Bild: Das Team von Weltflucht: Auf 150 m² gibt es jede Menge Futter für Fans. , Weltflucht in Bochum Amy Katzenmeyer

Einzelhandel. Mitte Januar hat Markus Pfeffer den Comicladen Weltflucht in Bochums Innenstadt geöffnet. Derzeit sind nur der Abhol- und Versandservice möglich, doch sobald die Pandemie nachlässt, soll es richtig los gehen. Wir haben mit ihm über die Zukunft des Einzelhandels, gemeinsame Orte und die Ladenöffnung während einer Pandemie gesprochen. 

:bsz: Das Geschäft hat nun seit Mitte Januar geöffnet. Wie läuft es denn? 
 
Markus Pfeffer: Im Rahmen dessen, was wir dürfen, läuft es gut. Wir haben schon einige Leute, die regelmäßig bestellen und abholen. Wir haben den Versand gestartet und das wird im Moment schon ganz gut angenommen. Das ist natürlich kein Ersatz für das Präsenzgeschäft, aber ein solider Start würde ich sagen. 
 
 

Wie soll es dann weitergehen, sobald hoffentlich das Präsenzgeschäft wieder möglich ist? 

 Ein Teil meines Konzeptes ist immer gewesen, dass ich viele Veranstaltungen hier haben möchte. Das wird natürlich auf absehbare Zeit auch weiterhin nicht möglich sein. Deswegen wird das jetzt Stück für Stück laufen. Wir warten erst einmal darauf, dass wir grundsätzlich eröffnen dürfen, also Leute hier rein und einkaufen dürfen. Dann wird es nach und nach Veranstaltungsprogramm und ähnliche Sachen geben, sobald die Situation im Land das wieder zulässt. 

 

Wie unterscheidet Ihr Euch von regulären Comicläden? 

 Meine Philosophie ist: Gerade Comicläden sind ein Thema für Nerds und Szenenleute. Es ist etwas, wo meines Erachtens nach ganz wichtig ist, dass die Leute sich treffen, einen Ort haben, wo sie sich wohl fühlen und auf Gleichgesinnte stoßen, was in normalen, großen Buchläden nicht der Fall ist. Deswegen sind diese Veranstaltungen im Gesamtkonzept wichtig. Dass man diesen Ort nicht allein als eine Verkaufsstelle begreift, wo man kauft und dann wieder geht, sondern als einen Ort, zu dem man gerne möchte und wo man sich gerne aufhält. Das ist mir sehr, sehr wichtig. Ich habe die Beobachtung gemacht, dass das in vielen anderen Läden weniger stark umgesetzt wird, als ich mir das als Leser und Fan wünschen würde. Dieses heimelige und atmosphärische, was wir hier in dem Laden haben, der ein modern eingerichteter und aufwändig gestalteter Laden ist, das ist ein Alleinstellungsmerkmal, das andere Läden nicht haben.  

 

Ist das einer der bedeutenden Mehrwerte, die Ladenlokale vom Versandhandel unterscheidet, welcher Buchläden zunehmend vertreibt? Wie können sich lokale Geschäfte generell gegen die Riesen behaupten? 

Da gibt es mehrere Aspekte. Der erste, Wichtigste, ist, dass wir als Comicladen genau wie jede normale Buchhandlung von der Buchpreisbindung profitieren. Das heißt, bei uns sind alle Comics und Bücher genauso teuer wie überall anders auch. Insofern ist der Unterschied zwischen den Großen und einem Laden wie unserem „nur“, wie der Laden aussieht, was man hier erleben kann, was man hier sehen und sich anschauen kann und die Leute, die meine Welt verstehen. Das kriegt man bei Amazon alles nicht. Da diskutiert keiner mit dir aus, ob Superman oder Batman stärker ist. Da gibt es keine persönlichen Empfehlungen – da findest du keine Freunde. Da kriegst du einfach nur das Buch, was du gerade haben willst und fertig ist das. Die Fachliteratur nennt das die Theorie des dritten Ortes. Das ist ein Ort, wo man gerne und regelmäßig hingeht neben dem Zuhause und der Arbeit. 

 

Ich habe so das Gefühl, dass bei dieser Geschäftsgründung und dem Veranstaltungsprogramm etwas sehr Hoffnungsvolles dabei ist. Ein gewisser persönlicher Widerstand gegen die Pandemie, dass, wenn es irgendwann besser wird, ein kompletter Neustart möglich ist. War dieser Wunsch einer Deiner Beweggründe? 

