Bild: Abgehoben: Schweizer Nationalbank (SNB) entkoppelt den Franken vom Euro., Starker Schweizer Franken belastet Ruhrgebiets-Kommunen Karikatur: ck

Die Kommunen im Ruhrgebiet kämpfen seit Jahren mit steigenden Sozialkosten, sinkenden Steuereinnahmen und daraus resultierender, massiver Verschuldung der Städte und Gemeinden. Dank riskanter Devisengeschäfte mit der Schweizer Nationalbank (SNB) müssen Bochum, Essen und Co. jetzt noch mehr zurückzahlen. Doch nicht nur sie werden von der starken Währung belastet: Auch ausländische Studierende in der Schweiz kämpfen mit horrenden Mensapreisen in den Universitäten. Wieso ist der Franken so stark und was hat das mit Bochum zu tun?

Jeder Mensch hat ein Geheimnis; so auch Manfred Busch, seit 2005 Kämmerer der Stadt Bochum. Der ehemalige Landtagsabgeordnete der Grünen und, wohlgemerkt, promovierte Wirtschaftswissenschaftler, ist seit knapp zehn Jahren für die Finanzen der Stadt Bochum zuständig und hatte 2010 eine Idee, wie man das anhaltende Schuldenproblem der Stadt lösen könnte: Aufgrund des damals günstigen Euro-Wechselkurses zum Schweizer Franken – 1,47 Franken je Euro – hat die Stadtverwaltung Bochum zwei Kredite in Höhe von 150 Millionen Euro aufgenommen, für die sie 221 Millionen Schweizer Franken (CHF) zurückbekam. Da diese Kredite jetzt allerdings in Franken zurückgezahlt werden müssen und die erste Tranche bereits am 18. März für Busch und die Stadt Bochum fällig wird, hat der Kämmerer ein großes Problem: Weil der Franken nach dem Ende der CHF-Euro Kopplung stark an Wert gewonnen hat, entwickelt sich das einst doch so lukrative Geschäft für die Stadt zu einem finanziellen Desaster. Statt der erhofften Zinseinsparungen, die den Haushalt entasten sollten, muss die Stadt jetzt 221 Millionen (wohlgemerkt Euro) zurückzahlen – 71 Millionen mehr als erwartet. Wie konnte der Kämmerer so daneben liegen?

Russisch Roulette mit dem Wechselkurs

Die Idee, durch Devisenkäufe Geld zu sparen, beziehungsweise Gewinn zu erzielen, ist nicht neu:  Bekannte Wirtschaftsgrößen wie George Soros spekulierten mit ausländischen Währungen und verdienten damit Milliarden. Die Kämmerer im Revier hatten dagegen weniger Erfolg und für die normalen BürgerInnen sind solche hochriskanten Geschäfte nur schwer zu vermitteln – erst recht, wenn sie, wie in diesem Fall, einen großen finanziellen Schaden anrichten. Wie kamen Kämmerer wie Busch dazu, solch große Kreditsummen bei der Schweizer Nationalbank aufzunehmen? Wurden die Risiken ausgeblendet?

Laut Städte- und Gemeindebund haben sich in den letzten Jahren über 25 Kommunen im Revier auf Darlehensgeschäfte mit der SNB eingelassen – mit einem Gesamtvolumen von 1,9 Milliarden Euro. Die Fremdwährungskredite wurden zu unterschiedlichen Konditionen abgeschlossen. Bochum sei im Vergleich zu Essen noch glimpflich davon gekommen – glaubt man den Aussagen von ExpertInnen. Auch Ralf Jäger (SPD), Landesminister für Inneres und Kommunales, sieht die Lage nicht so dramatisch und spricht von „fiktiven Zahlen“. Gleichzeitig will sich der Innenminister einer Mitschuld an den Finanzgeschäften nicht bewusst sein und redet sich die Situation schön.

Franken-Kredite 2010 lukrativ

Bochums Stadtkämmerer Manfred Busch hält das Geschäft aus „heutiger Sicht für einen Fehler“, was auch bedeutet, dass es damals keiner war. 2010 schien es lukrativ zu sein, den an den Euro gekoppelten Franken als günstige Alternative zu einem normalen Kredit im Inland zu nutzen. Die Schweiz lockte damals ausländische InvestorInnen mit einem sehr günstigen Leitzinsniveau von unter einem Prozent und einem gleichzeitig festgesetzten Mindestwechselkurs von 1,20 Franken zum Euro. Durch den künstlich festen Wechselkurs hatten InvestorInnen wie die Stadtverwaltung Bochum eine, wie sie fälschlicherweise dachten, sichere Entscheidung getroffen, die anhaltende Schuldenproblematik der Kommunen in NRW zu lösen. Diese „sichere“ Entscheidung wurde am 15. Januar von der Schweizer Nationalbank zunichte gemacht, indem man die starre Kopplung löste und sich der Franken dem Euro im Wert immer mehr anglich. Busch hält es jetzt trotzdem für falsch, jetzt panisch Ratschläge von ExpertInnen wie dem Bund der Steuerzahler anzunehmen und die Kredite für 1,20 Franken pro Euro aufzulösen, um die entstandenen Kosten in Grenzen zu halten. „1,46 Franken zu einem Euro werden wir wohl nicht mehr sehen, aktuell müssen wir wohl eher noch mit einer weiteren Abschwächung rechnen“, sagt Busch. Den Vorschlag wolle man trotzdem nicht annehmen, sondern stattdessen die Kredite verlängern und auf eine günstigere Kursentwicklung hoffen. Hoffnung bleibt auch nur den BürgerInnen übrig, wie schon bei anderen Geschäften der Stadt. Das umstrittene Cross-Boarder-Leasing Geschäft, das Busch 2009 auflöste, brachte der Stadt am Ende „eine schwarze Null“, wie er selbst behauptete. Mit solch einem blauen Auge wird Bochum bei den Franken-Krediten nur schwer davonkommen. Wenn die Tranche am 18. März bezahlt wird, bleibt der Stadt zu hoffen, dass der Franken ein wenig nachgegeben hat. Für die Zukunft sollte es eine Lehre gewesen sein, mit so viel Geld spekuliert zu haben.

:Tim Schwermer

:bsz info

Der Franken und der Wechselkurs

Im Jahr 2011 hat die Schweizer Nationalbank (SNB) auf den Höhenflug des Franken reagiert und einen Mindestwechselkurs vom 1,20 Franken zum Euro festgelegt. Die Notenbank wollte damit sicherstellen, dass  sich der schwächelnde Euro nicht negativ auf die eigene Währung auswirkt. Der Franken wird von ausländischen InvestorInnen am Anleihenmarkt geschätzt. Das sollte durch den Mindestkurswert zum Euro sichergestellt werden. Zudem versuchte die SNB durch eine massive Erhöhung der Geldmenge den Franken zu schwächen, um dessen Höhenflug zu stoppen. Ein starker Franken war und ist gleichbedeutend mit einer Verteuerung der eigenen Produkte auf dem Exportmarkt. SNB-Chef Thomas Jordan erklärt die Entkopplung des Franken vom Euro mit zu hohen Kosten.

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