Bild: Eurovision So-Doch-Nicht: Ferrell krönt sich selbst zum „Volcano Man“. , Ein schwacher Ersatz Netflix PR

Review. Diesen Mai sollte eigentlich in Rotterdam der 65. ESC stattfinden. Stattdessen bietet Netflix mit „Eurovision Song Contest – The Story of Fire Saga“ jetzt eine amerikanische Sicht auf den polarisierenden Musikwettbewerb. 

Regisseur David Dobkin lässt Will Ferrell an der Seite von Rachel McAdams als isländische Kleinstädter:innen auf der großen Bühne für ihr Land antreten. Das Duo nimmt die klassische Außenseiterrolle an, die sich „against all odds“ durchsetzen muss, um ihren Kindheitstraum zu verwirklichen, einmal Teil des traditionsreichen ESC sein zu dürfen. Dabei müssen sie nicht nur Ferrells verständnislosen Vater, gespielt von Pierce Brosnan, überwinden, sondern auch ihr eigenes musikalisches Mittelmaß gepaart mit slapstickartiger Tollpatschigkeit. Die vorhersehbare Handlung wird geschmückt durch eine Vielzahl von Klischees und den sehr plumpen Humor, durch den Ferrell Bekanntheit erlangen konnte.  

Deutlich versucht sich der Film an dem Spagat, sowohl den Hardcore-ESC-Fan als auch den beziehungsweise die durchschnittlichen Netflix-Zuschauer:in zufrieden zu stellen. Dies soll gelingen durch die Mischung von bekannten Gesichtern aus Hollywood mit dem ein oder anderen Gastauftritt ehemaliger ESC-Teilnehmer:innen, bei deren Medley Klassiker der Eurovisionsgeschichte an amerikanische Pop-Hits gereiht werden.  Nur selten traut man sich, eines der vielen speziell für den Film komponierten Lieder in voller Länge zu zeigen, aus Angst davor, das Publikum durch die formelhaften, immer gleichen Popsongs zu langweilen, die allesamt klingen, als seien sie beim echten ESC im schwedischen Vorentscheid aussortiert worden. So bekommt man immer wieder nur mal hier einen Refrain, mal da eine Strophe zu hören bis zum großen Finale. Dabei bildet das nur einen gewissen Teil dessen ab, was den Song Contest eigentlich ausmacht. Zwar wird die Zahl der Länder, die ihren Song bei einem kleinen Kreis in der Szene schon etablierter Komponist:innen bestellt, um diesen dann den Kandidat:innen der eigenen The Voice-Ausgabe vor die Füße zu werfen, immer größer; Dennoch finden sich jedes Jahr auch außergewöhnliche Beiträge, die auf berührende Weise von der eigenen Kultur erzählen können oder sich gegen das von der EBU vorgeschriebene Politisierungsverbot wehren. 

The Story of Fire Saga blendet diese Seite jedoch aus und widmet seine Aufmerksamkeit dem Spektakel aus pompösen Shows und Choreografien. Der von Dan Stevens herausragend gespielte russische Interpret (angelehnt an den schillernden Filipp Kirkorow), der mit Leichtigkeit die Gratwanderung zwischen den Klischees des osteuropäischen Bösewichts und schmierigem Charmeur meistert, verkörpert die Überspitztheit der Darbietungen, die eine Parodie eigentlich überflüssig machen. Der ESC konnte schon länger über sich selbst lachen, wie der 2016 von den Moderator:innen gezeigte „Love, Love, Peace, Peace“ beweisen konnte, der die zu erfüllende Checkliste zum Sieg beschreibt. Will Ferrell versucht es jedoch lieber mit Penis-Witzen und ganz viel Fremdscham.  

Die Bedeutung des ESC als friedliches Zusammenkommen Europas, das seine Wurzeln in der Nachkriegszeit hat und spätestens seit dem Sieg einer israelischen Transsexuellen 1998 eine besondere Rolle für die LGBTQ*-Community spielt, wird vom Film immerhin gestreift. Der Rest bleibt eine typische Ferrell-Komödie, die Eurovision zwar respektiert, aber nicht ernst nimmt. Immer wieder gibt es Diskussionen über die Öffnung des ESC für Länder außerhalb der EBU, die mit der Aufnahme Australiens schon einen ersten Schritt in diese Richtung wagte. Warum diese Entwicklung nicht unbedingt zu begrüßen ist, zeigt dieser klamaukige Film ganz deutlich.       

:Henry Klur                 

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