Bild: Symbolbild, Präsidentschaftswahlen

Demokraten. Der Kandidat hat eine schwierige Aufgabe vor sich – die aktuellen Krisen zu navigieren und dabei Wähler:innen aus vielen politischen Richtungen von sich zu überzeugen. 

Joe Biden – der demokratische Kandidat in den kommenden US-Wahlen – hat keine leichte Aufgabe. Er muss in einer Zeit, in der die Vereinigten Staaten entlang unterschiedlichen demographischen und politischen Linien polarisiert sind, viele Strömungen hinter sich vereinigen. Jüngste Umfragen sehen ihn zwar mit einem erheblichen Vorsprung vor Präsident Trump, doch diese Zahlen beruhen auf Gesamtbevölkerungsumfragen. Die Dynamiken des Electoral Colleges, die Hillary Clinton 2016 trotz einer Stimmmehrheit die Niederlage brachten, sind weiterhin vorhanden. Denn nach dem Mehrheitswahlrecht erhält ein:e Kandidat:in alle Delegiert:innenstimmen eines Bundesstaats, sobald er:sie eine Mehrheit der Stimmen hat. Dies setzt ein besonderes Gewicht auf Staaten, die nicht eindeutig republikanisch oder demokratisch wählen und somit von beiden Kandidaten umkämpft werden können. Obwohl Biden derzeit auch in den wichtigen sogenannten Swing States – Florida, Arizona, Wisconsin und Michigan – vorne liegt und sogar realistische Chancen hat, traditionell republikanische Staaten wie Texas und Georgia für sich zu gewinnen, ist die Dichte der aussagekräftigen Umfragen hier wesentlich geringer. Ein Faktor, der Bidens Kampagne besonders erschwert, ist die Diversität innerhalb der demokratischen Partei, die zwar dem sozialliberalen Wertekonsens entspricht, aber politische Herausforderungen mit sich bringt. Anders als die republikanische Partei, die sich in den vergangenen Jahren hinter Trump und seiner Wähler:innen-Basis konsolidiert hat und laut Erhebungen des Pew Research Centers aus wesentlich einheitlicheren demographischen Gruppen besteht – weiß, männlich, christlich, älter. Oft als das „Big Tent“ beschrieben, ist die demokratische Partei ein Zusammenschluss vieler unterschiedlicher politischer Identitäten, die teilweise gegenläufig sind. Sowohl Afro-Amerikaner:innen, Lateinamerikaner:innen, Asiat:innen, Frauen, jüngere als auch ältere Wähler:innen und Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen und akademischer Abschlüsse sowie politischer Richtungen von moderat bis stark links finden sich zusammen und müssen politisch und legislative Übereinstimmungen finden. 

Insbesondere die Schwarze Bevölkerung spielt für Demokrat:innen und Joe Biden eine wichtige Rolle – eine Ebene, die während den aktuellen Protesten rund um die Ermordung von George Floyd und systematischen Rassismus von besonderer Bedeutung ist. 90 Prozent der Afro-Amerikaner:innen wählten in den Kongresswahlen im Jahr 2018 demokratisch. Joe Biden erlangte den sicheren Weg zur demokratischen Kandidatur trotz einiger Vorwahl-Niederlagen in Iowa, New Hampshire und Nevada, nachdem er im Bundesstaat South Carolina gewann. South Carolina ist mit seinem erheblichen Anteil von Schwarzen Wähler:innen einer der wichtigsten Staaten für die Nominierung der demokratischen Präsidentschaftskandidat:innen und Biden hat bereits seit vielen Jahrzehnten gute Beziehungen mit Schwarzen Communitys. Dass rund 90 Prozent der Schwarzen Bevölkerung demokratisch wählt, bedeutet jedoch auch, dass innerhalb dieser 90 Prozent politische Haltungen weit auseinander gehen. So sind Afro-Amerikaner:innen im Durchschnitt konservativer als die Mitte der demokratischen Partei. Während sich 55 Prozent der Weißen Demokraten:innen als liberal beschreiben, sind dies unter Schwarzen Demokrat:innen nur 29 Prozent. Doch auch hier gibt es Unterschiede. Denn während ältere Afro-Amerikaner:innen   bevorzugt moderate Kandidat:innen befürworten, halten jüngere Schwarze Wähler:innen linkere Positionen. Diese Spannung wurde deutlich, als Biden vor kurzem bei der Radioshow von Charlamagne tha God zu Gast war. Der Moderator kritisierte viele Kandidat:innen für einen zu moderaten Kurs, unter anderem auch Joe Biden und stellte in Frage, weshalb Schwarze Amerikaner:innen für ihn stimmen sollten. Der Kandidat entgegnete mit einem in vielen Kreisen paternalistisch und rassistisch aufgefassten Statement: „If you have a problem figuring out whether you are for me or for Trump, then you ain‘t black!“ Wie oder ob Biden diese Spannungen in Hinblick auf die aktuellen Proteste, deren Forderungen maßgeblich von einer jungen, linkeren Aktivist:innenbasis ausgehen, in Einklang bringt und in sein Wahlprogramm integriert, wird eines der wichtigen Themen der kommenden Monate sein. 

:Stefan Moll 

 

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