Bild: Logo StuPa, Misstrauen im StuPa Bild: StuPa

„Gegen uns wurde ein Misstrauensvotum ausgesprochen. Das war für uns erst mal sehr schockierend und dann sehr traurig.“ So stellte es die mittlerweile zurückgetretene stellvertretende StuPa-Sprecherin Nurgül Yildiz (Internationale Liste) bei einem Gespräch mit der :bsz dar. Mit dieser Reaktion stand sie nicht allein da. Neben ihrem ehemaligen Amtspartner Ugur Ince, waren auch Parlamentarier:innen anderer Listen sehr überrascht über diese Entwicklung. Doch zum Votum sollte es erst gar nicht kommen, denn beide Sprecher:innen entschieden sich dazu, diesem mit ihrem Rücktritt zuvorzukommen. So traten Ugur und Nurgül dann bei einer Dringlichkeitssitzung des Studierendenparlaments am 19. Mai zurück. Grund für den Dringlichkeitsantrag war eine Änderung an der Sozialbeitragsordnung wegen des 9-Euro-Tickets, die thematisiert werden sollte. Zunächst wurde dieses Thema jedoch von den ans Licht tretenden Zerwürfnissen innerhalb des Parlaments überschattet.

Die Sitzung

Da das Misstrauensvotum durch den Rücktritt gegenstandslos wurde, wurde der für letzteres festgelegte Tagesordnungspunkt genutzt, um die Kritik offenzulegen und Hintergründe klarzumachen. Zuerst verabschiedete Ugur sich jedoch aus seinem Amt, und erklärte die Entscheidung zum Rücktritt. Er sehe viele der Kritikpunkte ein, die ihm bereits dargestellt wurden, und  er und Nurgül bedankten sich für die Zeit als Sprecher:innen. Ugur machte klar, dass er seine Wahl in das StuPa durch die Studierenden als klaren Auftrag sieht, den er weiter erfüllen wird. 

Im Folgenden erklärte Eren Ertunc Yavuz (IL), was für ihn persönlich hinter dem ausgesprochenen Misstrauen steht. So habe Ugur an vom AStA organisierten Freizeitveranstaltungen teilgenommen, zu denen Mitglieder anderer Listen nicht ausreichend eingeladen wurden. Außerdem sei im Alleingang von den Sprecher:innen mit dem Grafiker des AStA ein Info-Flyer entworfen worden sein, der qualitativ mangelhaft war und die Öffentlichkeitsarbeit des StuPa – in welcher die neuen Sprecher:innen besonders aktiv waren –  habe einen zu starken Fokus auf die Arbeit der IL gelegt. All dies zeige eine mangelnde Trennung von Privatem und Professionellen, sowie fehlende Abgrenzungen zwischen der Arbeit als IL-Abgeordnete und StuPa-Sprecher:innen. Der zweite große Kritikpunkt bezog sich allgemein auf die Aufgaben der Sprecher:innen. Bei den Protokollen der Sitzungen sei man erheblich im Verzug und die Webseite des StuPa würde nicht aktualisiert. Den weiteren Kritikpunkt, dass Bilder der Sprecher:innen auf der Webseite hochgeladen wurden, wehrte der ehemalige Sprecher David Semenowicz ab. Dies sei schon länger so üblich, was ein Blick auf die Internetpräsenz es StuPa schnell zeigen würde. Dea Xhelili (IL) bemängelte die fehlende Trennung zwischen Ugur als Sprecher und als Privatperson, wenn über die Teilnahme an Veranstaltungen des AStA gesprochen wird. Allgemein wünschte sie sich, dass man über solche Themen erst miteinander spricht, bevor man sich für ein Misstrauensvotum entscheidet. 

Doch Eren stand mit seiner Kritik nicht allein da. Sofie Rehberg (GRAS) schloss sich besonders bezüglich deR veralteten und falschen Inhalten auf der Webseite an. So gäbe es mehrere Fälle, in denen Namen von Personen falsch geschrieben, und trotz vermehrter Hinweise nicht korrigiert wurden – teilweise über Monate. Dies, und fehlerhafte Informationen zu der Besetzung von Ausschüssen seien auch ein Zeichen für fehlende Wertschätzung. Auch die Kritik am Verzug bei den Protokollen der Sitzungen wurde von mehreren Seiten geteilt. Doch fehlende Protokolle sind in den letzten Jahren eher die Regel gewesen. Auf Nachfrage der :bsz erklärte Emre Yavuz (IL), dass die aktuellen Mängel größer seien. Zuvor hätten die Protokolle zumindest den Parlamentarier:innen vorgelegen, auch wenn man über die Webseite nicht auf sie zugreifen konnte. Auch Nick Linsel (LiLi) äußerte jedoch Zweifel. Die Probleme mit der Webseite und auch mit der Öffentlichkeitsarbeit seien nicht neu, sondern besonders von der Opposition schon in der Vergangenheit oft angesprochen worden. Warum die aktuelle Situation für den Antragssteller des Misstrauensvotums Talha Demirci (NaWi), nun gravierend genug seien, fragte auch er sich. Talha hatte sowohl das Misstrauensvotum als auch die Dringlichkeitssitzung (zusammen mit anderen Parlamentarier:innen) beantragt. 

