Bild: Kommentar zur Scholl-Latour-Debatte

In der :bsz-Ausgabe 1021 waren an dieser Stelle zwei kontroverse Gastbeiträge von Karsten Finke (Grüne Hochschulgruppe (GHG)) und Kolja Schmidt (Jusos) zum GHG-Antrag auf Aberkennung der Ehrenprofessur des umstrittenen Bochumer Journalisten Peter Scholl-Latour (9. März 1924 – 16. August 2014) zu lesen. Inzwischen hat das Studierendenparlament (StuPa) mit zehn Ja- und drei Nein-Stimmen über den Antrag entschieden, der angesichts von 16 Enthaltungen jedoch als nicht angenommen gilt.

„Der Antrag wurde abgelehnt, da sich die AStA-Koalition mehrheitlich enthalten hat“, kommentiert Leon Schmitz (GHG) das Abstimmungsverhalten. „Es ist schon bemerkenswert, dass dies der neue Weg der Koalition zu sein scheint, sich vor der Wahl nicht die Finger zu verbrennen“, so Schmitz weiter. StuPa-Sprecher Felix Pascal Joswig (Jusos) hebt das ablehnende Votum der mit zwei Sitzen an der Koalition beteiligten GEWI (Liste der Geistes-, Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften) hervor und wendet ein: „Allerdings hat auch die GHG nicht geschlossen für den Antrag gestimmt“ – womit der StuPa-Sprecher darauf hinweist, dass GHG-Parlamentarier Sebastian Pewny nicht an der namentlichen Abgabe der Voten teilnahm. „Diese Aussage wirkt jedoch etwas skurril“, so Leon Schmitz zur :bsz, „schließlich war unser Parlamentarier während der Abstimmung nicht im Raum.

„Das Mittel der Enthaltung ist für den AStA sehr bequem“, lässt Rike Müller (Linke Liste (LiLi)) im Hinblick auf die deutliche Tendenz bei den Koalitionslisten wissen und erläutert: „Durch zu viele Enthaltungen gilt ein Antrag als abgelehnt, ohne dass der AStA inhaltlich Stellung zu diesem beziehen muss.“ AStA-Referent Sven Heintze, derzeit StuPa-Mitglied für die NAWI (Naturwissenschaftler und Ingenieure), versucht, für Transparenz zu sorgen: „Wir haben keine gemeinsame Position in dieser Sache als Koalition diskutiert. Jede Parlamentarierin hat entschieden, wie sie es für richtig hält. Ich persönlich hatte mit einer Annahme des Antrages gerechnet, mich aber selbst enthalten.“

„Tote soll man ruhen lassen“, ist der Jungliberale Linus Stieldorf überzeugt, dessen Liste sich zusammen mit der GHG, der LiLi, Kultur und Leben in Bochum (KLIB) sowie der Liste B.I.E.R. in der Opposition befindet. „Die Argumente der Befürworter waren unserer Ansicht nach nicht sehr schlüssig“, so Stieldorf weiter. Parlamentarierin Denise Welz (B.I.E.R.) ist da anderer Ansicht: „Wer rassistische und homophobe Einstellungen verbreitet und mit der rechten Szene auf Tuchfühlung geht, ist einer Ehrenprofessur unserer Universität nicht würdig. Wer leistungsstark im Verneinen von Weltoffenheit ist, hat unser Motto nicht verstanden. Leider scheuen die AStA-tragenden Listen die weitere Auseinandersetzung.“ Madita Adolphs (KLIB) versucht, das überwiegend neutrale Votum der Koalitionslisten weitergehend zu interpretieren: „Unserer Meinung nach umgeht die momentane AStA-Koalition durch das ‚Ablehnen durch Enthaltung‘ einen internen Streit wegen Meinungsverschiedenheiten.“

Vielleicht hat das mehrheitlich enthaltende Votum ja doch sein Gutes und regt dazu an, die Debatte an anderer Stelle fortzuführen. Offenbar sind in der Causa Scholl-Latour noch viele Fragen offen. Enthaltungen sind ein legitimes Mittel, dies zum Ausdruck zu bringen. Wünschenswert wäre, wenn die Debatte nun dort weitergeführt würde, wo auch abschließend über diese Causa befunden werden kann: im Senat der Ruhr-Universität.

:Ulrich Schröder

 

INFOBOX

Wer war Peter Scholl-Latour?

Der gebürtige Bochumer Journalist, der eine jüdische Mutter sowie elsässische familiäre Wurzeln hatte, versuchte 1944 vergeblich, sich der französischen Armee anzuschließen und geriet 1945 beim Versuch, Titos Partisanen auf dem Balkan zu unterstützen, in Gestapo-Haft. Seit den 60er Jahren machte sich der inzwischen promovierte Philologe als Auslandskorrespondent in Krisengebieten einen Namen und erhielt 1999 eine Ehrenprofessur an der RUB. Insbesondere in den letzten Jahren seines Schaffens war der vor vier Monaten im Alter von 90 Jahren verstorbene Publizist unter anderem durch Beiträge für die rechte Wochenzeitung „Junge Freiheit“ massiv in die Kritik geraten.  
 

 

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