Bild: Das Leben der HausbesetzerInnen: US-Autorin Nell Zink lebte selbst lange Zeit in der Berliner Szene, in ihrem neuen Roman beschreibt sie die Squatting-Kultur in den USA., „Nikotin“ von Nell Zink Bild: Renate Hildebrandt Cc BY-SA 3.0

Literatur. Schrullige HausbesetzerInnenwelt: US-Autorin Nell Zink schildert in ihrem dritten Roman „Nikotin“ das Leben von anarchistischen AußenseiterInnen. Ein wilder Stil, schräge Dialoge und eine besondere Verbindung zum Schriftstellerkollegen Jonathan Franzen.

Der Tod und ein Facebook-Status-Update: So ließe sich die Exposition von Nell Zinks drittem Roman „Nikotin“ bilanzieren. Penny, eine 23-jährige Absolventin der Business-Studies, sitzt die letzten Tage am Sterbebett ihres todkranken Vaters, ein esoterischer Schamane. Ein Tod, der in der restlichen Familie niemanden wirklich bewegt: Pennys Mutter ändert ihren Facebook-Status noch am selben Tag auf Single. Und auch ihrem skrupellosen Stiefbruder Matt geht es nur um den Nachlass ihres gemeinsamen Vaters. Er überredet Penny, eine vom Vater geerbte heruntergekommene Immobilie in einem verarmten Viertel in New Jersey aufzuwerten, um damit einen Gentrifizierungsprozess in Gang zu setzen. Doch das Haus wird von AktivistInnen besetzt, die ihre Obdach „Nikotin“ nennen, weil sie sich für die Rechte von RaucherInnen einsetzen. 

Am Anfang war Jonathan Franzen

Mit einem traumatischen Tod begann schon Zinks erster Roman „Der Mauerläufer“. Zu diesem Debüt bewog sie damals niemand anderes als Jonathan Franzen. Der US-Autor („Freiheit“) ermunterte die in der brandenburgische Provinz lebende Zink, nachdem er Texte und Briefe von ihr las, ihre Literatur zu publizieren. 

Nun hat die kalifornische Autorin mittlerweile ihren dritten innerhalb von 18 Monaten geschriebenen Roman veröffentlicht (ihr zweiter Roman „Mislaid“ erschien bisher nicht auf deutsch). Und wie sie darin die alternativen Lebensentwürfe der „Nikotin“-AnarchistInnen zeichnet, das hat etwas von Kontrastprogramm zu den gefeierten Romanen ihres Mentors Franzen, eine Familien-Chronik in der Zeit ihrer gesellschaftlichen Atomisierung. Nell Zink eröffnet dagegen mit einem schrulligen Figurenensemble eine Welt der AußenseiterInnen, die auf Lebensentwürfe jenseits der neoliberalen Konsumgesellschaft setzen. Anders als in der melodramatischen Prosa von Franzen, in der düstere EinzelkämpferInnen Alkohol und Antidepressiva in sich hineinkippen. „Anleitung zum Einsamsein“ nannte Franzen einen Essay, in der er seine künstlerische Gedanken ordnete. 

Zinks Familienflucht in die Welt der HausbesetzerInnen wirkt wie eine Anti-Anleitung.

Auch wenn Zink dieses post-occupy-AktivistInnen als unentschiedene Rebellen zeichnet: Generaldebatten über Drogen, Ideologie, Sex (überhaupt wird in diesem Roman so viel gevögelt, dass Zink einem anderen US-Kollegen, Philip Roth, Konkurrenz macht) und natürlich Tabakkonsum. Aber „Nikotin“ ist weder Satire, noch 68er-Nostalgie, sondern ein Streifzug durch dieses andere Amerika mit wilden, ungeschliffenen Sätzen und Dialogen.

:Benjamin Trilling

Info:Box

„Nikotin“,

Nell Zink, 

398 Seiten, 

22,95 Euro

rowohlt verlag

0 comments

You must be logged in to post a comment.