Bild: Sex and Crime: Stimmungsmache im Spiegel., Der Spiegel macht Stimmung gegen Prostitution Foto: Patrick Henkelmann

Die seit Ende letzten Jahres wiedergekehrte Debatte um eine Verschärfung des Prostitutionsgesetzes wird diesmal massiver denn je von den Medien befeuert. Auch das Nachrichtenmagazin Der Spiegel sprang nun auf diesen Zug auf; so titelte die am 27. Mai 2013 erschienene Ausgabe reißerisch: „Bordell Deutschland. Wie der Staat Frauenhandel und Prostitution fördert“. Wie bei solch einem Titel schon zu erwarten, nimmt der entsprechende Artikel klar die Position von ProstitutionsgegnerInnen ein – samt altbekannter, unbewiesener oder falscher Behauptungen und Pauschalisierungen. Die streitbare Prostituiertenorganisation Doña Carmen e.V. bezeichnet den Spiegelartikel in einer (auf donacarmen.de zu findenden) Stellungnahme als „Lumpenjournalismus“ und wirft dem Magazin vor, bei diesem Thema „rassistische Vorurteile“ gegen Osteuropäerinnen zu bedienen. Die :bsz setzt sich im Folgenden exemplarisch mit einigen Aussagen beider Texte auseinander.

Der Spiegel stellt die Stoßrichtung seiner Titelgeschichte gleich zu Anfang des Heftes klar: „Die Autoren kritisieren die Gleichgültigkeit der Bundesregierung, die sich gegen ein neues Prostitutionsgesetz wehrt – während andere Länder in Europa bereits ihre Gesetze verschärft haben“. Gemeint ist die in Schweden 1999 in Kraft getretene pauschale Kriminalisierung von Freiern, welche 2009 auch von Norwegen und Island übernommen wurde und aktuell in Frankreich und weiteren westeuropäischen Ländern erwogen wird. Bei ProstitutionsgegnerInnen gilt das „schwedische Modell“ als vorbildlich, da es von der Strafverfolgung her nicht die Prostituierten, sondern ‚nur‘ die Freier bestraft – was natürlich ein De-facto-Verbot der Prostitution bedeutet und das Leben für die Prostituierten härter und gefährlicher macht. Der Spiegel berichtet in besagtem Artikel mit der Überschrift „Ungeschützt“, dass viele Frauen aus Osteuropa durch falsche Versprechen nach Deutschland gelockt würden, um dann hierzulande unter Zwang und unwürdigen Umständen als Prostituierte arbeiten zu müssen. Der Polizei fehle es an rechtlichen Handhaben, die Politik lasse „Menschenhändler und Zuhälter gewähren“. Der Artikel stützt sich vor allem auf die tragischen Schicksale von drei jungen Frauen aus Rumänien und Moldawien sowie auf Aussagen von ProstitutionsgegnerInnen aus unterschiedlichen Bereichen.

Nichts als Behauptungen und Ideologie

Die fünf Spiegel-AutorInnen behaupten unter Berufung auf eine umstrittene – und laut Juanita Henning von Doña Carmen sehr fehlerhafte – Studie von Prof. Axel Dreher (Universität Heidelberg), dass die Legalität der Prostitution im internationalen Trend zu einer Zunahme des Menschenhandels führen würde. Da die Statistiken des Bundeskriminalamtes hierzulande gar keine Zunahme des Menschenhandels im Prostitutionsgewerbe seit Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes im Jahre 2002 zeigen, sondern im Gegenteil eine deutliche Abnahme, wird die Aussagekraft dieser Statistiken im Spiegel grundlegend infrage gestellt. Aufgrund der angeblich zu beschränkten Möglichkeiten der Polizei und der geringen Kooperationsbereitschaft der mutmaßlichen Opfer – insbesondere von Frauen aus Rumänien und Bulgarien – könne der Menschenhandel in diesem Bereich meist nicht mehr nachgewiesen werden.

Diesen Annahmen für ein entsprechend großes Dunkelfeld stehen zum einen die außergewöhnlich hohe Razzien- und Kontrolldichte im Prostitu­tionsgewerbe gegenüber – jährlich gibt es allein etwa 11.500 Routinekontrollen von Prostitutionsstätten, bei denen ca. 44.000 Prostituierte kontrolliert werden; zum anderen Studien, nach denen fast alle Verfahren wegen Menschenhandels entweder auf Anzeigen der Opfer selbst oder von Personen aus deren Umfeld zurückgehen und nur wenige Prozent auf Razzien der Polizei. Von zu wenig polizeilicher Kontrolle oder mangelnder Anzeigebereitschaft der Opfer sollte also nicht ausgegangen werden. Doch kommen solche Fakten in Artikeln mit Anti-Prostitutions-Tenor leider kaum vor. Stattdessen wird im Spiegel beklagt, dass die PolitikerInnen, welche sich vor zwölf Jahren entscheidend für das Prostitutionsgesetz eingesetzt haben, heute trotz der angeblichen negativen Folgen desselben „keine Reue“ zeigten – und es wird versucht, Druck auf PolitikerInnen auszuüben, die sich einer geplanten Verschärfung dieses Gesetzes aktuell widersetzen.

Der Spiegelartikel übernimmt die Argumentation von Prof. Rahel Gugel (Duale Hochschule Baden-Württemberg), die unverhohlen fordert, das Recht auf freie Berufswahl in Bezug auf die Prostitution zugunsten des ‚Schutzes‘ der Frauen de facto abzuschaffen, da aufgrund der psychischen und sozialen Situation der Prostituierten ohnehin nur eine sehr eingeschränkte Freiwilligkeit vorliegen könne. Gugel ist Dozentin für Recht in der Sozialen Arbeit, hat über das Prostitutionsgesetz promoviert und war für die Hilfsorganisation SOLWODI tätig, die bezüglich der Prostitution zumindest massivste staatliche Kontrolle fordert. Anstatt zwischen freiwilliger Prostitution und Zwangsprostitution zu unterscheiden, müsse laut Gugel die Prostitution an sich im Interesse der Frauen bekämpft werden – nach schwedischem Vorbild durch eine Bestrafung der Freier. Für Doña Carmen hat Gugels Position „mit Feminismus und Emanzipation im ursprünglichen Sinne nicht das Geringste gemein“; Gugel predige einen „Untertanen-Feminismus, bei dem Frauen gegen Frauen (in der Prostitution) vorgehen“.

Prostituierte brauchen eine starke Stimme!

In der Stellungnahme der Prostituiertenorganisation wird zudem heftig kritisiert, dass der Spiegel in seinem Artikel „rassistische Vorurteile“ gegen osteuropäische Prostitutionsmigrantinnen bediene. Tatsächlich stellen die AutorInnen Frauen aus osteuropäischen Ländern pauschalisierend als naiv und als leichte Opfer für die Zwangsprostitution dar, die als Prostituierte üblicherweise auch Zwangsprostituierte seien und der Polizei gegenüber stets brav einstudierte Geschichten erzählten. Dabei handelt es sich zwar nicht um Rassismus, sondern um falsche Vorurteile gegen Frauen bestimmter Nationalitäten, doch sind auch solche natürlich klar abzulehnen und zu bekämpfen. Weder dürfen Prostituierte allgemein als Opfer stigmatisiert werden, noch Prostituierte bestimmter Herkunft.

Sozusagen als Feigenblatt findet sich im Spiegel zwischendurch immerhin noch ein Beitrag über eine zweifellos freiwillig arbeitende Escort-Dame, die sich bei einer im Aufbau befindlichen deutschlandweiten SexarbeiterInnen-Vereinigung (sexwork-deutschland.de) sowie bei den Piraten politisch für den Erhalt und Ausbau ihrer Rechte einsetzt. Doña Carmen zieht als richtiges Fazit: „Die SPIEGEL-Journalisten haben mit ihrem Artikel nur eindrücklich aufs Neue belegt, wie wichtig eine eigenständige Organisation von Sexarbeiter/innen ist.“

Patrick Henkelmann

 

26 comments

  1. Matthias Lehmann

    Ausführliche Kritik am Spiegel
    Danke für Euren Beitrag. Der Spiegel-Artikel geistert inzwischen auch im englisch- und französischsprachigen Ausland herum. Jede Stimme, die die Propaganda des SPIEGELs entlarvt, ist wichtig.

    Eine weitere Antwort auf die Titel-Story des SPIEGELS ist auf ‚Menschenhandel Heute‘ erschienen.

    “Bordell Deutschland” – Journalismus auf Lücke (SPIEGEL 22/2013)
    http://menschenhandelheute.net/2013/05/28/bordell-deutschland-journalismus-auf-lucke/

    Eine kürzere, englische Version ist auf ‚Feminist Ire‘ zu lesen.

    Does legal prostitution really increase human trafficking in Germany?
    http://feministire.wordpress.com/2013/06/06/does-legal-prostitution-really-increase-human-trafficking-in-germany/

  2. Wer macht Stimmung?
    …und in der BSZ wird seit mehreren Ausgaben Stimmung FÜR Prositution gemacht, immer von männlichen Autoren. Warum brauchen fremde Menschen eine „Stimme“ von Leuten, die vom Status Quo profitieren, wenn sie doch nach Ansicht des Autors so selbstbestimmt sind?

    1. Redaktion

      Antwort des Autors

      Artikel unserer ehemaligen Redakteurin Mareen Heying in der :bsz zum Thema Prostitution:

      „Die Sexarbeiterin Dany sprach an der RUB über den Kampf um ihren Arbeitsplatz. Einfach nur arbeiten – mehr nicht!“

      http://www.bszonline.de/artikel/einfach-nur-arbeiten-%E2%80%93-mehr-nicht

      „SexarbeiterInnen – willkommen in Europa?!“ – Teil 1

      Von Rechten und Pflichten

      http://www.bszonline.de/artikel/von-rechten-und-pflichten

      „SexarbeiterInnen – willkommen in Europa?!“ – Teil 2

      Internationale Rechte und Pflichten

      http://www.bszonline.de/artikel/internationale-rechte-und-pflichten

      „SexarbeiterInnen – willkommen in Europa?!“ – Teil 3

      Straßenstrich – Situation und Zukunft

      http://www.bszonline.de/artikel/stra%C3%9Fenstrich-situation-und-zukunft

      1. Wer braucht eine starke Stimme?
        Okay, anders: Es ist auffällig, dass in einem halben Jahr in der bsz so viele Pro-Prositutionsartikel erschienen sind, als wäre das Befürworten common sense. 5 Artikel davon sind von dem Redakteur Patrick Henkelmann (und von ihm auch einer, in dem gerade Thailand ein Urlaubsparadies genannt wird).

