Bild: Kalte Zeiten: Obdachlosen steht tagsüber häufig keine Bleibe zur Verfügung, bei eisigen Temperaturen ist das lebensgefährlich. , Kälteeinbruch Bild: stem

Soziales. Besonders in der Kältekrise zeigten sich erneut die lebensbedrohlichen Verhältnisse, denen Obdachlose häufig ausgesetzt sind. Doch zivile Organisationen und die Stadt bewerten die Lage unterschiedlich.

Zwar war der plötzliche Wintereinbruch in Nordrhein-Westfalen und Bochum vor zwei Wochen so schnell wieder vorbei, wie er kam, jedoch löste die mehr als eine Woche anhaltende Kälteperiode eine starke Debatte über den Schutz von Obdachlosen in der Stadt aus. Zahlreiche Zivilorganisationen forderten dabei die Bereitstellung von Hotelzimmern und öffentlichen Einrichtungen. Denn das Kältekonzept der Stadt habe nicht ausgereicht, so die Kritik. In einem Eilbrief vom 12. Februar forderten 32 Bochumer Vereine, Initiativen und Organisationen daher ein sofortiges Eingreifen der Bochumer rot-grünen Stadtverwaltung.  

So merkte beispielsweise das Netzwerk „Stadt für Alle“ an, dass nicht für genügend Notfallplätze gesorgt worden sei: „Die bisher von der Stadt ergriffenen Maßnahmen zum Schutz von wohnungslosen Menschen reichen nicht aus. Aus unterschiedlichen Gründen werden mit den existierenden Notunterkünften längst nicht alle Menschen in Not erreicht.“ In dem offenen Brief forderten die Organisationen neben mehr Schlafplätzen daher eine nachhaltige Lösung zur Entspannung des Bochumer Wohnungsmarkts. So ließe sich Obdachlosigkeit an der Wurzel anpacken.
Die Ratsparteien nehmen die Lage jedoch anders war. Die Stadt habe durchweg genügend Plätze zur Verfügung stellen können, heißt es. So erklärt Sonja Lohf, sozialpolitische Sprecherin der Grünen: „Seit dem Wintereinbruch stand ich mit vielen Organisationen und Hilfseinrichtungen, welche Wohnungslose betreuen, sowie mit der Sozialverwaltung in ständigem Austausch. Keiner muss draußen schlafen, jeder findet gesicherte Unterkunft. Auch sind neben den Notschlafstellen Fliednerhaus und der Von-der-Recke-Straße Hotelzimmer im Kolpinghaus für Wohnungslose bereitgestellt worden.“ Der Forderung, dass Wohnungslosigkeit grundsätzlich zu vermeiden sei und jeder Mensch ein Anrecht auf Wohnraum habe, dass es zu verwirklichen gelte, schließe man sich jedoch an. 

Nachdem der bodo e. V.  die ganztägige Öffnung von Notfallschlafplätzen gefordert hatte (:bsz 1278), reagierte die Stadt und öffnete das Fliednerhaus am Stadion und stellte zusätzliche Schlafplätze in Bochum-Hamme zur Verfügung. Dem Netzwerk „Stadt für Alle“ geht dies jedoch nicht weit genug: „Dass die Notschlafstellen jetzt erstmal auch tagsüber geöffnet bleiben, ist nur ein erster Schritt. Bereits im vergangenen April hatten wir beantragt, Obdachlose vorübergehend in von der Stadt angemieteten Ferienwohnungen und Hotels unterzubringen. Damals hat das die Rathaus-Koalition mit dem Hinweis auf die Maßnahmen abgelehnt, die jetzt versagt haben.“ 

Der Kritik schließt sich auch die Ratsfraktion der Linken an. Sie mahnt zudem die Ratsverwaltung, sie solle aktuelle soziale Krisen, die auch durch die Corona-Pandemie entstanden seien, nicht auf Krisenstäbe abwälzen. Für den Umgang mit diesen Problemen seien weiterhin demokratisch legitimierte Gremien zuständig. So sagt die Bochumer Fraktionsvorsitzende der Linken, Gültaze Aksevi: „Wir befinden uns in einer beispiellosen gesundheitlichen und sozialen Krise, und trotzdem hat der zuständige Fachausschuss des Rates in diesem Jahr bisher kein einziges Mal getagt.“ Die erste Sitzung des zuständigen Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales findet nämlich erst am 3. März statt. „Angesichts der vielfältigen arbeitsmarktpolitischen, gesundheitlichen und sozialen Probleme in der Corona-Pandemie ist das absolut unangemessen.“ Die Linksfraktion fordert daher zwei zusätzliche Sitzungstermine für den Ausschuss.               

:Stefan Moll

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