Bild: Hanau vergisst nicht

Die Morde in Hanau jähren sich. Viele Aktionen erinnern an diesen schrecklichen Tag und lassen die Opfer dabei nicht in Vergessenheit geraten. Was in Hanau passiert ist und warum Anteilnahme und Zusammenhalt wichtig ist, um ein Zeichen gegen Hass zu setzen. 

Sich gegen Rassismus und Hass stark zu machen, heißt auch, die Geschichten deutscher Einwanderer:innen und Migrant:innen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Diese Geschichten sind jedoch leider oft durch rassistische Taten und Motive gekennzeichnet. An die Opfer zu erinnern und den Angehörigen Mitgefühl und Zusammenhalt zu zeigen, ist ein Weg, um ein Zeichen gegen das rechte und rassistische Gedankengut in Deutschland zu setzen und deutlich zu machen, dass diese Taten nicht einfach hingenommen werden, sondern wir gemeinsam als Gesellschaft diese verachten und dem Rassismus keinen Raum bieten werden.  
In dieser Ausgabe erinnern wir somit auch an einen dunklen Tag der vergangen Jahre, der vielen noch frisch im Gedächtnis ist. Es ist der 19. Februar 2020 an dem elf Menschen, darunter acht mit Migrationshintergrund, in einem rassistisch motivierten Terrorakt in der hessischen Stadt Hanau kaltblütig erschossen wurden. Im Zeitraum von 21:00 bis 22:00 Uhr wurde die Tat gezielt an zwei Bars und einem Kiosk, an denen sich oft Menschen mit Migrationshintergrund aufhalten, ausgeführt. Der Täter tötete im Anschluss seine eigene Mutter und sich selbst. Diese schreckliche Nacht machten auch eine mangelnde Verfügbarkeit und Reaktionszeit der ansässigen Polizeikräfte deutlich. Notrufe konnten erst viel zu spät oder teils gar nicht durchgestellt werden. Unter den Toten befindet sich ein mutiger Mitbürger, der den Täter an seinen zweiten Tatort verfolgte, jedoch dabei entdeckt wurde und ebenfalls dem Täter zum Opfer fiel.  

Bereits am ersten Tatort, der Bar “La Votre” und der Shisha-Bar “Midnight” erschoss der Täter drei Personen: 

– Kaloyan Velkov aus Bulgarien, LKW-Fahrer und Wirt der Bar “La Votre” hinterlässt mit 33 Jahren einen acht-jährigen Sohn.  

– Faith Saraçoğlu 34 Jahre alt aus einer aus der Türkei stammenden Familie, war selbstständiger Schädlingsbekämpfer und plante mit seiner Firma bundesweit tätig zu werden. 

– Sedat Gürbüz in Langen geboren, war Besitzer der Shisha-Bar “Midnight”, die er erst vor kurzem verkauft hatte. Am Tatabend verabschiedete er sich von seinen Angestellten, er wurde 29 Jahre alt. 

Am zweiten Tatort, dem Kurt-Schumacher Platz, kamen sechs weitere Menschen ums Leben:  

– Vili Viorel Păun aus Rumänien, kam mit 16 Jahren nach Deutschland, um Geld für die Behandlung seiner Mutter zu verdienen. Er arbeitete bei einem Kundendienst. Er verfolgte den Täter zum zweiten Tatort und wurde in seinem PKW erschossen als er versuchte, weitere Taten zu verhindern. Er verstarb mit 22 Jahren und ein Kreuz erinnert an seine Zivilcourage  

– Gökhan Gültekin geboren in Hanau aus einer kurdischen Familie, gelernter Maurer und Gründer einer Speditionsfirma. Er arbeitete in der “Arena Bar” als Aushilfe und verstarb mit 37 Jahren 

– Mercedes Kierpacz, eine deutsche Romni in Offenbach geboren. Sie arbeitete ebenfalls in der “Arena Bar” und wurde beim Abholen einer Essensbestellung erschossen. Mit 35 Jahren hinterlässt sie einen 17-jährigen Sohn und eine dreijährige Tochter. 

 – Ferhat Unvar, von kurdischen Eltern in Deutschland geboren, schloss gerade seine Ausbildung als Gas- und Wasserinstallateur ab und traf sich öfter mit Freunden in der “Arena Bar”.  

– Said Nesar Hashemi, Deutsch-Afghane, der mit seinen vier Geschwistern in Deutschland aufwuchs, war ausgebildeter Maschinen- und Anlagenführer. Sein Bruder überlebte die Tat schwer verletzt. Said verstarb mit 21 Jahren.  

– Hamza Kurtović, geboren in Deutschland mit Wurzeln in Bosnien. Er schloss gerade seine Ausbildung als Fachlagerist ab und starb als er auf einen Freund in der “Arena Bar” wartete. Er wurde 22 Jahre alt. 

Zuletzt brachte der Täter sich und seine Mutter um. Die Mutter des Täters Gabriele R. war bettlägerig und bekam mehrmals täglich Besuch vom Pflegedienst. Sie verstarb mit 72 Jahren. 

Die Opfer dieser schrecklichen Nacht geraten nicht in Vergessenheit und ein Erinnern und Aufklären rund um die Tat findet jährlich zum 19. Februar statt. Das African Network of Germany (TANG) und die Initiative 19. Februar Hanau rufen jährlich zum Gedenken und zur Aufklärung der Tat auf. So sind auch dieses Jahr wieder viele Aktionen und Aufrufe geplant. Man fordert eine angemessene Erinnerung, soziale Gerechtigkeit, eine lückenlose Aufklärung und politische Konsequenzen. Im Newsletter #saytheirnames ermutigt man zu Zeugenaussagen und Berichten von Betroffenen und macht zudem auf die Mahnwachen aufmerksam, um den Angehörigen Solidarität zu zeigen. Auf der Website 19feb-hanau.org/ kann man sich zu den Aktionen und Aufrufen informieren. Hier wird auch den Angehörigen der Opfer eine Plattform geboten, auf der sie sich mit der Aufarbeitung der Tat auseinandersetzen können. Auch diverse Aktionen zum Gedenktag finden unter dem Banner #hanaustehtzusammen statt. Eine offizielle Gedenkstunde am Friedhof, Kranzniederlegung, Mahnwachen und Benefiz-Spiele werden hierfür veranstaltet.  

Es ist bei der all der Trauer um das blutige Attentat, beruhigend zu sehen, dass sämtliche Gemeinden, egal ob jüdisch, muslimisch oder auch christlich zusammenhalten und sich Leute im Netz und auf den Straßen mobilisieren, um an diesen Tag und seine Opfer zu erinnern. Denn neben dem politischen Druck nach einer gerechten Aufklärung bleibt den Verbliebenen nicht viel mehr als genau das, erinnern und nicht vergessen. Und das Erinnern passiert aus einem Sinn für Solidarität und Zusammenhalt und nicht aus dem des Rampenlichts, wie es etwa Uwe Boll in seiner Verfilmung zur Tat versucht. Der Zusammenhalt ist nicht nur die Chance auf Trost, sondern auch die Chance, dass Taten dieser Art nicht in Vergessenheit geraten und dem Rechtsextremismus immer wieder vor Augen geführt wird, dass sich die Gesellschaft nicht spalten lässt.      

:Artur Airich

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