        Es hat 6 Tage gedauert, bevor mein Kommentar freigeschaltet wurde.

        Warum brauchen fremde Menschen eine „Stimme“ von Menschen, die aus dem Status Quo nutzen ziehen? Weil so ungemütliche andere gibt? Wer sind denn die, die nicht für sich sprechen können? Wer muss Angst haben, seine Meinung zu äußern? Das können wohl kaum die „vielen“ freiwilligen deutschen sein, oder? Wer einen Beruf liebt, brennt doch dafür, ihn zu verteidigen.

        Es ist ganz schön zynisch, im Fall von Menschenhandel von „Vorurteilen“ gegenüber osteuropäischen Prostituierten zu sprechen. Die Berichte von langjährigen Sozialarbeiterinnen sind für Henkelmann „Propaganda“? Das sieht mir eher aus, als wenn jemand andere Stimmen nicht hören oder zum Schweigen bringen will.

        1. Redaktion

          Antwort des Autors

          Prostituiertenorganisationen und -beratungsstellen wie Hydra e.V. (Berlin), Madonna e.V. (Bochum) oder Doña Carmen e.V. (Frankfurt) engagieren sich seit Jahren für die Rechte und Interessen der Prostituierten. Eine deutschlandweite SexarbeiterInnen-Organisation befindet sich momentan im Aufbau. Auf internationaler Ebene gibt es das Global Network of Sex Work Projects (NSWP). An vielen Orten auf der Welt demonstrierten Prostituierte bereits für ihre Rechte, so im März 2011 in Dortmund gegen die Schließung des Straßenstrichs. Einzelne Prostituierte zeigen großes Engagement, um ihren Beruf zu verteidigen – von der Straßenprostituierten Dany (Dortmund) bis zur High-Class-Escort-Dame Carmen (Berlin).

          Die meisten Medien – mit einigen 'linken' Ausnahmen – interessieren sich jedoch kaum für deren Erfahrungen, Erkenntnisse, Perspektiven oder Konzepte, sondern übernehmen stur die Position von ProstitutionsgegnerInnen wie Alice Schwarzer. Besonders tragische Schicksale von Frauen, die sexuelle Zwangsarbeit leisten mussten, werden dafür missbraucht und als repräsentativ für die Prostitution an sich dargestellt. Ausbeutung und Zwangsarbeit müssen natürlich bekämpft werden, doch können sie keine Argumente gegen Arbeit an sich und auch nicht gegen Sexarbeit an sich darstellen. Und die geplanten Verschärfungen oder gar ein De-facto-Verbot der Prostitution schaden (wie in den Artikeln in der :bsz und in Texten von Prostituiertenorganisationen dargelegt und in der Realität in entsprechenden Ländern zu sehen) am meisten den Prostituierten selbst. Außerdem schaden Tabuisierung oder Verbot der Prostitution ferner der gesamten Gesellschaft, die dadurch ein Stück weiter unfreiheitlich, intolerant und heuchlerisch wird.

          Prostituierte lieben oder hassen ihren Beruf im Durchschnitt wohl in etwa in einem ähnlichen Maße, wie die anderen arbeitenden Menschen in der heutigen spätkapitalistischen Gesellschaft dies in Bezug auf ihren Lebenserwerb tun. In allen Bereichen gibt es am einen Ende Arbeitende, die sich quälen und lieber heute als morgen aufhören würden und am anderen Ende solche, die bei der Arbeit Freude und Selbstverwirklichung erfahren. Das generelle Überwiegen von stark entfremdeter Arbeit zeigt die Notwendigkeit, dieses Wirtschaftssystem radikal zu verändern. Der Mangel an Potential dazu stellt keine Legitimation der herrschenden Zustände dar. Und der Mangel an Organisation und gesellschaftlichem Einfluss der Prostituierten stellt keine Legitimation ihrer rechtlichen Benachteiligung und mangelnden gesellschaftlichen Anerkennung oder gar der Forderungen von ProstitutionsgegnerInnen dar.

          Es geht mir nicht etwa darum, aus dem Status quo in Bezug auf die Prostitution zu profitieren. Mein Engagement gilt einer frei(heitlich)en, gerechten und humanen Gesellschaft und der Verbesserung der Gesamtsituation der Prostituierten – wofür eine vollständige rechtliche und gesellschaftliche Anerkennung der Sexarbeit notwendig ist. Das ist keine Frage des Geschlechts, der sexuellen Orientierung oder des eigenen Sexualverhaltens, sondern eine weltanschauliche Überzeugung.

  3. Ja es gibt diese Verbände. Es
    Ja es gibt diese Verbände. Es gibt aber auch die European Women’s Lobby und viele andere auf der anderen Seite (die sehr häufig ehemalige Prostituierte enthalten). Zählen die nicht?

    „In allen Bereichen gibt es am einen Ende Arbeitende, die sich quälen und lieber heute als morgen aufhören würden und am anderen Ende solche, die bei der Arbeit Freude und Selbstverwirklichung erfahren.“

    Nicht zu vergleichen. Arbeit die einen seelisch zerstört, oder die oft von vorherein oft von früher sexuell missbrauchten ausgeübt wird, ist anders als Arbeit, die einen „nicht ausfüllt“ oder körperlich verschleißt.

    „Das generelle Überwiegen von stark entfremdeter Arbeit zeigt die Notwendigkeit, dieses Wirtschaftssystem radikal zu verändern.“

    100% Zustimmung. Hat aber nichts mit Prostitution zu tun.

    Wenn 10% nicht unter etwas leiden, was 90% zerstört, muss man es dann erlauben? Wessen Freiheit ist wichtiger?

    Würden Sie auch Organhandel erlauben, nur weil es Menschen gibt, die aussagen, gerne und freiwillig ihre Körperteile zu verkaufen? Hängt da nicht ein bisschen mehr dran, wie eine Mafia, die dann gerne mal ein neues Angebot für die Nachfrage schafft?

    Madonna e.V., Hydra e.V. -> Solange es Berufsstände gibt, wird es Menschen geben, die sich für die Menschen, die dort arbeiten, engagieren. Das ist auch richtig so. Gegen Prostitution zu sein, heißt nicht, gegen Prostitutierte zu sein. Im Diskurs, ob Prostitution generell erlaubt sein soll, oder nicht doch lieber Freier bestraft werden sollten, sagt das einfach nichts aus.

    „Die meisten Medien (…)übernehmen stur die Position von ProstitutionsgegnerInnen wie Alice Schwarzer.“
    Aha. Und dieser subjektive Eindruck ist der Grund, warum Sie neutrale Berichterstattung hier ablehnen?

    „Außerdem schaden Tabuisierung oder Verbot der Prostitution ferner der gesamten Gesellschaft, die dadurch ein Stück weiter unfreiheitlich, intolerant und heuchlerisch wird.“
    Das ist ihre Meinung, keine Tatsache. Das beruht auf Grundannahmen, die nicht geklärt sind.

    In ihrer Argumentation vermischen Sie: gegen Prostitution sein, Prostituierte ächten und Menschen die Existenzgrundlage nehmen. Das erste hat mit den letzten zwei nichts zu tun.

    „Und die geplanten Verschärfungen oder gar ein De-facto-Verbot der Prostitution schaden…am meisten den Prostituierten selbst.“

    Ähm…nope. In den letzten 10 Jahren hat die Legalisierung den Prostituierten geschadet. Siehe Flat-rate-Bordelle und Sextourismus in Deutschland.
    http://www.lse.ac.uk/newsAndMedia/news/archives/2012/12/Legalised-prostitution-increases-human-trafficking.aspx

    Prostitution geht eben nicht nur die paar freiwilligen an, sondern auch und gerade die Zwangsprostituierten und die Frauen, die unter der veränderten Wahrnehmung (Verfügbarkeit, Objekthaftigkeit) ihres Geschlechts leiden.

    Die Frage ist doch, kann man die „Freiheit“ von Menschen, die der Meinung sind, etwas schadet ihnen nicht, verteidigen, während man merkt, dass nicht einmal die Hälfte derer, die der „Arbeit“ nachgehen, diese Meinung teilen? Während die steigende Nachfrage nach Prostitution eben dazu führt, dass Zwangsprostitution zunimmt (jüngste Studie) und Männer ein ganz anderes Bild von Frauen haben?

    Meine Freiheit endet da, wo die des anderen anfängt. Stellen Sie sich vor, wir diskutierten über Sklaverei und Sie würden argumentieren, es gäbe doch glückliche Sklaven, die ihren „Beruf“ gerne ausführten. Würden Sie da auch sagen, das Thema Sklaverei müsse nur in Bezug auf jene glücklichen Sklaven entschieden werden?

    Und hiernach stellt sich mir die Frage, warum jemand so enthusiastisch die Rechte einer einzigen kleinen Gruppe in einem Streit unterstützt, von denen man selbst profitiert- und dann so tut, als wäre es common sense?

    Was man ja immer noch alles irgendwo okay finden könnte, stünde es als Kommentar in der Zeitung und nicht als Artikel.

    1. Redaktion

      Antwort des Autors

      Die von mir angeführten Organisationen kämpfen für die Legalität, Gleichberechtigung und Anerkennung der Sexarbeit, schon da eine Tabuisierung, unverhältnismäßige Einschränkung oder gar ein (De-facto-)Verbot der Prostitution natürlich am meisten den Prostituierten selbst schaden und sich in der Realität zwangsläufig gegen diese richten.

