Bild: Studium statt Stiernacken: Prezident und Andere sind die Antithese zu vielen Klischees. , Sind die Vorurteile über Hip-Hop gerechtfertigt oder hat das Genre mehr zu bieten? Foto: Jan Turek

Essay. Bei vielen hat das Hip-Hop-Genre einen schlechten Ruf. Nachvollziehbar. Trotzdem lohnt es sich, einen Blick hinter die Wand aus Vorurteilen zu werfen und Diamanten zu finden.

„Und, was hörst du so für Musik?“, werde ich gefragt. „Hip-Hop“, antworte ich und sehe vor meinem geistigen Auge eine Schublade aufgehen, in die ich dann unsanft gesteckt werde. Das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen, macht sich in mir breit. „… aaaber nicht das Asi-Zeug, das du jetzt vielleicht meinst“, füge ich noch schnell hinzu, denn ich meine die Assoziationen meines Gegenübers zu kennen: ProletInnen mit protzigen Ketten und teuren Autos, leichtbekleidete Frauen, die nur als schmückendes Beiwerk und ebenso als Statussymbol dienen, und natürlich Gangsta-Gehabe mit großen Knarren und aufgepumptem Bizeps – ein Bild, das in unzähligen Musikvideos gezeigt wird – aber auch ein Bild, das in den Medien überrepräsentiert ist. Es ist daher verständlich, dass Hip-Hop für viele als materialistisch, frauenfeindlich, homophob, gewaltverherrlichend und dumm gilt.

Kulturelle Unterschiede

Die Klischees sind nicht aus der Luft gegriffen. Zweifellos gibt es diesen Hip-Hop. Für ein besseres Verständnis ist es jedoch hilfreich, zumindest skizzenhaft einige Wurzeln der Kultur zu kennen: Die Hip-Hop-Kultur ist in den 1970er Jahren in der Bronx, einem der ärmsten Stadtbezirke von New York, entstanden, wo viele Menschen den American Dream träumten und von Gewalt umgeben waren. In den USA ist es außerdem nicht so verpönt wie in Deutschland, seinen Reichtum zu zeigen und es herrschte dort damals ein konservativeres Rollenverständnis von Männern und Frauen als heute. Vielen Frauen wurde eingetrichtert, dass sie einen erfolgreichen Mann finden müssen und Männern, dass sie besonders stark sein müssen, was sich auch in der Battle-Kultur des Hip-Hop widerspiegelt. Genährt von diesen verschiedenen Wurzeln, konnte eine Pflanze wachsen, die manchmal auch hässliche Blüten trägt.

Differenziert betrachten

Gleichzeitig gibt es aber noch anderen Hip-Hop, der nicht diesen Klischees entspricht. „Keep Ya Head Up“ von 2Pac ist beispielsweise ein Song, der Frauen ausdrücklich wertschätzt. Und während DMXs „Where The Hood At“ von 2003 tatsächlich noch zweifellos homophob ist, setzt sich Macklemore in seinem Song „Same Love“ von 2013 für die gesellschaftliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Liebe ein. Es bahnt sich ein Wertewandel im Hip-Hop an.

Das Vorurteil vom dummen Hip-Hop wird ständig widerlegt, allerdings nicht zwangsläufig immer im Mainstream: Die Texte von Lupe Fiascos Album „Tetsuo and Youth“ beispielsweise könnte man stundenlang analysieren wie einen Shakespeare-Text und dann beim zwanzigsten Hören noch eine neue Metapher finden. Immortal Technique ist ein Rapper, der schon seit vielen Jahren verdeutlicht, dass Hip-Hop-Musik auch eine politische, systemkritische Botschaft haben kann. Und auch im Deutschrap gibt es Beispiele für intelligente Texte: Prezident etwa lässt sich für seine Musik eher von Philosophie und Weltliteratur wie Franz Kafka und Charles Bukowski inspirieren als von anderen Rappern.

Seit etwa der Jahrtausendwende begleitet mich der Hip-Hop durch mein Leben. Trotzdem stehe ich ihm nicht unkritisch gegenüber. Da aber die Musik, die ich höre, für mich auch einen Teil meiner Identität ausmacht, werde ich sie nicht verleugnen – auch wenn ich weiß, dass mein Gegenüber Vorurteile hat.

                 Gastautor :Jan Turek

 

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