Bild: Eine schicke Residenz brauchen sie nicht als Muse im Film „Das Leben der Bohème“ – aber Kaffee, Kippen, Alk und sehr viel Solidarität. , „Floating Rooms“ für die Kreativität? Es gibt bessere Wege für KünstlerInnen Symbolbild: pandora film

Pamphlet. Arbeitsplätze der Kunst- und Kreativwirtschaft sollen die „Floating Rooms“ im Prinz-Regent-Quartier sein. Klingt lukrativ, aber KünstlerInnen sollten andere Mittel wählen, um Räumlichkeiten zu erhalten. Ein Versuch eines Boykott-Aufrufs.

Das Geld fehlt ihnen immer in Aki Kaurismäkis kultiger Künstler-Komödie „Das Leben der Bohème“: Ein Schriftsteller, ein Maler und ein Musiker, die mit ihrer Tätigkeit nicht mal die Miete blechen können. Kurz, jener – fast schon karikative – KünstlerInnentypus der Moderne, der abseits eines Mäzenats beim Versuch, seine Werke auf dem rauen Markt zu verkaufen, ganz nebenbei eine (Über)lebenskunst entwickeln muss. 

Ob sich diese drei Bohemiens wohl für eine jener sechs Residenzen beworben hätten, die aktuell vom Kreativ.Quartier Prinz Regent ausgeschrieben werden? Geld wäre dort ein geringeres Problem – zumindest wird in der Ausschreibung eine großzügige Finanzierung und Förderung in Aussicht gestellt. Aber so richtig reinpassen würden sie nicht in ein Kreativquartier, das eng mit Wirtschaft und Stadtmarketing verzahnt ist.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Eine Förderung von Kunst und Kultur ist immer zu begrüßen. Aber viel zu stark erweckt das Projekt mit dem hippen Namen „Floating Rooms – Artists in Residence“ den Eindruck, als wäre Kreativität hier nur ein ideologischer Imperativ im Dienste der Standort- und Wettbewerbslogik. Anstatt ein Ort zu sein, an dem über gesellschaftliche Probleme reflektiert und die Phantasie darüber, wie ein solidarisches (Stadt)leben (auch in Bochum) aussehen kann,  angeregt werden kann, scheint Kunst in diesem sogenannten Spiel- und Arbeitsplatz der Kunst- und Kreativwirtschaft nur ein ökonomisches Verwertungslabor zu sein. Der Welt ab-, dem Kapital zugewandt.

Keine „Freiräume“!

Sogenannte Kreativquartiere zu fördern und zu initiieren, ist ein bewährter Weg, den Kommunen wählen, um den Strukturwandel oder das Geschäft mit dem Tourismus anzukurbeln. Ein Symptom davon ist eine Bohème-Kultur, die so alternativ und konform zugleich auftritt, dass der New-York-Times-Kolumnist David Brooks dafür schon vor Jahren den Begriff der bourgeois  bohémien (kurz: BoBo) prägte, ein bisschen Hippie, ein bisschen Yuppie.

Eine Invasion bornierter BoBos droht Bochum nun wahrlich nicht. Aber Künstler-

Innen, Kulturtätige oder auch Studierende sollten sich gründlich überlegen, wie sehr sie ihre Projekte ideologisch mit Start-ups oder anderen Überraschungseiern, die im Neoliberalismus gelegt werden, verzahnen und sich mit dem Hamsterrad einer Leistungsgesellschaft in ihren Projekten arrangieren wollen. Da können die SponsorInnen in ihrer Ausschreibung noch so sehr von „Freiräumen“ sprechen. Diese Bezeichnung trifft vielleicht auf Projekte zu, die von unten initiiert werden wie etwa die Besetzung in der Herner Straße im vergangenen Sommer, die einmal mehr bewies, dass da, wo NachbarInnen und BewohnerInnen sich den Raum aneignen und ohne Profitinteressen demokratisch verwalten, auch eine Explosion von Kreativität eintritt. Auf die „Floating Rooms“ trifft das nicht zu. 

Deswegen hätten die drei Kaurismäki-Künstler diese Kreativkaserne ignoriert. Bekanntlich raufen sich diese armen Bohemiens im Film in einer Wohngemeinschaft zusammen und zwar aus Motiven, die auch KünstlerInnen in dieser Stadt als Grundlage nehmen sollten, wenn sie mit ihrem Tun das Stadtleben bereichern wollen: Solidarität. 

:Benjamin Trilling

 
 

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