      Schweden ist hier ein 'gutes' Negativbeispiel. Prostituierte werden dort gesellschaftlich als Opfer stigmatisiert, die allesamt 'Hilfe' bräuchten. Straßenprostituierte müssen wegen der Freierbestrafung schnell in die Autos springen, ohne sich einen Eindruck von den potentiellen Freiern machen zu können. Außerdem können die Straßenprostituierten aus Gründen der Heimlichkeit nicht mehr in größeren Gruppen herum stehen und sich untereinander vor bestimmten Freiern warnen. Und aus Mangel an Freiern (und insbesondere an 'normalen' solchen), haben gerade die Frauen auf dem Straßenstrich finanziell bedingt oft nicht mehr die Möglichkeit, bestimmte Freier oder Sexualpraktiken abzulehnen. Die Prostituierten werden aus dem öffentlichen Raum gedrängt. Vermieter kündigen Frauen zudem, wenn sie erfahren, dass diese als Prostituierte arbeiten, um nicht wegen Zuhälterei belangt zu werden. Partner von Prostituierten werden wegen Zuhälterei belangt, bloß weil sie gemeinsam mit ihren Partnerinnen wirtschaften in Frankreich ist dies auch schon volljährigen Kindern von Prostituierten passiert! Prostituierte und ihre 'zuhälterischen' Partner können in Schweden sogar das Sorgerecht für ihre Kinder verlieren! Schweden praktiziert somit einen sozialen, wirtschaftlichen und existentiellen Totalangriff auf seine Prostituierten!

      Die Legalisierung der Prostitution hat den Prostituierten hierzulande eben nicht geschadet. Auch Flatrate-Bordelle und Sextourismus nach Deutschland sind für die Prostituierten an sich nichts Schlechtes. Die Flatrate-Bordelle werden von den ProstitutionsgegnerInnen momentan ja als Argument für die angebliche Notwendigkeit einer Verschärfung des Prostitutionsgesetzes instrumentalisiert, obwohl dieses Geschäftsmodell für die dort arbeitenden Frauen auch den Vorteil eines sicheren Einkommens bieten kann – es kommt hier ganz auf den Einzelfall vor Ort an.

      Bitte lesen Sie zu diesen Thematiken beispielsweise einige der ausführlichen Texte auf donacarmen.de, welche die gebetsmühlenartig wiederholten (Schein)Argumente der ProstitutionsgegnerInnen vorbildlich widerlegen.

      „Wenn 10% nicht unter etwas leiden, was 90% zerstört, muss man es dann erlauben? Wessen Freiheit ist wichtiger?“

      Abgesehen davon, dass die Zahlenverhältnisse eher umgekehrt sein dürften: bereits die Freiheit eines einzigen Menschen gilt es entschieden zu verteidigen. Wenn von diesem Grundsatz abgewichen wird, führt der Weg in eine die Menschen bevormundende und kriminalisierende Gesellschaft.

      Das (Menschen)Recht auf sexuelle Freiheit beinhaltet auch, sexuelle Dienstleistungen anbieten oder kaufen zu können. Dass es Sexarbeiterinnen gibt und dass Männer deren Dienste in Anspruch nehmen, führt grundsätzlich zu keiner negativen Wahrnehmung der weiblichen Hälfte der Gesellschaft. Den Sexismus gilt es an anderen Stellen zu erkennen und durch Engagement zu bekämpfen, von sexistischen Werbeanzeigen im öffentlichen Raum (egal ob für Autos, Eis oder Bordelle) über falsche geschlechterstereotype Erziehung bis zur mangelnden Anerkennung und schlechten Entlohnung sogenannter Frauenberufe (wie Erzieherin oder Grundschullehrerin).

      Über den Kapitalismus kann ich als radikaler Kapitalismusgegner auch nicht „neutral“ schreiben. Und als libertärer Humanist muss ich unfreiheitliche oder inhumane Positionen klar ablehnen und bekämpfen, selbst wenn sie mit noch so guten Intentionen vertreten werden.

      Übrigens trete ich auch für die Legalisierung aller Drogen ein, obwohl ich Straight Edge (sXe) lebe, Drogenkonsum strikt ablehne und diese Ablehnung auch propagiere. Aber es ist eben ein erheblicher Unterschied, ob man andere Menschen von etwas überzeugen will oder ob man sie für ihre Worte oder ihr Verhalten ächtet oder sie gar kriminalisiert, obwohl es vermeidbar ist. Diesen Unterschied stets zu beachten, stellt die Basis einer freiheitlichen Überzeugung dar.

  4. Wessen Freiheit?
    Klar setzen diese Vereine sich für den Erhalt der Prostitution ein. Könnten Sie weiter zu einer Arbeit gehen, wenn Sie der Meinung wären, dass es Sie fertig macht? Diese Vereine sind eine, zu respektierende, Stimme – unter vielen anderen.

    „Abgesehen davon, dass die Zahlenverhältnisse eher umgekehrt sein dürften: bereits die Freiheit eines einzigen Menschen gilt es entschieden zu verteidigen. Wenn von diesem Grundsatz abgewichen wird, führt der Weg in eine die Menschen bevormundende und kriminalisierende Gesellschaft.“

    Das ist schwierig. Was ist beispielsweise mit der Freiheit, jemand anderen umzubringen? Die beschneidet die Freiheit des anderen, zu leben.Deswegen wiegt unser Grundrecht zurecht Freiheiten gegeneinander auf.

    Legalisierung von Drogen ist schon wieder ein anderes, komplexes Thema.

    nochmal @hydra etc:Ja, auf solchen Seiten wird es so dargestellt. Ja, es gibt Prositutierte, die sagen, sie lieben ihren Job. Das bestreite ich nicht.
    Es gibt auch die anderen. Was ist mit den vielen Aussteigerinnen, die sagen, sie würden es nie wieder machen? Ist das ein normaler Schluss, den Pensionäre ziehen?
    Wenn der Schaden auf der anderen Seite zu groß ist, überlegt sich unser Rechtsstaat, wie die Freiheiten verschiedener Menschen gegeneinander aufgewogen werden müssen. Das ist doch genau Ihr Gedanke: „Die Freiheit eines jeden einzelnen“. Die eine Zwangsprostituierte ist die eine zu viel.

    Beim Prostitutionsverbot geht es ums Einschränken der Nachfrage, jene Nachfrage, die mit der Erlaubnis für mafiöse Strukturen zum großen Geschäft wird. Mit demselben Gedanken ist auch Organhandel verboten.

    Der typische Freier, wenn es ihn gibt, ist ein ganz normaler Mann, vielleicht Familienvater, der sich an Gesetze hält. Mit einem Bestrafen der Freier ist Zwangsprostitution also zu verhindern.

    Der Kerngedanke ist: Bei der Prositution treffen zwei Menschen aufeinander, einer will Sex, der andere nicht (denn sonst ließe er nicht dafür bezahlen). Sex ist aber keine einfach körperliche Tätigkeit, sondern betrifft die Seele, die Persönlichkeit des Menschen. Die Frau oder der junge Mann lässt jemanden in seinen Körper. Deswegen ist es unvergleichlich mit anderer Arbeit.

    Die Möglichkeit, zu einer Prostutierten zu gehen, verändert nicht da Bewusstsein eines Mannes? Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Der Gedanke: ich muss eine Frau nicht umwerben, ihr nicht gefallen, wenn ich will, kann ich sie auch so haben (für 60 Euro im Pascha zB.)? Warum sprechen dann gerade Freier häufig von „Nutten“ oder „Huren“ – Weil etwas intimes zu geben gegen den eigenen Willen ein Gewaltakt ist. Die Schimpfwörter, die gesellschaftliche Verachtung, das ist Victim Blaming- und das hat mit der Legalisierung auch nicht aufgehört. „Wenn ich was böses mit dir mache, musst du schlecht sein, denn ich kann ja gar nicht so böse sein.“

    @Schweden: Natürlich kann ein Gesetz nicht alle erdenklichen Bedürfnisse befriedigen. Die Frage, die sich stellt, ist, welcher Fall ist einem lieber? Die Zwangsprostituierte, die nach Deutschland geschafft wird, niemals daraus kommt, weil die Polizei heute machtloser ist als zuvor? Oder die freiwillige Prostitutierte, die ihren Job trotz Verbots so sehr liebt, dass sie vielleicht wirklich in irgendwelche Taxis springen muss und illegal der heißgeliebten Tätigkeit nachgehen muss?
    Wenn einem diese Art des Liebesspiels, mit Geldaustausch, wichtig ist, warum macht man dann nicht ein Hobby daraus?

    Verstehen Sie? Es ist eine Abwägung, welchen der beiden Fälle man für eher für zu vermeiden hält. Und dass es da in Deutschland inzwischen eine Debatte gibt, die in einem reichen Industriestaat übrigens sehr spät kommt (ungefähr ebenso spät wie die um Kinderbetreuung), ist begrüßenswert.

    Dass Sie nicht ganz neutral schreiben können, kann man Ihnen nicht übel nehmen. Aber ist es nicht im Journalismus common sense, sich zurücknehmen, dass man die Gegenseite wenigstens erwähnt, oder seine Gedanken in einen Kommentar fasst?

  5. PS
    „Das (Menschen)Recht auf sexuelle Freiheit beinhaltet auch, sexuelle Dienstleistungen (…) kaufen zu können.“
    Bingo. Also wenn mal kein Angebot da ist, muss eines geschaffen werden (müssen Frauen vergewaltigt werden), denn es gibt ja ein Recht, Sex kaufen zu können – bei Ihnen.

    Das kann man doch so stehen lassen.

  6. Bedenklicher Artikel
    Es ist schon auffällig, dass ein gewisser Autor die Prostitution so eindringlich verteidigt. Das Gewerbe wird dabei keineswegs von Journalisten „verunglimpft“, sondern inzwischen sowohl von Polizei, als auch von Wissenschaftlern verurteilt, welche die Zustände, über die der Spiegel – zugegeben recht polemisch – klagt, ebenfalls bestätigen. Die brutale Ausbeutung von Menschen schönzureden, wie es hier geschieht, erscheint mir mehr als zynisch.

