Kommentar. Viele Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine spürt man schon in Deutschland. Steigende Preise, Geflüchtete und Kriegspropaganda stellen auch die hiesige Bevölkerung vor Herausforderungen – und decken doppelte Standards auf. 

Die Bereitschaft, zu helfen, wenn Menschen aus einen Kriegsgebiet fliehen, die man derzeit sehen kann, ist erfreulich. Und ohne dies sofort schlechtreden zu wollen, kann man auch nicht ignorieren, gleichzeitig offenbart wird. Während nämlich (primär weiße) Geflüchtete aus der Ukraine nun solidarisch willkommen geheißen werden, schlug und schlägt anderen stattdessen Hass und Ablehnung entgegen. An der polnischen und ungarischen Grenze, sowie bei Transporten in der Ukraine, sollen Schwarze Menschen abgewiesen, niedriger priorisiert und anderweitig diskriminiert worden sein. Das UN-Flüchtlingswerk, Proasyl und Amnesty International dementieren diese Berichte nicht, bestätigen sie jedoch ebensowenig, kündigen jedoch Untersuchungen an. Offizielle Stellen sehen hinter den Ereignissen keine staatlichen Vorgaben, die Berichte häufen sich dennoch. 

Die Einteilung in „gute“ und „schlechte“ Geflüchtete ist auch in Deutschland fest verankert. Die Bürgermeisterin Berlins, Franziska Giffey (SPD), merkte in einem Interview an, dass viele der nun in Deutschland ankommenden Menschen „nicht als erstes die Frage stellen: Wo kann ich Leistungen beantragen?“. Stattdessen wollten sie lieber arbeiten. In Anbetracht der Tatsache, dass Menschen sich seit längerer Zeit in Deutschland befinden, ohne dass sie eine Arbeitsgenehmigung erhalten, und somit nicht mal die Wahl haben, ist das zynisch. Viel zynischer ist jedoch, von eventuell traumatisierten Menschen, die durch Krieg und Vertreibung aus ihrer Heimat gerissen wurden, noch zu erwarten, sich bei ihrer Ankunft in Deutschland direkt wieder freudig an die Arbeit zu machen. Dass für Menschen aus Syrien und Afghanistan keine langfristigen Aussichten und Unterkünfte zur Verfügung gestellt wurden, sorgt außerdem nun dafür, dass diese nun kurzfristig aus den Gemeinschaftsunterkünften geworfen werden – eben um Platz für Menschen aus der Ukraine zu machen. So etwas darf nicht passieren. 

Mit „dem Russen“ haben außerdem einige wohl einen neuen, einfachen Feind gefunden. Rassismus, Sachbeschädigung, verschiedenste Übergriffe auf Menschen, die als russisch „erkannt“ werden, haben seit der erneuten Eskalation und Invasion in Deutschland zugenommen. Menschen, die diesen Krieg unterstützen, sollte man damit auch konfrontieren. Den nächstbeliebigen Menschen, der auf der Straße russisch spricht, zu beleidigen ist stumpfer Rassismus und Tribalismus. Friedensproteste gibt es in Russland genau so wie in Deutschland, in Russland besteht jedoch sogar die Möglichkeit, dass sie etwas erreichen. Wer in Deutschland gegen den Krieg in der Ukraine auf die Straße geht, setzt zwar ein wichtiges Zeichen, riskiert jedoch praktisch nichts – was man über Proteste in Russland nicht sagen kann. Nicht vergessen sollte man dabei jedoch, wer auch auf Seiten der Ukraine kämpft. Aussagen Putins, dass er die Ukraine entnazifizieren will, sind vorgeschobene Lügen. Russland ist seit langem ein sicherer Ort für Neonazis und Faschisten verschiedenster Art. Doch auch die ukrainische Armee ist nicht frei von Rechtsextremen, ganz im Gegenteil. Zuerst offen faschistische, mittlerweile im Auftritt vorsichtigere Gruppen wie das Asow-Regiment sind fest integriert in die militärischen Hierarchien. Bilder von Soldaten, die einschlägige Symbole wie die schwarze Sonne oder Wolfsangel tragen, sind nicht nur russische Propaganda, für diese jedoch ein gefundenes Fressen. 

:Jan-Krischan Spohr

 

 

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