Bild: Erst die Beleidigungen, später gibt man sich die Hand. , Ist Hip-Hop so schlimm, wie es die Medien darstellen? Bild: Jan Turek

Kommentar. Materialistisch, gewaltverherrlichend, sexistisch, homophob – und jetzt auch noch antisemitisch? Spätestens seit der Echo-Verleihung macht der HipHop wieder einmal Negativschlagzeilen. Ist das gerechtfertigt?

Nach dem Eklat bei der Echo-Verleihung an die Rapper Farid Bang und Kollegah gab es am ver­gangenen Freitag auch an der Ruhr-Uni eine Veranstaltung, die sich kritisch mit dem Thema Hip-Hop ausein­andersetzte. Im Rahmen der KRiWo ging es dabei um die „Gender-Inszenierungen im Hip-Hop“. Referent Waldemar Vana­gas von der Universität zu Köln ging in seinem Vortrag vor allem auf die Rolle von Frauen in dem Genre ein und verwies auf verschiedene Rapperinnen, die es auf verschiedenen Pfaden zu Erfolg gebracht haben. Dabei erwähnte er beispielsweise auch die feministische Rapperin Sookee oder die transsexuelle FaulenzA. Offenbar gibt es für Frauen im Hip-Hop nicht nur die stereotype Rolle der „Bitch“.

Sippenhaft

Die Medien hingegen machen es sich ein­fach. Die Sau wird durch’s Dorf getrieben und bald ist allen Bild-LeserInnen und RTL-Zu­schauerInen klar: Hip-Hop ist anti­semitisch! Genau­so wie einst alle wussten, dass Ballerspiele in di­rektem monokau­salen Zusammen­hang für sämtliche Amokläufe verant­wortlich sind. So forderte zuletzt Alexander Dobrindt (CSU) strengere Ge­setze für Rap-Texte. Komplexe Probleme werden hier nur oberflächlich betrachtet und vereinfachte Lösungen vorgeschlagen – und zwar in diesem Fall von Menschen, die „Tupäck“ sagen und keine Ahnung haben, was Battlerap ist. Wer sich mit der Hip-Hop-Kultur auskennt und dessen kom­petitive Natur kennt, weiß Punchlines, Ver­gleiche und Metaphern in ihrem kulturellen Kontext zu interpretieren.

Die Textzeile von Farid Bang („Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insas­sen“), die der Stein des Anstoßes war, ist zweifelsohne unglaublich geschmacklos und muss kritisiert werden – ein kalkulier­ter Tabubruch, um Schlagzeilen zu ma­chen. Die eigentliche Aussage der Zeile des Bodybuilder-Rappers („Aufgrund meines geringen Körperfettanteils kann man meine Muskeln gut erkennen“) ist allerdings nicht antisemitisch. Anders verhält es sich mit einem Musikvideo von Kollegah aus dem Jahr 2016: In „Apokalypse“ werden mehr­fach antisemitische Klischees bedient.

Genauso wie sexistische: Es kommt noch immer vor, dass Frauen als Trophäen oder Dekoration objektifiziert werden. Ho­mophobie gibt es auch. Einen Fehler macht man aber, wenn man alles undifferenziert über einen Kamm schert; wenn man den Satz „Im Hip-Hop gibt es …“ zu einem pau­schalen „Hip-Hop ist …“ werden lässt. In diesem spiegelt sich vielmehr die Gesamt­gesellschaft wider: Sexismus, Homophobie und Antisemitismus sind noch immer weit verbreitet. Das ist nicht akzeptabel.

Deshalb muss man im Hip-Hop selbst­kritisch sein und darf die Vorbildfunktion, die die RapperInnen auf Jugendliche ha­ben, nicht unterschätzen. Farid Bang und Kollegah sind nämlich keineswegs die einzigen – insbesondere im Deutschrap, die mit ihrem archaischen Machogehabe Musik zum Fremdschämen machen und damit äußerst fragwürdige Werte vermit­teln. Dass das alles unter dem Label Hip- Hop steht, zieht eine ganze Kultur in den Dreck, die viel mehr zu bieten hat. Sookee findet jedenfalls nicht, dass sie mit solchen KünstlerInnen im gleichen Boot sitzt, wie sie in einem Interview erklärte: „Es ist nicht dasselbe Boot. Es ist derselbe Ozean.“

Gastautor :Jan Turek

 

 

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