  7. Redaktion

    Antwort des Autors

    Bei der Prostitution wird einfach mit anderen Maßstäben gemessen, als bei anderen Tätigkeiten. Beispielsweise gibt es ja auch kriminelle Organisationen, die Menschen aus Elendsgebieten in Osteuropa zwingen, hierzulande zu betteln und ihnen dabei alles erbettelte Geld abnehmen. Und es gibt asiatische Köche, die als Zwangsarbeiter in Asia-Restaurants in Deutschland schuften müssen. Trotzdem wird (zum Glück!) nicht darüber debattiert, Almosen an Bettelnde oder den Besuch von Asia-Restaurants zu kriminalisieren. Doch bei den Prostituierten wird die Situation einer unter Zwang dieser Arbeit nachgehenden Minderheit als Argument gegen die Prostitution an sich instrumentalisiert.

    Ob die Prostitution für einen ihr nachgehenden Menschen mit anderer (entfremdeter oder nicht-entfremdeter) Arbeit vergleichbar ist, hängt völlig von dem jeweiligen Menschen und seiner Psyche ab. Ein großer Teil der Menschen hätte ein enormes Problem mit dem Anbieten sexueller Dienstleistungen – doch hätten auch große Teile der Menschen ähnliche Probleme mit dem Reinigen von öffentlichen Toiletten, der Arbeit mit schwierigen Kindern und Jugendlichen, dem Dienst in einer Armee (und erst recht dem Kämpfen im Krieg), Teilen der Pflegehandlungen in einem Altenheim, dem Schlachten von Tieren, der Tätigkeit in einem Hospiz oder der therapeutischen Arbeit mit Sexualstraftätern. Zum Glück sind die Menschen verschieden, so dass sich – unter guten gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen – für alle gesellschaftlich benötigten Tätigkeiten ausreichend Freiwillige finden lassen.

    Wer verhindern will, dass Frauen sich aus Armut prostituieren, der sollte lieber ein Bedingungsloses Grundeinkommen befürworten, als die Kriminalisierung der Prostitution.

    „Wenn der Schaden auf der anderen Seite zu groß ist, überlegt sich unser Rechtsstaat, wie die Freiheiten verschiedener Menschen gegeneinander aufgewogen werden müssen.“

    So lautet eine Rechtfertigung dieses Systems für illegitime Einschränkungen der Freiheit der einzelnen Menschen. Seien es Einschränkungen der Meinungs- und Kunstfreiheit, Kriminalisierung des Drogenbesitzes, unverhältnismäßige Einschränkungen des Besitzes und Führens von Waffen, das Vorenthalten des Rechts auf einen selbstbestimmten Tod und Assistenz dabei, ein Urheberrechtsgesetz wegen dem „Raubkopierer“ verfolgt werden, ein teilweise unnötig restriktives Embryonenschutzgesetz, die zunehmende Überwachung der Kommunikation – die Liste der schädlichen Einschränkungen ist lang und wäre nach einer Kriminalisierung der Prostitution noch um einen gesellschaftlich sehr relevanten Bereich erweitert.

    Charles-Louis de Montesquieu: „Wenn es nicht unbedingt notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, ist es unbedingt notwendig, ein Gesetz nicht zu erlassen.“

    Benjamin Franklin: „Eine Gesellschaft, die ihre Freiheit zu Gunsten der Sicherheit opfert, hat beides nicht verdient.“

    Ein „Aufwiegen“ der Freiheiten sollte stattdessen im wirtschaftlichen Bereich stattfinden, vom Verbot der Lebensmittelspekulationen bis zu massiven Einschränkungen des Privateigentums an Produktionsmitteln.

    „Die Möglichkeit, zu einer Prostituierten zu gehen, verändert nicht da Bewusstsein eines Mannes?“

    Zumindest nicht automatisch negativ. Und nicht gerade Freier sprechen abfällig von „Nutten“ oder „Huren“, sondern frauenfeindlich und sexistisch denkende Männer tun so was allgemein, egal ob sie jemals bei einer Prostituierten waren oder nicht und egal ob Prostitution in ihrem Land erlaubt oder verboten, geächtet oder akzeptiert ist.

    Sexistisch ist es auch, wenn Männer ihr Selbstwertgefühl davon abhängig machen oder ihr Status in Cliquen davon abhängig gemacht wird, wie erfolgreich sie Frauen „aufreißen“ oder „abschleppen“ können. Frauen sollten nicht als zu erlegende Beute betrachtet werden, für die man(n) zum fähigen Jäger werden müsse. Ähnlich, wie es sexistisch ist, als Mann eine partnerschaftliche Beziehung mit einer Frau zu unterhalten, bloß um regelmäßig, kostenlos und unkompliziert eine Sexpartnerin zu haben oder um nicht längere Zeit den Status „Single“ zu haben. In all diesen Fällen wäre ein völliges Ausweichen auf sexuelle Dienstleistungen wesentlich frauenfreundlicher, als der soziale Missbrauch von Frauen um des eigenen Status wegen oder zwecks des Sexuellen. Hier liegt ein Potential der Prostitution, bei völliger gesellschaftlicher Anerkennung und beruflicher Gleichberechtigung zur Verbesserung der Gesellschaft und des Verhältnisses der Geschlechter zueinander beizutragen. Partnerschaften sollten im Interesse beider PartnerInnen eben um des anderen Menschen wegen und als lebens(abschnitts)lange feste Allianzen geschlossen werden.

    Die schwedische Prostitutionsgegnerin Kajsa Ekis Ekman sagte in einem Interview über die 'tollen' Erfolge der von ihr befürworteten Anti-Prostitutions-Umerziehung in Schweden (passenderweise in der Bildzeitung): „Heute ist es schlicht erbärmlich, zu einer Hure zu gehen. Du giltst als gesellschaftlicher Außenseiter; als einer, der es nicht schafft, eine Frau ohne Geld ins Bett zu kriegen. Du bist ein Loser.“ Frau Ekmans Freude darüber zeugt eher von sexistischen als von feministischen Denkweisen.

  8. Die Masturbation wagen
    „Bei der Prostitution wird einfach mit anderen Maßstäben gemessen, als bei anderen Tätigkeiten.“

    Richtig. Das habe ich oben auch begründet: es geht darum, extreme körperliche Nähe zuzulassen bei maximaler seelischer Distanz. Menschen sterben innerlich daran, das ist ein alter, alter Hut, unterstützt mit Erfahrungsberichten en masse.

    „Seien es Einschränkungen der Meinungs- und Kunstfreiheit, Kriminalisierung des Drogenbesitzes, unverhältnismäßige Einschränkungen des Besitzes und Führens von Waffen…“

    Und Töten? Das ist doch das Gegenbeispiel das ihre These widerlegt. Man kann die Freiheit einzelner nicht schützen, wenn man einzelnen unbegrenzte Freiheit gibt. Es ist der Freiheit des einzelnen nicht dienlich, *alles* zu erlauben. Die Argumentation geht in sich nicht auf.

    „Sexistisch ist es auch, wenn Männer ihr Selbstwertgefühl davon abhängig machen oder ihr Status in Cliquen davon abhängig gemacht wird, wie erfolgreich sie Frauen „aufreißen“ oder „abschleppen“ können. Frauen sollten nicht als zu erlegende Beute betrachtet werden, für die man(n) zum fähigen Jäger werden müsse.“

    Mhm, dass man fähig zur sozialen Interaktion werden muss, betrifft beide Geschlechter, weit weg von der Jäger-Beute-Sache. Das ist ganz normal und findet im alltag überall statt.
    „Ähnlich, wie es sexistisch ist, als Mann eine partnerschaftliche Beziehung mit einer Frau zu unterhalten, bloß um regelmäßig, kostenlos und unkompliziert eine Sexpartnerin zu haben oder um nicht längere Zeit den Status „Single“ zu haben. In all diesen Fällen wäre ein völliges Ausweichen auf sexuelle Dienstleistungen wesentlich frauenfreundlicher“
    Das kommt bei beiden Geschlechtern vor. Das ist kein Sexismus, das sind Kompromisse, die Menschen in Beziehungen eingehen. Überlassen Sie es doch den Paaren, was sie in ihren Beziehungen leben wollen oder nicht – ob die perfekt sind oder nicht.

    Dass Frauen aber für andere Frauen herhalten müssen, weil angeblich der Mann seine Triebe nicht im Griff hat, ist Unsinn.

    „Frau Ekmans Freude darüber zeugt eher von sexistischen als von feministischen Denkweisen.“

    Wo ist das Sexismus? Ein Mann, der keine Frau findet, die freiwillig mit ihm schläft, verdient Mitleid, hat aber immer noch die Möglichkeit, sich selbst zu befriedigen. – Es gibt kein Recht auf Sex, es gibt kein Recht, jemand anderem gegen seinen Willen nahe zu kommen. Es sei denn man lebt in einer Männergesellschaft, in der Frauen Entrechtete sind.

    Es gibt eine französische Bewegung von Männern gegen Prostitution, zeromacho. http://zeromacho.wordpress.com/deutch/

    Ihr neuer Wahlspruch lautet: „Wagen wir die Masturbation!“

  9. Redaktion

    Antwort des Autors

    Anhand der psychischen Verschiedenheit der Menschen habe ich versucht Ihnen aufzuzeigen, dass bei der Prostitution eben kein anderer Maßstab angelegt werden braucht, als bei anderen, für viele Menschen besonders belastenden Tätigkeiten. „Maximale seelische Distanz“ ist für die Arbeit als Prostituierte zudem gar nicht zwingend erforderlich, denn auch sexuelle Dienstleistungen können ohne negative Gefühle oder sogar mit Freude erbracht werden. Es kommt wirklich auf die jeweiligen Menschen und ihre Lebens- und Arbeitssituationen an. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen wäre allgemein ein wichtiger Schritt, damit Menschen nicht rein aus ökonomischer Not heraus Tätigkeiten ergreifen oder fortsetzen, die ihrer Psyche für sie selbst erkennbar Schaden zufügen.

    Unabhängig davon ist es jedoch generell fragwürdig bis illegitim, erwachsene Menschen durch Gesetze oder anderen Zwang gegen ihren Willen vor sich selbst schützen zu wollen – ob sie nun bestimmte Substanzen einnehmen, einen bestimmten Lebensstil pflegen oder Beruf ausüben wollen.