Sein Verhalten bei der Erstellung der StuPa-Flyer verteidigte Ugur. Während deren Design nicht ideal gewesen sei, habe es auch keinen Beschluss oder einheitliche Meinung seitens des AStA gegeben. Dass er sie im Alleingang gegen den Widerstand des Studierendenausschusses in die Ersti-Beutel packen ließ, stritt er also ab. Grundsätzlich äußerte er jedoch Verständnis für die Kritik, kündigte im gleichen Atemzug jedoch an, bei seinen Nachfolgern genauso genau hinzuschauen. Eben einer seiner Nachfolger, Patrick Walkowiak (NaWi) macht noch mal klar, was für ihn besonders schwerwiegend war. Er sah einen falschen Fokus bei der Arbeit der Sprecher und schwere Mängel in der Amtsführung. So wurde wiederholt versäumt, eine Satzungsänderung beim Rektorat einzureichen, wodurch diese unwirksam blieb. „Das ist keine Kleinigkeit“, so Patrick. Ugur machte deutlich, dass er es als seine besondere Aufgabe versteht, in Zukunft zu beobachten, ob es in den kritisierten Bereichen Verbesserungen gibt.

 

Meinungen

 
Auch außerhalb der Sitzung am 19. Mai gab es Zweifel, Fragen und Kritik bezüglich der Misstrauensvoten und deren Hintergründen. Ehemaliger Sprecher Ugur Ince (IL) war überrascht vom Umgang mit der Situation. Die Anträge zu den Voten seien erst nur an seine Stellvertreterin Nurgül Yildiz (IL) gesendet worden, welche sich zu diesem Zeitpunkt mitten in der Klausurphase befand. „Dass sie wegen der Klausurenphase davon nichts mitgekriegt hat, sollte für alle verständlich sein. Neben allen Ämtern und der Hochschulpolitik sind wir vor allem alles Menschen, die studieren.“ Erst kurz vor Ablauf der entsprechenden Frist sei er selbst in Kenntnis gesetzt worden, und konnte entsprechend zur Dringlichkeitssitzung mit dem Tagesordnungspunkt des Misstrauensvotums einladen. Die Liste des Antragsstellers hat sich bisher zu diesem Vorwurf nicht geäußert. 

Das fehlende Vertrauen sah Ugur jedoch auch, und zwar in der gesamten Koalition. An den tatsächlichen Hintergründen des Votums äußerte auch Nick Linsel (LiLi) Zweifel. „In der Sitzung ist klar geworden – es waren vor allem persönliche Differenzen und keine inhaltlichen“, so Nick. „Zwischenrufe“ im Chat und die öffentliche Problematisierung eines privaten Telefongesprächs zwischen ihm und Ugur durch NaWi-Parlamentarier Tim Cremer zeigten, dass solch eine Vermutung nicht ungerechtfertigt ist. Auch zum Antrag auf eine Dringlichkeitssitzungen bezüglich einer Änderung der Sozialbeitragsordnung wegen des 9-Euro-Tickets gibt es offenbar Fragen: „Wenn der AStA vorausschauend gehandelt hätte, hätte man das schon lange geklärt haben müssen. Aus unserer Sicht ist das fragwürdig, dass das der wirkliche Grund für die Dringlichkeitssitzung war“, so Nick.  

Seinen eigenen Rücktritt und den seiner Stellvertreterin erklärte Ugur damit, dass es derzeit schon klar sei, dass in der Koalition Brüche vorhanden seien. „Wie soll dann eine professionelle Zusammenarbeit funktionieren, wenn der Antrag des Misstrauensvotums schon unprofessionell war“, fasste er zusammen. Sowohl das Mittel des Votums als auch die Umstände der Anträge hielt er nicht für den richtigen Weg, um mit den Problemen umzugehen. Ehemalige stellvertretende Sprecherin Nurgül teilte diese Auffassung: „Die aktuelle Situation zeigt einfach, dass es an Vertrauen und Wertschätzung fehlt. Es wird auch einfach nicht kommuniziert.“

 Nick Linsel äußerte Verständnis für die Entscheidung, findet jedoch schade, „dass es für uns undurchsichtig, was die ganz konkreten Gründe für Votum und Rücktritt waren.“ Der Antragssteller des Misstrauensvotums, Talha Demirci (NaWi) selbst hatte sich dazu in der Sitzung nicht geäußert.  

 

Disclaimer: 

Alle Listen wurden bezüglich Statements zur Situation kontaktiert. Wir werden das Thema auch in den kommenden Ausgaben erneut aufgreifen und dort weiteren Personen, die bisher nicht auf dieses Angebot eingingen, noch Raum geben sich zu äußern.

 :Jan Krischan Spohr

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