Ich habe was das betrifft keine Angst vor der Pandemie in dem Sinne. Weil ich das schon einmal miterlebt habe letztes Jahr. Bei dem Lockdown im Frühjahr war ich in einem Comicladen als Angestellter und habe da genau dasselbe erlebt. Dass wir etwas über einen Monat die Bude dicht hatten und danach waren die Leute ausgehungert. Wir hatten Umsätze, die weit überdurchschnittlich waren, weil die Leute Bock hatten, endlich wieder raus, endlich wieder richtig shoppen zu gehen und Leute zu treffen. Ich glaube, dass das jetzt nach dem Lockdown, wann auch immer der vorbei sein mag, ähnlich passieren wird. Wir stehen dann bereit, um den Leuten, wenn sie endlich wieder raus dürfen, vom ersten Tag an einen super Laden zu bieten. Ich glaube, dass es anderen Branchen ähnlich gehen wird. Wer jetzt ein halbes Jahr oder ein Jahr auf kein Konzert mehr gegangen ist, ist inzwischen wohl auch soweit, dass er sich alles anhören würde, wenn er bloß endlich wieder raus darf.  

 

Ja, total! Mir geht es allerdings auch so, dass wenn ich Bilder „von davor“ ohne Kontaktbeschränkungen und so weiter sehe, dann löst das eine Art Unbehagen aus. Ich frage mich, ob sich das so schnell wieder auflösen kann. 

Ich glaube, dass es für uns hier relativ schnell gehen wird. Wir haben einen Laden, der groß genug ist, dass man sich hier nicht gegenseitig auf die Füße tritt. Wir werden also sämtliche Hygienebeschränkungen, die auf uns zukommen werden, auch problemlos umsetzen können. Rein persönlich stimme ich dir da total zu. Ich glaube aber die Probleme liegen eher bei Branchen im Veranstaltungs- und Eventbereich. Aber wir als Handel – ich glaube, dass wir da gut gerüstet sind. Mit der einen Einschränkung, dass wir natürlich unsere eigenen Veranstaltungen – Lesungen, Quizabende, Signierstunden – erstmal noch einschränken müssen.  

 
Was ist denn sonst noch außergewöhnlich daran, jetzt ein Geschäft zu öffnen? 
 
Außergewöhnlich ist natürlich, dass es auch eine finanzielle Belastung darstellt. Das darf man letztlich nicht unter den Tisch kehren. So’n Lockdown kostet ja ordentlich Kohle. Mit jeder Woche, die wir hier nicht aufmachen dürfen seit der Laden fertig ist, geht ordentlich Geld verloren. 

 

Gibt es da Darlehensmöglichkeiten?  

Tatsächlich nicht. Die Argumentation, die im Moment gilt, ist sinngemäß: Wer jetzt eröffnet, wer jetzt etwas gründet, der weiß, worauf er:sie sich einlässt. Das stimmt ja auch. Ich persönlich hätte zwar nichts dagegen, wenn man mir hilft. Aber ich sehe ein, dass andere Bereiche gibt, die die Hilfe deutlich nötiger haben. Im Kulturbereich sind die Leute glaube ich in deutlich prekären Situationen, weil sie teilweise seit einem Jahr nicht mehr öffnen dürfen. Da geht es uns noch vergleichsweiße gut. 

 
Gibt es etwas, dass Du noch mitgeben möchtest? 

 Was vielleicht noch erwähnenswert ist, ist, dass ich den Fokus wegnehme von der altmodischen Sache. Man muss dazu wissen, dass der Comichandel, obwohl das nach modernem Kram klingt, insgesamt eine relativ altmodische, starre Branche ist. Das ist ein generelles Buchhandelsproblem, wo viele alt eingesessene Händler und Unternehmer arbeiten. Ich habe das Gefühl, dass diese Branche erschreckend viel Angst vor der Zukunft hat. Das ist ein Ding, wo ich entgegensteuern möchte. Zum Beispiel dadurch, dass wir ein Warensortiment haben, dass deutlich moderner ist. Also Fanartikel einerseits, aber was ich auch meine sind antiquarische Sachen. Es gibt in vielen Läden, das ist meine persönliche Einschätzung, einen ziemlichen Überhang an sehr altmodischen Comics, für die es sicherlich einen Markt gibt, aber die Zielgruppe, die in etwa in meinem Alter ist, verfehlt. Also die, die in den 90ern groß wurden. Deren Bedürfnis nach Nostalgie und nach ihren Klassikern wird meines Erachtens in der Comicbranche stark vernachlässigt. Das richtet sich derzeit meines Erachtens hauptsächlich entweder an Kinder und Jugendliche oder an die alteingesessenen Sammler von der Generation 50-60+, die mit den ganz alten Klassikern groß geworden sind. So Leute wie ich, deren nostalgische Gefühle sich beispielsweise auf die Ninja Turtles beziehen, da ist ein ganz großes Defizit im deutschen Comichandel. Die Verlage steuern dagegen. Die Szene an sich und die Leute, die da aktiv sind auf Conventions und so weiter, die auch. Aber der Handel nicht.  

 

Wenn dieses Segment dann nur durch den Versandhandel bedient werden kann, ist es auch irgendwie logisch, wenn dieser die Läden vertreibt.  

Genau. Das ist das Ding. Da ist so eine Black Box in der Mitte für diese Generation der Comicfans. Das ist was, was ich hier ganz klar beabsichtige zu ändern. 

 

Das Interview führte :Stefan Moll 

 

 

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