Die schönste Szene von Akins „The Cut“ ist eine romantische Liebeserklärung an den Film: In einer schäbigen Gasse kämpft ein Vagabund in lumpigen Kleidern gegen die Behörden um sein Kind. Am Ende sind sie natürlich vereint. Charlie Chaplins „The Kid“ rührt auch Familienvater Nazaret (Tahar Rahim) zu Tränen. Inmitten von anderen armenischen Geflüchteten, die nach dem Ersten Weltkrieg frei, aber in einem Flüchtlingsheim von ihren Familien getrennt sind, ist es dieser Stummfilm, der Hoffnung spendet. Aber spätestens hier nimmt Akins Werk eine fast märchenhafte Wende.

Denn auch der Schmied und überzeugte Christ Nazaret ist von seiner Familie getrennt. In einer Nacht im Jahr 1915 stehen plötzlich Soldaten des Osmanischen Reiches vor seiner Tür und rauben ihn seiner Familie. Es folgt Zwangsarbeit, in der er Morde und Vergewaltigungen mitansehen muss. Nur mit Glück entgeht er dem Tod. Nach dem Krieg und der Befreiung der ArmenierInnen beginnt auch für ihn die Suche nach seiner Familie –  eine Odyssee über den Libanon und Havanna bis nach Minneapolis.

Viel Aufregung gab es im Vorfeld: Türkische NationalistInnen, die den Regisseur bedrohten, und JournalistInnen, die das Ganze auf Pressekonferenzen ausschlachteten. Doch ein wirklich politischer Film ist „The Cut“ nicht. Dass es jedoch eine (zuweilen märchenhafte) Erzählung ist, betont schon der Anfangssatz: „Once upon a time in the Ottoman Empire…“ Und die Bilder, der Stil stehen dem in nichts nach: Totalen wie aus einem Leone-Streifen und ein düsterer Gitarrensound, wie man ihn aus Italowestern kennt – Akin hat sich in „The Cut“ voll und ganz einer Western- und Abenteuerästhetik verschrieben. Der Genozid an den ArmenierInnen bildet dabei den Hintergrund für das Familiendrama, das Akin konsequent aus der Sicht seiner Hauptfigur schildert. „The Cut“ bildet den Abschluss seiner Liebe („Gegen die Wand“), Tod („Auf der anderen Seite“) und Teufel-Trilogie. Aber das Teuflische gerät dann doch zu märchenhaft.

:Benjamin Trilling
 

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