Bild: Die Gruppe „nonegatif“: Seit 2013 arbeiten sie mit Danny Friedrich zusammen., Für Augen und Seele Bild: nonegatif

Interview. Am 5. und 6. Dezember wird das Theaterstück „Risse“ erstmalig im Kulturzentrum Bahnhof Langendreer aufgeführt. Wir haben uns mit „Risse“-Regisseur Danny Friedrich unterhalten.

:bsz: Hey Danny! Was hat es mit „Risse“ auf sich?
Danny Friedrich: Die Premiere so wie auch das Theaterstück „Risse“ sind Teil unseres großen Projekts „act now!“, genau wie unsere Spokenword-Bühne (:bsz 1208). Das Projekt „act now!“ setzt sich aus verschiedenen Aspekten zusammen und möchte Gehör und Kunst schaffen.

Was hast Du für einen Hintergrund?
Ich bin Theaterpädagoge. Ich habe an der RUB studiert und habe während meines Studiums eine Weiterbildung gemacht. Berufsbegleitend habe ich dann fünf Jahre meinen Theaterpädagogenbund gemacht und ein Zertifikat vom Bundesverband der Theaterpädagogik erhalten.

Was ist nonegatif für eine Gruppe?
Die Gruppe setzt sich aus ganz vielen unterschiedlichen Menschen und ganz vielen unterschiedlichen Biografien zusammen. Manche von denen sind geflüchtet, manche sind als Schwarze in Deutschland geboren, manche leben quasi in der zehnten oder 20. Generation in Bochum. Was Herkunft und sozialen Status angeht, sind alle sehr unterschiedlich. Aber das sind alles Menschen, die freiwillig kommen und super zuverlässig sind. Die kriegen kein Geld dafür und obwohl sie eigentlich mit Studium, Ausbildung, Fortbildungen, Arbeit oder was auch immer beschäftigt sind, kommen sie und lassen sich auf solche Themen ein. Ich bin beindruckt davon. Der Kern der Truppe ist sogar seit 2013 dabei. Was uns immer besser geglückt ist, ist eine vertraute Atmosphäre zu schaffen, die möglich macht, dass wir uns sehr verletzlich zeigen können; die auch möglich macht, dass wir weinen oder richtig wütend werden können.

Das ist bestimmt schön, wenn man schon so lange zusammen arbeitet!
Ich bin einerseits total gerührt, wie sich alle persönlich weiterentwickeln, aber auch, wie sie sich als Spieler und Spielerinnen weiterentwickeln. Ich bin richtig beindruckt, dass ich mit denen echt diese Begeisterung für so schwere Themen teilen kann.

Mit was für Themen beschäftigt Ihr Euch denn?
Womit wir uns zu Beginn immer wieder auseinander gesetzt haben, war schwarz sein und weiß sein. Das hat sich dann entwickelt in Richtung Intersektionalität, also die Verflechtung verschiedener Diskriminierungsformen oder auch sozialer Identitätsmarker. Wenn wir ehrlich zu uns sind: Wie sehr können wir anderen Menschen wirklich auf Augenhöhe begegnen? Inwiefern schwingen da, ob wir es wollen oder nicht, doch Rassismen mit. Und diesmal ist es konkret zum Thema „Entmenschlichung“ geworden. Es gab natürlich Erfahrungen, zum Objekt gemacht worden zu sein. Es gab viele Frauen in der Gruppe, die davon erzählt haben, dass sie damit Erfahrung gemacht haben. Dass sich so etwas in Blicken ausdrückt oder dass es sich in der Art zeigt, wie man behandelt wird oder auch einfach Grenzüberschreitungen. Da hat sich dann ein Handlungsstrang raus gebildet, in dem es um die Frage ging: Was muss passieren, damit ich bereit bin, einen anderen Menschen zu töten? Das haben wir weiter entwickelt bis zu der Geschichte einer jungen Frau, bei der nach einer zutiefst schmerzhaften Erfahrung keine Heilung stattfinden konnte, weil sich jemand ihren Schmerz zu nutzen gemacht hat, um diesen in Hass umzuwandeln. Es ist super hart und an vielen Stellen richtig düster, gleichzeitig blitzt aber immer wieder die Frage „Was macht uns als Menschen eigentlich aus?“ auf. Also das wirklich Schöne an uns. Um es kitschig auszudrücken:
„Sterne am Nachthimmel fallen uns nur auf, weil es dunkel ist.“

Wie seid Ihr dabei vorgegangen?
Wir haben so gearbeitet, dass wir angefangen haben, uns dem Thema theoretisch anzunähern. Was heißt das eigentlich? Es gibt diese Theorie der Entmenschlichung. Müsste es nicht etwas geben, das uns als Menschen davon abhält, andere Menschen zu töten? Aber nach einem eher theoretischen Einstieg sind wir dann eher in eine biografische Arbeitsphase gegangen, bei der wir geschaut haben: „Was heißt denn das? Das heißt ja nicht nur Genozid; nein, so etwas findet sich auch im Alltag.“ Dann sind wir bei Geschichten von Flucht und Migration zu Erlebnissen gekommen, in denen es erstmal darum  ging, den Eindruck zu haben, weniger wertvoll als andere zu sein. Dann aber auch die sehr schmerzhafte Erfahrung: Wo fällt es mir schwer, andere als Menschen zu betrachten? Da sind sehr persönliche Erfahrungen zusammen gekommen.

Also erwartet uns schwere Kost?
Ich glaube, dieses Stück ist bisher das schwerste, was wir behandelt haben. Also schwer im Sinne von da steckt eine richtig große Tiefe drin, aber auch schwer im Sinne von sich ein- bis zweimal in der Woche während der Vorbereitung mit dem Thema auseinander zu setzen und sich darauf einzulassen. Wenn du solche Themen bespielst, musst du ja auch in so eine Art „Modus“ kommen. Man muss das fühlen und jede Woche wieder an sich heran lassen und sich auch eingestehen, dass wir eigentlich manchmal nicht weit davon entfernt sind, andere zu entmenschlichen. Selbst in kleinen Mini-Handlungen. Das fordert ja auch eine große Ehrlichkeit und eine große Verletzlichkeit.

Warum sagst Du, jede*r sollte sich das Stück angucken?
Oh Mann. Ich bin nicht so gut darin, Dinge anzupreisen, die ich gemacht habe. Mir ist Bescheidenheit wichtig. Aber ich glaube, es ist ein guter Weg, sich mit sich selbst und der Welt auseinanderzusetzen, der hoffentlich noch lange nach diesen beiden Abenden beschäftigen wird.

Das Interview führte :Christian Feras Kaddoura

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