    Ich propagiere wohlgemerkt keinesfalls Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid der Menschen, egal ob sie es durch (stets relativ) freie Entscheidungen selbst verursacht haben oder ob es durch andere Menschen oder die Umstände verursacht wurde. Als Buddhist und als Humanist sehe ich es als lebenslange Verpflichtung, das Leid der Menschen zu lindern, wo ich das (trotz all meiner eigenen Fehler und meiner beschränkten Möglichkeiten) vermag. Doch kann vermeidbare (!) Repression oder Gewalt niemals der richtige Weg sein, wirkt sie doch stets kontraproduktiv oder in anderer Hinsicht schädlich.

    „Und Töten? Das ist doch das Gegenbeispiel das ihre These widerlegt.“

    Das Töten von Menschen ist in entsprechenden Notwehrsituationen, bei Kampfhandlungen zwischen KombattantInnen im Krieg und in bestimmten Fällen der aktiven Sterbehilfe legitim.

    Sie haben meine Argumentation keineswegs widerlegt.

    Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob man einen Menschen für einvernehmlichen Sex bezahlt oder ob man ihn sexuell missbraucht oder vergewaltigt. Ebenso, ob jemand einen anderen Menschen unberechtigterweise körperlich angreift oder ob Leute sich eine einvernehmliche Schlägerei liefern (ohne Unbeteiligte oder deren Eigentum zu gefährden). Welche Verhaltens- und Lebensweisen gut, richtig, sinnvoll oder ratsam sind, ist natürlich eine ganz andere Frage. Doch sollte nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit toleriert (= ertragen) werden, was die anderen Menschen nicht zu stark gefährdet, egal wie sehr es einen abstoßen oder mit Trauer erfüllen mag.

    Was in dieser vom Spätkapitalismus geprägten, inhumanen, unethischen, entfremdeten und dekadenten Gesellschaft in der sozialen Interaktion zwischen den Menschen leider normal und alltäglich geworden ist, stellt einen großen Teil unserer Probleme und eine Quelle des Leidens dar. Doch das ist ein anderes Thema.

    „Überlassen Sie es doch den Paaren, was sie in ihren Beziehungen leben wollen oder nicht – ob die perfekt sind oder nicht.“

    Im Gegensatz zu Ihnen will ich anderen Menschen ja überhaupt nicht per Gesetz vorschreiben, wie sie zu leben haben. Schlechtes gutheißen kann ich trotzdem nicht, auch wenn die Höflichkeit es oft gebietet zu schweigen.

    Ein Recht auf Sex wäre eine gute Sache. Nicht alle Menschen finden ihren sexuellen Bedürfnissen entsprechende SexpartnerInnen und nicht allen reicht als Alternative die Masturbation. Unbefriedigte elementare Bedürfnisse können negative Verhaltensweisen verursachen, gerade auch wenn sie unterdrückt oder kompensiert werden. Zwar sollte der Mensch sich im Leben generell nicht zu sehr durch seine Triebe steuern lassen (und bloß nichts sexuell kompensieren), doch ist das eine Frage der Einsicht (die ich klar befürworte) und nicht von unnötigen Erschwernissen oder Verboten bei der Befriedigung der sexuellen Bedürfnisse.

  10. Anonymous

    „„Maximale seelische Distanz“
    „„Maximale seelische Distanz“ ist für die Arbeit als Prostituierte zudem gar nicht zwingend erforderlich, denn auch sexuelle Dienstleistungen können ohne negative Gefühle oder sogar mit Freude erbracht werden.“ Das ist eine uneingeholte These, die von ehemaligen Prostituierten, Sozialarbeiterinnen usw. mehrfach widerlegt wird. Sie gehen auf meine Argumente nicht ein.

    „Das Töten von Menschen ist in entsprechenden Notwehrsituationen, bei Kampfhandlungen zwischen KombattantInnen im Krieg und in bestimmten Fällen der aktiven Sterbehilfe legitim. Sie haben meine Argumentation keineswegs widerlegt.“

    Naja schon, denn: Sie gehen oben von einem generellen Verbot aus mit Ausnahmen. Darüber meinten Sie, man dürfe nichts verbieten was die Freiheit einschränkt. Ich habe darauf gesagt, wenn es darum geht, Mord zu verbieten, beißt sich die katze in den Schwanz. Denn wenn man jemanden umbringt, beschneidet man dessen Freiheiten immens. Auf ein Verbot zu verzichten, ist der Freiheit des einzelnen hier nicht zuträglich. Wenn Sie dann mit einem generellen Verbot und seinen Ausnahmen argumentieren, bestätigten Sie das ja nochmal.

    „Nicht alle Menschen finden ihren sexuellen Bedürfnissen entsprechende SexpartnerInnen und nicht allen reicht als Alternative die Masturbation.“ These. Es ist immer noch die Abwägung: Ein bisschen Masturbation hier, leidende Frauen da. Kaum miteinander zu vergleichen.

    Wir drehen uns argumentativ im Kreis. Wie der / die obige Kommentator_in, finde ich den Artikel bedenklich und habe jetzt auch umfassend dargelegt, warum.

    1. Redaktion

      Antwort des Autors

      Schriftliche Kommunikation kann zu absurden Missverständnissen führen: Mit der Verteidigung der Freiheit jedes einzelnen Menschen habe ich natürlich niemals eine uneingeschränkte Freiheit gemeint, rücksichtslos alles tun zu dürfen. Doch von einem sehr freiheitlichen oder libertären Standpunkt aus gesehen, sollte die Freiheit der Menschen im Interesse ihrer Mitmenschen eben keinen Deut mehr eingeschränkt werden, als wirklich notwendig ist. Von einem paternalistischen Standpunkt aus betrachtet ist es dagegen legitim, auf bevormundende Weise zu versuchen, erwachsene Menschen gegen ihren Willen (vermeintlich) vor sich selbst zu schützen oder vor (vermeintlich) schädlichen sozialen, kulturellen, politischen etc. Einflüssen zu schützen. Sex-negative FeministInnen und ProstitutionsgegnerInnen, die ihre Ansichten mit Verboten durchsetzen wollen, nehmen einen paternalistischen Standpunkt ein.

      „Das ist eine uneingeholte These, die von ehemaligen Prostituierten, Sozialarbeiterinnen usw. mehrfach widerlegt wird.“

      So so, dabei gibt es reichlich Prostituierte, die ihre Arbeit in Ordnung oder schön finden und die innerlich garantiert nicht daran 'sterben'. Und gerade unter den Sozialarbeiterinnen, die jahrzehntelang mit Prostituierten gearbeitet haben, finden sich viele Befürworterinnen der Legalität der Prostitution – und sogar einige sehr engagierte Pro-Prostitutions-Aktivistinnen, wie beispielsweise Juanita Henning von Doña Carmen e.V..

  11. Personalie Henning – Bordellbetreiberlobby DonaCarmen
    Noch eine Anmerkung mit aktuelleren Quellen: Juanita Henning ist und war überhaupt keine Prostitutierte – dass bei DonaCarmen überhaupt Prostituierte arbeiten, ist bloß eine Behauptung.

    http://www.emma.de/news-artikel-seiten/kritischer-beitrag-ueber-prostitution-abgelehnt/

    ABER Juanita Henning hat 2009 im Wert von über 25.000 Euro Anzeigen für Flat-Rate-Bordelle geschaltet.

    Eine Frage: DonaCarmen bekommt kein Geld von der Stadt Frankfurt. Wer hat soviel Geld? Und wohin fließt das Geld? Für wen ist so eine Anzeige eine lohnenswerte Investition?

    Vielleicht für Bordellbetreiber?

    Ein Schelm, wer böses dabei denkt.

    PS: Das Wort sexnegativ ist so überholt, da konnte ich nur lächeln. „Du hast keinen Spaß an Vergewaltigung? Du musst frigide sein“. Jop, genau. 😉 und Feministinnen sind alle hässlich.

    1. Antwort des Autors
      Juanita Henning ist wie oben geschrieben Sozialarbeiterin.

      2009 schaltete Doña Carmen e.V. Anzeigen in großen überregionalen Tageszeitungen, um der medialen Hetze gegen die Flatrate-Bordelle entgegenzuwirken. Eine gute Aktion. Hier ein seinerzeit veröffentlichtes Stern-Interview mit Frau Henning dazu:
      „Flatrate-Bordelle sind nicht unmoralisch“
      http://www.stern.de/panorama/prostituierten-verein-flatrate-bordelle-sind-nicht-unmoralisch-706892.html

      Der Verein finanziert sich nach eigenen Angaben überwiegend durch Spenden von Prostituierten. Das ist glaubwürdig, denn ein großer Teil der Prostituierten in Deutschland, besonders der Escorts und Dominas, verdient eben sehr gut und will das auch in Zukunft noch können.

      Ein guter zusammenfassender Artikel des Online-Magazins „menschenhandel heute“ zu der von Ihnen aufgegriffenen Debatte:
      „Alice Schwarzer und Sabine Constabel polarisieren die Debatte um Prostitution – in die falsche Richtung“
      http://menschenhandelheute.net/2013/09/01/alice-schwarzer-und-sabine-constabel-polarisieren-die-debatte-um-prostitution/

      PS: Gerade dieses Thema zeigt doch, wie aktuell der Konflikt zwischen Sex-positiven und Sex-negativen FeministInnen heute noch ist. In den 1980er Jahren brauchte es Organisationen wie Samois, heute braucht es solche wie „Sexwork Deutschland“ (sexwork-deutschland.de).

  12. Menschenhandelheute.de sind
    Menschenhandelheute.de sind Ideologie- und Propagandaseiten von Frauen, die nichts mit Prostitution zu tun haben. 🙂 In 20 Jahren wird man sicher eine Doku sehe, wo Juanita Henning jahrelang mit einem großen Frankfurter Bordellbesitzer liiert war.

    „Das ist glaubwürdig, denn ein großer Teil der Prostituierten in Deutschland, besonders der Escorts und Dominas, verdient eben sehr gut und will das auch in Zukunft noch können.“

    Belege? Laut Spiegel verdienen Prostitutierte immer weniger. Juanita Henning selbst (!) findet 10 Euro die Stunde völlig normal.

    http://www.emma.de/news-artikel-seiten/kritik-an-prostitution-wird-von-taz-nicht-veroeffentlicht/

    Darüber hinaus: Selbst WENN so eine Summe von selbstbestimmten Prostitutierten käme, warum sind dann Flat-Rate-Bordelle das allererste Anliegen? Und nicht mehr Kondomautomaten oder etwas, was den Prostituierten vor allem zu Gute kommt? Das Geld dieser Organisation fließt zuforderst in Bordellier-Interessen, das muss man so sagen.

