marokko, der Türkei und natürlich auch Deutschland, die alle gemeinsam auf dem Platz stehen und einfach Spass haben wollen“, unterstreicht Egbaria die vielseitige Gemeinschaft.

Rassismus? Nicht auf dem Platz!

Die aktuellen Entwicklungen um Pegida betrachten beide mit Sorge, sehen aber den Verein und die SpielerInnen gut integriert. „Als wir den Verein in den 1990er Jahren gegründet haben, gab es häufiger ausländerfeindliche Äußerungen von anderen deutschen Mannschaften“, sagt Egbaria und sieht eher kleine Probleme mit anderen multikulturellen Mannschaften. „Da kochen manchmal die Emotionen über, aber das beruhigt sich dann auch schnell wieder“, lacht Mikeil, der eher ein Problem bei der Rekrutierung von neuen SpielerInnen sieht.

Zukunft des Vereins

Durch die Vielzahl der Vereine ist es für den AFC Bochum schwer, neue und vor allem junge SpielerInnen zu finden. Vor fünf Jahren existierten noch mehrere Jugendteams, die aber durch die hohe Fluktuation der SpielerInnen nach und nach abgemeldet werden mussten. Egbaria fühlt sich auch in der aktuellen Debatte um die Aufnahme von Flüchtlingen verpflichtet und würde gerne einen Beitrag leisten. „Es ist jedeR willkommen in unserem Verein, selbstverständlich auch Flüchtlinge!“

:Tim Schwermer

:bsz-Reihe: Geld schießt Tore, Tradition wirft Bengalos?

„Die machen den Fußball kaputt!“

…das warf man sich jüngst vor, als das DFL-Konzept „Sicheres Stadionerlebnis“ Ende letzten Jahres verabschiedet wurde und zahlreiche Proteste in den Stadien nachsichzog. Fans warfen den Liga-Verantwortlichen, Sponsoren und Polizei vor, mit übertriebenen Kontrollvorlagen die Fankultur zu ersticken. Im Gegenzug werden die Leute auf der Tribüne dafür kritisiert, für Krawalle zu sorgen: Platzstürme, Hasstiraden und fackelnde Bengalos im Block und auf dem Rasen – König Fußball erscheint als Symptom für gesellschaftliche Widersprüche. Deutschland ist Weltmeister, aber von Burgfrieden ist weit und breit nichts zu sehen; stattdessen wird die Fangemeinde hierzulande polarisiert: Mäzenate, Retortenvereine und die allgemeine Kommerzialisierung des Profifußßballs sorgen dafür. Auf der anderen Seite sehen wir einen alltäglichen Existenzklampf der Traditionsvereine: Legendäre Clubs wie Rot-Weiss Essen, MSV Duisburg oder Rot-Weiß Oberhausen (,um nur wenige zu nennen) stehen oder standen am Rande des Abgrunds. Aber was, wenn alles durchkommerzialisiert ist? Wenn ein Stadion dem anderen ähnelt? Fangesänge der eigenen Mannschaft nicht mehr von den gegnerischen Chören zu unterscheiden sind? Wir wollen fragen: was kommt? Was bleibt? Wie wird er aussehen, unser Fußball: Eine Eskatase nach Feierabend oder routinierter Arbeitssieg? Das Beben der Kurve oder die Dekadenz der VIP-Tribüne? Das Singen der eigenen Chöre oder stumpfinniger Werbeterror? Nostalgie oder Erneuerung? Wahrheit oder Kommerz?

Bisher in dieser Reihe

:bsz 1011 — „Fußball in Zeiten der Krim-Krise“ über den Fußball in der Ukraine und Russland

:bsz  1013 — „Geld verleiht Flügel“ über Red Bull Leipzig

:bsz 1015 — „Echte Liebe zum Geld“ über die Kommerzialisierung der großen Ruhrpottvereine

:bsz 1017 — „Bochum, ich komm aus DIr!" über das Buch „111 Gründe, den VfL Bochum zu lieben“

:bsz 1019  — „Frauenfrei in die Bundesliga“ über das Aus der Frauenabteilung des VfL Bochum

:bsz 1021 — "We can be heroes, just for one day!" über die Bochumer Kreisliga

:bsz 1024 — "Vom Bayernjäger zum Schlusslicht" über die Krise beim BVB

:bsz 1025 — „Ohne Rot-Weiß Essen wäre Deutschland nie Weltmeister geworden“ über den Traditionsclub RWE

Es folgt

:bsz 1028 — Kommerz und Gewalt

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