Bild: Bürokratiemonster und Schuldenfalle

Kommentar. Die aktuelle BAföG-Regelung trägt kaum zu mehr Bildungsgerechtigkeit bei. Eine grundlegende Reform muss her.

Vielleicht war es 1971 die letzte sinnvolle Tat einer SPD-Regierung. Zu den Bildungsreformen der sozialliberalen Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt gehört auch das Inkrafttreten des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (kurz: BAföG) am 1. September. Sozialpolitisches Ziel: Mit einer Vollbezuschussung sollte die Chancengleichheit in der Bildung erhöht und  Bevölkerungsschichten mit einem niedrigen Einkommen ein Zugang zu Abitur oder Hochschule ermöglicht werden. Damit wurden auch Forderungen der 68er-Bewegung nach Bildungsgerechtigkeit zum Teil umgesetzt.

Seitdem war das BAföG Spielball verschiedener politischer Lager: Unter der Kohl-Ära wurde bereits die Ausbildungsförderung auf ein Volldarlehen umgestellt. Durch bürokratische Schikanen wie eine familienabhängige Ermittlung der Bedarfssätze wurde die Förderung Stück für Stück ausgehöhlt. Von dem einstigen sozialliberalen Prestige-Projekt ist nur noch eine Chimäre übrig geblieben. Das BAföG ist ein Witz, den die bundesrepublikanische Politik über die Bildungsgerechtigkeit schrieb.

67 Prozent der Studis arbeiten nebenbei

Entsprechend reicht es nicht, bloß eine Anpassung der Sätze zu fordern. Dass der Anteil der Studierenden, die BAföG erhalten im letzten Jahr um 27.000 auf rund 584.000 zurückging, zeigt, dass eine grundlegende Reform notwendig ist. Denn die Angst vor Schulden (die Hälfte der Förderung ist ein  Darlehen und muss später beglichen werden) und eine familienabhängige Ermittlung der Bedarfssätze sorgen dafür, dass 67 Prozent der Studierenden nebenbei einer Erwerbstätigkeit nachgehen müssen. Für einen Großteil der Studierenden ist die Entscheidung, eine Hochschule zu besuchen, also ein Wagnis, ein Balanceakt zwischen Nebenjob-Stress und Verschuldung. 

Wird die Förderung nicht grundsätzlich umgekrempelt, ist keine Besserung in Sicht. Der aktuellen Bundesregierung – von einem möglichen schwarz-gelben Nachfolge-Kabinett gar nicht zu reden –  scheint das egal zu sein. Wer Teil der Koalition ist, muss natürlich nicht erwähnt werden. Lang ist er her, der 1. September 1971.

:Benjamin Trilling

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