    „Gerade dieses Thema zeigt doch, wie aktuell der Konflikt zwischen Sex-positiven und Sex-negativen FeministInnen heute noch ist.“

    Tut es nicht, weil das Wort sexnegativ einfach irreführend ist. Ein solches Label muss logisch hergeleitet werden, wird es aber nicht. Das ist ein billiger Trick Menschen zum Schweigen zu bringen, wie die in den 70er ach so hässliche Alice Schwarzer. „Hat die Klappe, oder wir degradieren dich“. Zu sagen, jemand sei sexegativ, weil es ihm nicht gefällt, dabei geschlagen oder dazu gezwungen zu werden, ist, wir hatten es schon, zynisch.

    Meine Libido hat doch mit meiner Einstellung zu Prostitution oder Vergewaltigung nichts zu tun. Das ist einfach hanebüchen. 🙂 Andersherum haben viele Prositutierte irgendwann keine Libido mehr, können unten nichts mehr spüren, wie Sie sicher wissen.

    Schuldabwehr funktioniert auf zwei Ebenen: Schönreden und Ignoranz (wie es hier geschieht) und Victim Blaming (Die Schlampen haben es nicht anders verdient). Zumindest ist Ihre Form die sympathischere.

    Zum Abschluss eine Quelle für Sie von einer Ehemaligen Prostituierten: „Nachricht an den netten Freier“

    http://theprostitutionexperience.com/?p=193

  13. Nachtrag: Weibliche Sexualität vs. Frau als Konsumgegenstand
    Nachtrag:

    Hier Manfred Paulus, Erster Kriminalhauptkommissar, Gewerkschaft der Polizei / Kripo, über die aktuelle Situation und „Freiwilligkeit“.

    http://www.kriminalpolizei.de/weitere-rubriken/organisierte-kriminalitaet/detailansicht-organisierte-kriminalitaet/artikel/rotlicht-und-organisierte-kriminalitaet.html

    „Wie sieht das die Prostitution vereinnahmende und beherrschende Milieu heute in der Bundesrepublik Deutschland aus? Warum überhaupt gibt es dieses – in weiten Teilen – kriminell orientierte und kriminell handelnde, rund um die Prostitution angesiedelte Milieu?(…)
    Und sie alle sind den ungeschriebenen Gesetzen des Milieus verpflichtet.(…) In der Parallelgesellschaft Rotlichtmilieu finden die Spielregeln und Normen der Allgemeinheit und ihre Gerichtsbarkeit keine Anerkennung. Das Milieu hat eigene Wertvorstellungen, eigene Spielregeln, eigene Gesetze. Es hat eigene Ermittler, eigene Richter und wenn erforderlich auch eigene Henker.
    Der Verrat ist nach diesen Milieugesetzen die schlimmste und am härtesten zu ahndende Verfehlung. Und Verrat ist alles, was dem Milieu und seinen Mächtigen Schaden zufügen könnte oder schadet. Würde sich eine Prostituierte hilfesuchend an die Polizei wenden oder aber davon sprechen, nicht freiwillig der Prostitution nachzugehen, dann wäre das Verrat. Ausländerinnen, allen voran die Opfer des Menschenhandels, lernen das in ihrer ersten Lektion und die wird ihnen zumeist längst vor Betreten deutschen Bodens oder deutscher Bordelle erteilt.

    Deshalb, nur deshalb gehen alle aus Moldawien, der Ukraine, Rumänien oder einem anderen Rekrutierungsland eingeschleusten und in Deutschland anschaffenden Frauen „freiwillig„ der Prostitution nach, deshalb leugnen sie beharrlich jegliche Zwangssituation.“ Paulus, 2010

    Juanita Henning behauptet übrigens vertrauenswürdigerweise, Zwangsprostitution gäbe es überhaupt nicht in Deutschland.

    Es gibt nichts, was die weibliche Sexualität so beschränkt und auslöscht, wie das ständige Vorspielen müssen auf engster Distanz. Eine Prostituierte aus einer Dokumentation sagte: „Ich wäre schizophren geworden, hätte ich weiter gemacht“

    Sex ist Austausch, keine begleitete Masturbation des Mannes. Dass eine Frau gerne 20 fremde, nicht unbedingt attraktive Männer ranlässt und durch ein bisschen ungeschicktes Gerammel erregt wird, ist einfach nicht realistisch. Sie können noch so viele „freiwillige“ zitieren, die das angebliche „Wunder“ berichten, und den Lobbyisten glauben, die den rosa Elefanten beschwören, es bleibt eine -grausam erzwungene- Lüge.

  14. Ende der Bigotterie
    Hier kann man mal wieder schön erleben, wie reaktionäre Feministinnen mit Prüderie, hysterischen Verallgemeinerungen, erfundenen Daten usw. ihr krankes Weltbild verteidigen. Darauf gehe ich gar nicht mehr ein, denn eine sachliche Diskussion ist auf dieser Grundlage ohnehin nicht möglich – genauso wie man mit religiösen Fanatikern, Faschisten usw. eben nicht diskutieren kann und auch nicht sollte.

    Mich interessiert nur eine ganz einfache Frage:

    Dieser fanatische Hass auf die Prostitution ist ja ganz offensichtlich nichts Neues, er bestand und besteht genauso wie die Unterdrückung anderer sexueller Minderheiten in den meisten Ländern der Welt. Trotzdem wurde selbst bei schärfster Repression [Prostituierte und Homosexuelle ins KZ (NS-Deutschland), anständige Freier an den Internetpranger (USA) oder in den Knast (Schweden) usw.] NIRGENDS und ZU KEINER ZEIT die erwünschte „Abschaffung“ prostitutiver, homosexueller etc. Handlungen erreicht, weil dies der menschlichen Natur ganz offensichtlich auf krasse Weise zuwider läuft.

    Das Phänomen der Elendsprostitution [die stets fürs Ganze genommen wird] ist doch offensichtlich eine Folge der Armut, Ausbeutung, Stigmatisierung usw., der die entsprechenden Prostituierten ausgesetzt sind — und eben nicht gleichzusetzen mit der Prostitution AN SICH. Um Rosa von Praunheim mal abgewandelt zu zitieren: „Nicht die Prostitution ist pervers, sondern die Umstände unter denen sie heute stattfinden muss“. Das einzige Mittel, die Prostitution (und auch dann nicht unbedingt jegliche Sexarbeit) zu überwinden, wäre es, im Marxschen Sinne die Klassengesellschaft zu überwinden, indem man allen Menschen kostenlos die Befriedigung ihrer Bedürfnisse zu ermöglicht. An diesem Punkt sind wir aber offensichtlich noch nicht angekommen.

    Wie kann ein aufgeklärter Mensch also im 21. Jahrhundert dafür sein, an dieser offensichtlichen Ungerechtigkeit weiter festzuhalten und nicht endlich, endlich den Menschen ihr naturgegebenes Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, freie Wahl der Beschäftigung und Streben nach Glück zuzugestehen?

    Einige fortschrittliche Ländern wie Neuseeland und Australien haben das inzwischen erkannt und sich im letzten Jahrzehnt mit einer vollständigen Entkriminalisierung der Sexarbeit auf den Weg dorthin gemacht. Ich habe die Hoffnung, dass auch in Europa irgendwann Schluss gemacht wird mit dem Tugendterror verklemmter Spießbürger auf Basis menschenverachtender Ideologien.

  15. Sexpositiv
    Kripo-Hauptkommissar Manfred Paulus steht bei den „prüden“ Feministinnen in der ersten Reihe *schmunzel*.

    Es gibt ein schönes Zitat von Rachel Moran, Ex-Prostituierte mit 7 Jahren Erfahrung, zum Thema: „You want to be ’sex positive‘? – Start getting negative about sexual exploitation, then you can start getting positive about sex“.

    Alles Gute Ihnen!

  16. Antwort von Patrick Henkelmann
    @Sarah:

    Der oben stehende Beitrag stammt nicht von mir. Es ist etwas verwirrend, dass die Namen der Kommentierenden nicht angezeigt werden.

    Pardon, dass ich erst jetzt wieder zum Diskutieren komme. Stress und Prokrastination sind eine schlechte Kombination…

    Bezüglich des Einkommens von Prostituierten: Die allermeisten in diesem Gewerbe hauptberuflich arbeitenden Frauen verdienen netto etwa 1000 bis 2000 Euro im Monat, die richtig gut verdienenden Frauen dagegen ein paar tausend Euro pro Woche.
    Siehe dazu auch die Untersuchung „Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes“: http://www.bmfsfj.de/doku/Publikationen/prostitutionsgesetz/040101.html

    Der Stundenlohn einer Prostituierten beträgt für ihren Standardservice in der Regel zwischen 50 und 150 Euro, wobei Escorts und Frauen aus dem S/M-Bereich meist mindestens 100 Euro nehmen. Die teuren Damen nehmen locker 150 bis 250 Euro pro Stunde oder 1000 bis 2000 Euro pro Nacht. Dazu kommen in allen ‚Preisklassen‘ noch diverse Extraservices, die den jeweiligen Preis um 1/3 bis 100% erhöhen können.

    An Kosten entstehen einer Prostituierten auf der anderen Seite gegebenenfalls die Mieten für Zimmer in Studios oder Bordellen (je nach Preisniveau immerhin zwischen 50 und 250 Euro pro Tag), Provisionen für Escort-Agenturen oder die Miete für eine separate Arbeitswohnung. Wer nicht in einem teuren Zimmer und ohne Agentur arbeitet, spart natürlich die entsprechenden Unkosten, hat dafür aber häufig auch weniger Kunden und muss sich zudem selbst um die Werbung und Termin-Organisation kümmern – außer auf dem Straßenstrich, wo es allerdings sehr unkomfortabel ist und wo zudem die Honorare niedriger sind.

