Bild: Aus Stockholm nach Dortmund: The Baboon Show heizten dem FZW beim Bierschinken-Festival ein. , Online-Fanzine Bierschinken schenkt sich zum 15. Geburtstag ein Festival Foto: Joop

Auf den Liegestühlen im Außenbereich des Dortmunder FZW sonnen sich Punks und machen keine Anstalten, hineinzugehen. Warum auch, schließlich trennt den Strandbereich und die Bühne in der Bar  nur eine Glastür. Und drinnen machen bereits am frühen Abend Bands wie Kannibal Krach ihrem Namen alle Ehre. Keins von deren Grindcore-Brettern dauert gefühlt länger als 40 Sekunden, was selbst für Punkverhältnisse kurz ist. Dass man vom Text so gut wie nichts versteht, liegt einerseits am Growlen des Sängers, andererseits am Sound der Anlage. Der wirkte bei den ersten Bands, die beim Bierschinken-Festival aufspielen, noch etwas zu laut und eine Spur zu breiig. Aber Kannibal Krach punkten beim Publikum eh am meisten mit ihren ironischen Ansagen, in denen sie auch die Alternativkultur auf die Schippe nahmen. So wird der Song „Plenum“ wie folgt anmoderiert: „Dieser Song ist für alle, die Auftrittsverbote erteilen, weil Leute ihre T-Shirts ausziehen.“

Kannibal Krach beim Bierschinken-Festival im FZW. Foto: joop

Ein amüsanter Einstieg in einen langen Abend, an dem deutsche und internationale Bands im FZW auf zwei Bühnen den Geburtstag des Online-Fanzine Bierschinken.net feierten; gegründet wurde es vor 15 Jahren von Felix Wirtz, genannt Fö. Und da sich dort alles um Punk in seinen vielen Variationen drehte, musste auch ein punkmäßiger – wenn möglich abstoßender – Name her. Aber wieso eigentlich dieser Titel?

Konzerte als Lebensinhalt

„Der Name war einfach das Ekligste, was mir eingefallen ist. Dieser Fleischsaft, der entsteht, wenn Bierschinken zu lange in der Packung bleibt, der irgendwann dickflüssiger wird und sich gar verfärbt – das war so ein Bild, das ich damals nicht aus dem Kopf bekam“, sagt Fö. „Zufälligerweise spielt dieses „Bier“ in unserem Leben auch eine große Rolle und unsere Texte nehmen immer mehr die Ausmaße von fetten Schinken an, der Name ist also Programm.“

Bierschinken ist für Fö längst mehr als ein Hobby, es ist Lebensinhalt. Er hat in seinem Leben schon 1.400 Konzerte besucht, allein 64 in diesem Jahr – er führt darüber Buch – und trotzdem gibt es für ihn immer noch Überraschungen. „Das können Bands sein, die einen vom Stand weg total umhauen; spannende Locations, die man so nicht auf dem Schirm hatte; oder auch einfach das Publikum, das auf Punk-Konzerten immer noch etwas verrückter ist als anderswo.“

The Baboon Show fetzt durchs FZW

Er freut sich beim Bierschinken vor allem auf einen Auftritt: „Ein ganz besonderes i-Tüpfelchen wird auch The Baboon Show aus Schweden, die sich nicht umsonst ihren Ruf als hart arbeitende Live-Band erspielt haben und die schon vor zwei Jahren das FZW zum Kochen gebracht haben.“

Sängerin Cecilia von The Baboon Show gibt alles. Foto: joopAuch diesmal lieferten die MusikerInnen aus Stockholm, die mich schon vor ein paar Monaten beim Ruhrpott Rodeo begeistert hatten, wieder eine mitreißende Performance ab. Das lag vor allem an der starken Bühnenpräsenz von Sängerin Cecilia: Mal klettert sie auf die Bass Drum, um von dort oben Zeilen zu Stücken wie „You Got a Problem Without Knowing It“ ins Mikro zu schmettern. Das ganze Konzert über wirbelt sie auf der Stage von einer Seite zu anderen, um sich weit ins Publikum hinauszulehnen und die ZuhörerInnen anzustacheln. Zwischendurch gibt’s eine Dusche aus der Mineralwasserflasche, kurz die nassen Haare schütteln, und weiter geht der wilde Tanz.Dearly Beloved aus Toronto hielten es nicht die ganze Zeit auf der Bühne aus. Foto: joop

Eine neue Entdeckung waren für mich auch Dearly Beloved aus Toronto, die im FZW das letzte Deutschlandkonzert auf ihrer aktuellen Tour gaben. Sängerin Niva Chow war ein pures Energiebündel und trieb mit ihrem Tamburin die Band ebenso an wie Bassist Rob Higgins. Der folgte zum Schluss Niva auch auf einem ihrer Ausflüge ins Publikum.

Insgesamt bediente das Festival im FZW viele Punk-Geschmäcker, selbst etwas ruhigere Klänge wurden in Gestalt des New Yorker Singer-Songwriters Franz Nicolaj geboten. Einziger Wermutstropfen war die kurzfristige Absage der Co-Headliner Chefdenker, für die spontan die Kaput Krauts einsprangen und einen politischen Schlussakkord setzten.

Weiter mit dem Bierschinken-Festival geht es übrigens am 17. September unter dem Motto „15 Jahre und ein paar zerquetschte“, unter anderem mit der Terrorguppe als Headliner. „Ich freue mich da sehr drauf“, sagt Fö.  „Da kann ich mich auch endlich wieder wie 15 fühlen…“

:Johannes Opfermann

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