Bild: Muss erst zubereitet werden: Viele regelmäßige KonsumentInnen nehmen dafür spartanisch Löffel, Feuerzeug und Zitronensaft als Säurelösung. , Psychoaktive Wundermittel oder gefährliche Nervengifte? Die Neurobiologie hinter Drogentrips Foto: kac

Es war das einzige Mittel, das Kurt Cobain half, seine Magenschmerzen zu ertragen – doch es trieb ihn vermutlich in den Suizid. Auch John Lennon und Janis Joplin kamen nur schwer und gar nicht von der Spritze los. Kein Wunder, denn Heroin ist einer der Substanzen mit dem höchsten Abhängigkeitspotenzial. Bereits nach erstmaligem Konsum kann sowohl körperlich als auch psychisch die nicht selten letale Sucht einsetzen.  

Schwer zu glauben ist heutzutage, dass der 1896 vom Pharmakonzern Bayer in Wuppertal entwickelte Wirkstoff noch bis 1958 als medizinisches Mittel gegen Schmerzen und Husten verkauft wurde. Zudem empfahl man ironischerweise Heroin als angeblich nicht abhängig machendes Medikament gegen Opium- und Morphinsucht. Erst nachdem sich die Risiken überdeutlich unter den KonsumentInnen zeigten, sprach Deutschland 1971 das Verbot von Heroin aus.

Schmerzfrei dank Schlafmohn

Der farblose, kristalline Feststoff wird halbsynthetisch hergestellt. Aus Opium, dem getrockneten Saft des im mittleren Osten angebauten Schlafmohns, wird Morphin extrahiert, welches chemisch zu Heroin weiter verarbeitet wird. Die Kristalle müssen vor dem Konsum mit säurehaltiger Flüssigkeit erhitzt werden, etwa mit Zitronensaft klischeehaft auf einem Löffel und einem Feuerzeug darunter. Durch einen Filter in die Spritze aufgesaugt, kann der hochpotente Wirkstoff dann in die Blutbahn injiziert werden, was deutlich wirkvoller ist als ihn zu inhalieren oder zu schnupfen.

„Meinen ersten Schuss bekam ich in die Vene im Arm. Mein Gesicht fing an zu glühen, mein Herz pochte, meine Muskeln zogen sich zusammen. Nie wieder bekam ich dasselbe Gefühl, das pure Geilheit verkörperte, noch ein weiteres Mal. Egal wie viel ich mir spritze – aber ohne geht es auch nicht.“
Bea, 29, obdachlos, heroinabhängig seit sieben Jahren
Ähnlich wie Morphium und Codein hemmt Heroin die Schmerzentstehung im zentralen Nervensystem, indem es an die Opiatrezeptoren im Gehirn und Rückenmark bindet. Dabei löst der stark konzentrierte Wirkstoff einen erwünschten Nebeneffekt der Analgesie aus: die Euphorisierung, die der Körper als Schutzmechanismus bei starken Schmerzen auch selbst in Gang setzt.

Methadon, die Ersatzdroge aus der Apotheke

Die extrem starke Wirkung von Heroin birgt auch die höchste Gefahr – nämlich die der sofortigen Abhängigkeit nach den ersten Gebrauchserfahrungen. Schnell gewöhnt sich der Körper an den Stoff und die Rauschdauer von sechs bis teilweise 24 Stunden reduziert sich, sodass in immer kürzeren Abständen Nachschub in stärkere Konzentration folgen muss, um den gleichen Effekt zu spüren.

„Ich spritze mich nur noch in die Füße, seit meine Eltern misstrauisch wurden, als sie meine  Narben auf den Armen sahen. Sie finanzieren mich und somit auch meine Drogen, die mir meine ‚Orgasmen‘ verschaffen.“
Sina, 21, arbeitslos, heroinabhängig seit sechs Jahren

Stark Heroinabhängige leiden bereits zehn Stunden nach dem letzten Konsum an den körperlich sehr anstrengenden Entzugserscheinungen. Daher können sie im Substitutionsprogramm die Ersatzdroge Methadon kontrolliert in Anspruch nehmen, um die extreme Entzugssymptomatik und das Verlangen nach Heroin besser ertragen zu können. Einen „Kick“ gibt Methadon allerdings nicht – und somit wird das „Craving“ ständiger Begleiter von ehemals Heroinabhängigen sein.

Steckbrief: Heroin

Erste Räusche: 3.000 v. Chr. in Ägypten (Opium), Anfang 20. Jh. (Heroin)

Wirkstoff: Diamorphin

Wirkung: stark schmerzhemmend, euphorisierend

Zu sehen in: „Requiem for a dream“

In unserer Drogenreihe stellen wir Euch die Wirkungsweise verschiedener Substanzen vor – Erfahrungsberichte treffen auf Wissenschaft.

Lest hier auch den anderen bisher erschienenen Artikel der Reihe:

„Trendharz Cannabis“

„Schmetterling trifft Handgranate“

:Melinda Baranyai & :Katharina Cygan

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