    In Flatrate-Bordellen bekommen die angestellten Frauen stattdessen einen festen Stunden- oder Tageslohn oder eine Einnahmebeteiligung, deren Höhe ganz vom jeweiligen Etablissement abhängt. (Ein Mindestlohn oder eine Mindestbeteiligung würden hier häufig vorhandenen Missständen abhelfen.)
    Wo und wie die Prostitution auch stattfindet: Arbeitszeit, Preisniveau, Zahl der Freier und Höhe der Unkosten führen zusammengenommen bei den meisten Prostituierten zu einem durchschnittlichen Nettoeinkommen um die 1500 Euro. Bei einem geringeren solchen gäbe es in Deutschland keine 200.000 Frauen, die in diesem Gewerbe tätig sind.

    „Laut Spiegel verdienen Prostituierte immer weniger.“

    Das Einkommen der Prostituierten in Deutschland scheint sich seit Beginn der Millenniums im Gegenteil (inflationsbedingt?) erhöht zu haben: früher waren 50 Euro pro Stunde eher der Standard als die Untergrenze. Allerdings ist der Wettbewerb unter den Prostituierten härter geworden, was sich vor allem am angebotenen Service zeigt.

    Im Übrigen lassen sich Prostituierte und BordellbetreiberInnen nicht völlig auseinander halten: kleinere Etablissements und Agenturen gehören oft einer der dort arbeitenden Frauen, die dementsprechend auch die Mieten oder Provisionen von den anderen Frauen einnimmt. Bei S/M-Studios ist es sogar die Regel, dass sie einer der dort tätigen Dominas gehören.

    Aus Zeitgründen gehe ich auf die anderen von Ihnen angesprochenen Punkte in meinem nächsten Beitrag heute oder morgen ein.

  17. Antwort von Patrick Henkelmann
    Warum seinerzeit besonders die Flatrate-Bordelle zu verteidigen waren:
    1) Weil die mediale Hetze gegen Flatrate-Bordelle zu einer Verschärfung des Prostitutionsgesetzes führen sollte.
    2) Weil als Argument für das angebliche ‚Scheitern‘ des Prostitutionsgesetzes gerne angeführt wird, dass bis heute nur ein paar Prozent der Prostituierten einen Arbeitsvertrag haben, während gleichzeitig die Flatrate-Bordelle angeprangert werden, obwohl Arbeitsverträge für Prostituierte vor allem dort zustande kommen.
    3) Weil durch die besagten Zeitungsanzeigen effektiv Aufmerksamkeit für die Interessen der Prostituierten erzeugt werden konnte.

    Prostituierte brauchen keine Kondomautomaten – Kondome gibt es anderswo günstiger zu kaufen und die Temperaturschwankungen draußen sind der Qualität von Kondomen generell abträglich. Prostituierte brauchen Legalität und Akzeptanz, Gleichberechtigung und Anerkennung.

    Zur Herleitung des Begriffs „sexnegativ“: wer Pornographie, S/M-Praktiken oder sexuelle Dienstleistungen kriminalisieren will (wie Alice Schwarzer), der stellt sich gegen die sexuelle Freiheit des Menschen und ist damit kurz gesagt sexnegativ. „Sexpositiv“ zu sein bedeutet im Gegensatz dazu den Einsatz für die Freiheit der menschlichen Sexualität.

    Herr Manfred Paulus zeichnet ein absurdes Zerrbild des ‚Milieus‘. Teile der Polizei wie auch der Geheimdienste wollen häufig eine scheinbare Legitimation für ihre Existenz und ihr Handeln präsentieren. Vor der Neufassung von § 180a „Förderung der Prostitution“ konnte die Polizei VermieterInnen sogar dafür verfolgen, dass sie den Prostituierten Kondome zur Verfügung gestellt oder anderweitig gute Arbeitsbedingungen für die Frauen geschaffen haben. Vor der EU-Osterweiterung gab es viele illegal in Deutschland lebende und arbeitende Prostituierte, eben aus dem Osten. Heutzutage hat die Polizei im ‚Milieu‘ dagegen eigentlich nur wenig zu tun – und trotzdem führt sie Jahr für Jahr unbeirrbar massenhaft ergebnislose Routinekontrollen und Razzien in Prostitutionsstätten durch. Polizeiliche Repression darf aber kein Selbstzweck sein.

    Die allermeisten Prostituierten aus Osteuropa gehen ihrer Tätigkeit hierzulande freiwillig nach, ganz einfach weil sie das Geld für ihren Lebensunterhalt oder für die Versorgung ihrer Familien benötigen. Oder sie prostituieren sich besser gesagt ‚freiwillig‘ im Rahmen der ökonomischen Zwänge des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Wer diese Art von Zwang (zu Recht) ablehnt, der sollte folglich den Kapitalismus ablehnen und nicht die Prostitution an sich, welche für einen Teil der Prostituierten unabhängig von unserem Wirtschaftssystem wirklich einen guten bis optimalen Beruf darstellt.

    Juanita Henning leugnet nicht die Existenz der Zwangsprostitution in Deutschland, sondern stellt richtigerweise immer wieder klar, dass diese sich auf ein paar Prozent der Prostituierten beschränkt.

    „Es gibt nichts, was die weibliche Sexualität so beschränkt und auslöscht, wie das ständige Vorspielen müssen auf engster Distanz.“

    Frauen sind verschieden. In meinen beiden Beiträgen vom 05.07. bin ich darauf bereits eingegangen.

    „Dass eine Frau gerne 20 fremde, nicht unbedingt attraktive Männer ranlässt und durch ein bisschen ungeschicktes Gerammel erregt wird, ist einfach nicht realistisch.“

    Sie gehen schon von einem negativen Extrem als Standard aus. Und erregt werden muss auch eine mit ihrer Arbeit glückliche sexuelle Dienstleisterin bei derselben gar nicht notwendigerweise, wenngleich das öfters vorkommt.

    Die Hamburger Bizarrlady und Escort-Dame Undine, die sich preislich ziemlich im obersten Bereich bewegt, hat im Juli als persönliches Experiment ein Wochenende in einem ganz gewöhnlichen Großbordell gearbeitet. Auf ihrem Blog ist der sehr interessante Erfahrungsbericht dazu nachzulesen:
    http://blog.bizarrlady-undine-hamburg.de/2013/07/undine-im-laufhaus/
    Vielleicht bringen solche Texte ja ein paar ProstitutionsgegnerInnen zum Überdenken ihrer Haltung.

  18. Darstellung und Realität
    Zu dem/der Marx-Verfechter_in:

    Wenn Sie sich mit Gesellschaftssystemen auskennen, wissen Sie sicher: Die Kontrolle der weiblichen Sexualität ist das Erkennungsmerkmal patriarchaler Gesellschaften. Das betrifft: Zwangsehe, wirtschaftliche Unmündigkeit, Mutterideologie, Verschleierung, Klitorisbeschneidung und: Prostitution.

    Auch Mord und Diebstahl haben wir „NIEMALS und ZU KEINER ZEIT“ gänzlich verbieten können, wir stehen aber dazu, dass wir sie nicht wollen. Ebenso führten Länder wie Frankreich ein Gesetz ein, das den Sexkauf verbietet -weil wir ihn nicht wollen. Prostitution ist keine sexuelle Orientierung, Prostitution ist strukturelle sexuelle Gewalt gegen Frauen. Aber es gibt Systeme in denen sie eingedämmt wurde und das ist z.B.Schweden.

    Wenn Ihnen sexuelle Freiheit soviel bedeutet, warum beginnen Sie ihr Engagement nicht bei Polyamorie, Homosexualität, Swingerclubs? Da werden Sie gebraucht, kann ich ihnen sagen.

    Auch in einer klassenlosen Gesellschaft werden Sie sich alle *beziehungsmäßigen* Bedürfnisse nur in *Beziehung* und wechselseitiger Abhängigkeit erfüllen können.

    -> Die vollständige Unabhängigkeit des Individuums von allen anderen haben Sie in der Wüste, aber da haben Sie dann auch Sex nur mit sich selbst.

    Hier geht es nicht um Unabhängigkeit des Menschen vom Kapitalismus, sondern Unabhängigkeit des Mannes von und Herrschaft des Mannes über die Frau (was in sich unmöglich ist, denn ein Mann wird immer von einer Frau geboren, er ist biologisch auf die Frau angewiesen – die Frau sichert den Bestand der Menschen überhaupt: ohne Frau: kein Mann) Als nächstes müssten Sie also versuchen, sich das „Bedürfnis“ nach einem Kind ohne Frau zu erfüllen – wenn man der Logik folgt. Wenn man so eine weitgefasste Meinung von „Bedürfnis“ hat.

    Sex ist KEIN menschliches Grundbedürfnis. Es mag ein starker Trieb sein, aber entgegen Wasser, Vitaminen und Nahrung gibt es keine Warnungen, wann man stirbt, wenn man keinen Sex hatte.

    Beim Wunsch nach Sex geht es nie nur um einen, sondern um 2. Deswegen kann es kein Grundrecht sein:denn es tangiert die Wünsche und Bedürfnisse von anderen. Männer die zu Prostituierten gehen, sind übrigens zum Großteil verheiratet. Da wird etwas anderes gekauft als Sex: Macht für „Du tust, was ICH will“-Sex.

    Aber wenn man Schröder und Fischer mit dem CDU-Mann Heiner Geißler vergleicht, sieht man auch, dass Frauen(-rechte) seit jeher viel eher von konservativen Männern Unterstützung bekommen als von linken „ich mach was ich will“-Machos. 🙂

    Für die *beiden* *Männer*:

    Frauen sind zwar unterschiedlich, aber gerade in der Erregbakeit überwiegen die Gemeinsamkeiten, weil das schließlich mit den Geschlechtsorganen verbunden ist, die uns jenseits einer kulturell unterschiedlichen Rolle alle zu biologischen Frauen machen. Wie erklären Sie sich, dass das schwedische Modell vor allem in Länder durchgesetzt werde, die einen hohen GDI (Gender Development Index) haben und viele Frauen im Parlament? Wir Frauen wollen dieses Gesetz.

