Bild: Zu langsam: Muslimische Gemeinden hinken bei Digitalisierung hinterher. , Da geht noch mehr Bild: lewy

Digitalisierung. Samira Tabti, Religionswissenschaftlerin an der RUB, hat zum Online-Auftritt muslimischer Gemeinden in Deutschland geforscht.

Ein Gutes, da scheint man sich weitgehend einig, hat Corona doch: Es treibt die Digitalisierung voran. Das gilt zunächst für Kulturangebote, politische Veranstaltungen und natürlich für Online-Angebote an Schulen und Hochschulen. Aber auch Religionsgemeinschaften sehen sich aufgrund der Covid-Pandemie unter Zugzwang gesetzt: Trotz einzelner Fälle nicht erlaubter Gottesdienste und absurder Ausnahmeregelungen für Kirchen sehen sich die Gemeinden grundsätzlich mit dem Problem konfrontiert, dass Gebetshäuser leer bleiben und öffentliche Gottesdienste in der Regel nicht abgehalten werden dürfen.

Das trifft nicht nur die christlichen, sondern auch muslimische Gemeinden. Bereits der Fastenmonat Ramadan, das sogenannte Zuckerfest und das Opferfest konnten im vergangenen Jahr nicht wie üblich stattfinden. Zudem beginnt Ramadan 2021 bereits in der zweiten Aprilwoche, also noch während der Grippesaison und damit wahrscheinlich in einer Zeit erhöhter Corona-Werte. Derlei Einschränkungen sind hart, da gemeinsames Feiern und kollektiver Gottesdienst die sozialen Säulen jeder Religionsgemeinschaft darstellen. Im Fall der islamischen Gemeinden kommt noch hinzu, dass sie in der Diaspora in Deutschland vor weiteren Herausforderungen stehen: Die muslimische Community ist äußerst divers, man könnte aber auch sagen zersplittert: Es gibt türkeistämmige, nahöstliche, marokkanische, bosnische, albanische oder iranische, sunnitische, schiitische und alevitische, salafitische, konfessionsübergreifende und sogenannte „liberale“ Gemeinden. Es gibt keine Kirche, keine Ökumene und keinen von der Bundesrepublik anerkannten Dachverband. Die großen Verbände werden außerdem häufig von ausländischen Geldgebern finanziert. Die Imame und Vorstände kommen oftmals aus den Herkunftsländern und beherrschen nicht immer die deutsche Sprache, weshalb sie entsprechend in ihrer Muttersprache predigen. Das senkt ihre Attraktivität sowohl für die jüngeren, in Deutschland geborenen Muslim:innen, als auch für interessierte Außenstehende. 

Ähnliches gilt auch für die Onlineauftritte der Gemeinden. Diesem Thema widmet sich eine Studie von Samira Tabti, Doktorandin des Lehrstuhls für Religionswissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Für den Mediendienst Integration hat sie 480 Moscheegemeinden dahingehend untersucht, wie weit sie in Sachen Digitalisierung sind und wie sie sich im Netz geben. Das Ergebnis zeigt zum einen, dass fast die Hälfte der Gemeinden Corona als Anlass nehmen oder bereits genommen haben, ihren Internetauftritt auszubauen. Dabei machte ihnen aber fehlendes Know-how zu schaffen, weshalb 16 Prozent sich nicht dazu in der Lage sahen, Online-Angebote einzurichten. Zudem zeigt sich, dass die Digitalisierung weiterhin auf Generations-Hürden stößt: So ist etwa die Hälfte der Gemeinden bei Facebook, jedoch nur ein Prozent bei Instagram, zwei Prozent bei Twitter und fünf Prozent bei YouTube. Dabei zeigt etwa die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), dass es sich lohnt, zu streamen und Videos online zu stellen: Eine Millionen Aufrufe verzeichnet der Kanal der Gemeinde. Das Online-Angebot auszubauen rät auch Tabti, unter dem Hinweis, dass es gerade die kleinen salafitischen und zum Teil radikalen politischen Gemeinden seien, die besonders attraktive und vor allem deutschsprachige Angebote ins Netz stellten. Dagegen kämen die großen Gemeinden, welche die Mehrheit der Muslim:innen in Deutschland repräsentieren, bislang nicht an.

:Leon Wystrychowski

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