    Sexuelle Lust entsteht bei der Frau durch (direkte und indirekte) Klitorisstimulation. Zudem ist es etwas anderes, in jemanden einzudringen als jemanden eindringen zu lassen: Letzteres erfordert Vertrauen, Nähe und Dinge wie Respekt (auch wenn es da extrovertierte und introvertierte Frauen gibt: aber), wahrgenommen werden und begehren des anderen.

    Das Problem an der Prostitution sind nicht ihre Umstände. Es ist die von der Frau nicht gewollte Penetration durch Fremde wie es ihnen Ex-prostituierte wie

    Rachel Moran, Trisha Baptie, Natasha Falle, Rebecca Mott, Justine Reilly, Annie Lobert usw usf. sagen. Diese Frauen *organisieren sich* um aufzuklären.

    Die (die Penetration) übrigens zu Traumatisierungen führt (die Studien zufolge unabhängig von Gewalterfahrungen der jew. Frauen gleichbleibend sind). Prostitituierte sind die Frauengruppe mit der höchsten Rate für PBTS. Prostituierte *dissoziieren* während des Geschlechtsverkehrs – ein brillanter, aber schädlicher Abwehrmechanismus etwas, was sonst nur Traumaopfer tun.

    Ideologie ist es, bei einer Frau die strukturell *keine* Wahl hat (weil sie hierher geschleppt, verführt, erpresst wird oder kein Geld hat), die während der Tätigkeit dissoziiert, für deren Erregung Sie während des Verkehrs nichts tun, die zu 90% gerne rauswill aus dem Milieu, von „Einvernehmlichkeit“ zu sprechen. Das ist Ideologie.

    Die Geschichte von der Frau die sich gerne prostituiert, kommt entweder von den 1% Edelprostituierten oder von der Bordellierlobby: Wenn Sie zu einer Prostituierten gehen, gehen Sie zu 90% davon aus, das sie bei ihr nicht stimmt – sondern dass sie zu einem Trauma beitragen, das die Frau ihr ganzes Leben mit sich trägt.
    Die Edelprostituierte, auf die sie sich beziehen, wenn Sie von Freiwilligkeit sprechen (die vlt 3 Freier im Monat hat und sich diese noch aussucht, die Gewalt ausschließt) werden *Sie* -ohne Ihnen zu nahe zu treten- vermutlich nie treffen.

    Ich gebs auf. In Flat-Rate-Bordellen müssen Frauen teilweise nonstop Freier bedienen. Sie *dürfen* keinen mehr ablehnen, das sind doch die Erfahrungsberichte: meinen Sie immer noch, das machen die Frauen gerne?
    Wieviele Dokus, in denen die Frauen zu Wort kommen und Ihnen *sagen*, wie sie es sehen….

    Patrick, wenn Sie einem Polizisten, der seit *Jahren* in dem Milieu arbeitet unterstellen, er würde die Realität verzerren, dann würde ich Ihnen unterstellen, dass Sie eine gewisse Sicht auf die Realität um jeden Preis behalten *wollen*. Und da hilft keine Diskussion.

    Trotzdem danke fürs Erläutern ihrer Sichtweise und alles Gute 😉
    Damit schließe ich hier mal, es wird sich inzwischen wiederholt und von meiner Seite ist alles gesagt.

    1. Antwort von Patrick Henkelmann
      @Sarah:

      Sie kennen mich nicht, haben mich noch nie getroffen und wissen kaum etwas über mich. Trotzdem haben Sie mir in Ihren Beiträgen hier von Anfang an wiederholt unterstellt, meine Motivation zum Schreiben solcher Artikel bestünde darin, als Mann von der Legalität der Prostitution zu profitieren, also selbst die Dienste von Prostituierten in Anspruch zu nehmen. Über diese von mir bereits zurückgewiesene Fehlannahme hinaus, unterstellen Sie mir auch noch Ignoranz gegenüber der Situation und den Gefühlen von Frauen, deren Dienste ich in Anspruch nähme. Letzteres ist nicht mehr bloß persönlich, sondern beleidigend. Und schließlich verschätzen Sie sich auch noch bezüglich dessen, was ich mir bei entsprechenden Bedürfnissen hin und wieder leisten könnte oder würde. Urteilen Sie nicht so leichtfertig über andere Menschen. Das gilt nicht nur für Pro-Prostitutions-AktivistInnen, sondern noch mehr für die „90%“ der Prostituierten, über die Sie so unbeirrbar, gebetsmühlenartig und pauschalisierend bestimmte Dinge behaupten.

      Ihre Sicht und Bewertung der weiblichen Sexualität ist in hohem Maße egozentrisch, ideologisiert und dogmatisch. Sie haben ein extrem verzerrtes Bild von der ganz normalen Prostitution und der Mehrheit der ihr nachgehenden Frauen. Zudem messen Sie mit zweierlei Maß: für Sie zählen nur solche Erfahrungsberichte von Prostituierten als repräsentativ, die Ihr Weltbild stützen. Auf dieser Basis wollen Sie andere Menschen paternalistisch bevormunden.

      Nicht die Prostitution ist eine Kontrolle der weiblichen Sexualität, sondern ihre Bekämpfung. Dass gekaufte Dienstleistungen im vereinbarten Rahmen den Wünschen der sie in Anspruch nehmenden Personen entsprechen sollen, liegt in der Natur der Sache und ist keine Besonderheit der Prostitution. Und auch freiwillig erbrachte sexuelle Dienstleistungen erfordern ein entsprechendes Mindestmaß an Vertrauen und Respekt, schon da sonst gar keine Vereinbarungen zu Stande kommen. Dass wirtschaftliche Not dieses Mindestmaß sehr weit nach unten drücken kann, ist ein Argument gegen Wirtschaftssysteme, welche strukturell Armut und Elend erzeugen, aber kein Argument gegen die Prostitution.

      Zudem blenden Sie vollkommen aus oder können sich schlicht nicht vorstellen, dass Vertrauen und Respekt im Bereich der Prostitution häufig auch in einem höheren Maße vorhanden sind, ebenso wie das Wahrgenommen-werden der Frauen. Gegenseitige Nähe und Begehren von Seiten der Frauen sind schon seltener, aber kommen in einem Teil der Fälle auch vor. Und ich beziehe solche Aussagen keineswegs bloß auf viel verdienende „Edelprostituierte“, sondern gerade auch auf ganz normale Prostituierte – zum Beispiel auf ältere Frauen, die sich als Hausfrauen oder neben einer gewöhnlichen Arbeit ein paar Mal die Woche oder im Monat als Gelegenheitsprostituierte („Hobbyhuren“) was dazuverdienen.

      „Prostituierte *dissoziieren* während des Geschlechtsverkehrs.“

      Ein Teil der Prostituierten tut das – ein Teil der Frauen, die aus starkem ökonomischem Zwang der Prostitution nachgehen, die Frauen, welche tatsächlich Zwangsprostituierte sind sowie Frauen, die dies (unabhängig von ihrem Beruf und ihrer Lebenssituation) aufgrund von bestimmten Lebenserfahrungen generell tun. Das ist kein Grund, pauschalisierend auf die Mehrheit der oder gar auf alle Prostituierten zu schließen und deshalb die Prostitution zu bekämpfen.

      „Prostitution ist strukturelle sexuelle Gewalt gegen Frauen.“

      Prostitutionsverbote sind strukturelle staatliche Gewalt gegen Frauen und Männer.

      „Wie erklären Sie sich, dass das schwedische Modell vor allem in Länder durchgesetzt werde, die einen hohen GDI (Gender Development Index) haben und viele Frauen im Parlament?“

      Aus dem Norden kommt eine neue, vermeintlich gute Form des Paternalismus – die ähnlich falsch und schlecht ist, wie all die alten Formen, die noch primär von weißen Männern vertreten wurden.

      Wenigstens sinkt die Zustimmung zur Kriminalisierung der Prostitution in der schwedischen Bevölkerung langsam. Der Mord an der Prostituierten und Pro-Prostitutions-Aktivistin Petite Jasmine (Eva-Marree Smith Kullander) im Juli diesen Jahres wird hoffentlich viele SchwedInnen zum kritischen Nachdenken gebracht haben.

      „[…] bei einer Frau die strukturell *keine* Wahl hat (weil sie hierher geschleppt, verführt, erpresst wird oder kein Geld hat […]“

      Für die meisten Prostituierten trifft all das nicht zu. Und den Frauen, die sich tatsächlich aus purem wirtschaftlichen Elend heraus prostituieren, schadet jegliche Kriminalisierung am meisten – eben da sie keine Wahl haben.

      Nochmals: ich lehne es ausdrücklich ab, dass Menschen aus wirtschaftlichen Gründen keine Wahl haben, als bestimmte Arbeiten auszuführen. Darum bin ich auch ein klarer Befürworter des Bedingungslosen Grundeinkommens und ein absoluter Gegner von ALG 2 -Sanktionen, insbesondere solchen wegen des Ablehnens von Arbeiten. Mein Ideal und Endziel ist eine Gesellschaft, die nach dem von Marx formulierten Prinzip „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“ funktioniert. Doch ist das eine ökonomische und gesellschaftliche Grundsatzfrage, bei der es nicht speziell um die Prostitution geht, die auch in solch einer besseren Gesellschaft ihren festen Platz haben wird.

      „In Flat-Rate-Bordellen müssen Frauen teilweise nonstop Freier bedienen.“

      In Flatrate-Bordellen zu arbeiten kann sich für Frauen lohnen, die ansonsten eher wenige Freier hätten und ohnehin nicht viel verdienen würden. Diese Frauen sparen sich in einem Flatrate-Bordell die sonst stundenlangen einkommenslosen Wartezeiten zwischen den Freiern und haben ein zuverlässigeres Einkommen. Wer nicht bereit ist, mit den eingelassenen Männern auf deren Wunsch hin Sex zu haben, der arbeitet eben nicht in einem Flatrate-Bordell, sondern in einem anderen Großbordell, in einem kleineren Etablissement, in einer Wohnung oder auf der Straße, wo man sich die Freier aussuchen kann. Dass es auch im Bereich der Flatrate-Bordelle Negativbeispiele gibt, ist klar – und die propagandistisch tätigen ProstitutionsgegnerInnen nutzen natürlich auch diese Negativbeispiele für ihren Kampf.

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