Bild: Bei der Reichspogromnacht zerstörte orthodoxe Synagoge in München., Zum 74. Jahrestag der Reichspogromnacht Foto: Bundesarchiv Bild146-1971-099-63

Die vom NS-Regime organisierten und gesteuerten, landesweiten antisemitischen Pogrome vom 07. bis 13. November 1938 markierten den Wendepunkt von der Diskriminierung und Entrechtung jüdischer Menschen in Deutschland seit 1933 zu ihrer systematischen Verfolgung. Ihren Höhepunkt erreichten die Novemberpogrome in der Nacht vom 09. auf den 10. November 1938.

Diese Nacht der brennenden Synagogen ist als „Reichspogromnacht“ oder „(Reichs-)Kristallnacht“ in die Geschichte eingegangen. Über 1.400 Synagogen und jüdische Betstuben wurden während der Pogrome zerstört, beinahe sämtliche Synagogen Deutschlands. Zudem wurden tausende Geschäfte und Wohnungen verwüstet und geplündert sowie jüdische Friedhöfe zerstört. In den Folgetagen der Reichspogromnacht wurden ca. 30.000 Juden und Jüdinnen in Konzentrationslager deportiert, wo sie monatelang unter schrecklichen Bedingungen inhaftiert waren und hunderte von ihnen starben. Insgesamt sind bis zu 1.500 jüdische Menschen während der Pogrome oder in deren Folge gestorben.

Der Begriff „Kristallnacht“ entstand angesichts all der bei den Verwüstungen zerbrochenen Fenster, Schaufenster und Kristallleuchter. Da der Ausdruck „Kristallnacht“ jedoch sehr beschönigend klingt, ist es trotz seiner internationalen Verbreitung angemessener, von der Reichspogromnacht oder den Novemberpogromen 1938 zu sprechen. „Pogrom“ stammt aus dem Russischen und bezeichnete ursprünglich antisemitische Ausschreitungen im zaristischen Russland. Heute gebraucht man „Pogrom“ allgemeiner als Bezeichnung von Ausschreitungen gegen Angehörige bestimmter gesellschaftlicher Gruppen. Angesichts der Passivität der allermeisten Deutschen und der Beteiligung vieler an den Verbrechen an ihren jüdischen Mitmenschen kann und sollte in Bezug auf die Reichspogromnacht auch von einer Nacht der Schande für Deutschland gesprochen werden. Bis zum Ende der NS-Herrschaft folgten ihr noch weit größere Verbrechen gegen die jüdische Bevölkerung.

Gedenken

Zum 74. Jahrestag der Reichspogromnacht am 09. November 2012 gibt es auch in Bochum wieder Gedenkveranstaltungen. So findet am Freitag zunächst um 13.00 Uhr ein Rundgang zu den in den vergangenen Jahren verlegten „Stolpersteinen“ statt. Treffpunkt für den Rundgang sind die Stelen am Dr.-Ruer-Platz. „Stolpersteine“ sind in das Pflaster der Gehwege eingelassene Gedenktafeln, die an Opfer des NS-Regimes erinnern. Um 15.00 Uhr findet danach am Rande des Dr.-Ruer-Platzes, an der Ecke zur Harmoniestraße, die zentrale Gedenkveranstaltung statt. Diese Veranstaltung thematisiert nicht nur die Novemberpogrome 1938, sondern auch die vorausgehende Diskriminierung jüdischer Menschen sowie die spätere Deportation der Bochumer Juden und Jüdinnen 1942, während des Holocausts. Exemplarisch wird in diesem Jahr das Schicksal der Bochumer Jüdin Fanny Rath beleuchtet. Rath musste 1935 ihr Möbelgeschäft in der Brückstraße aufgeben, ab September 1939 im „Judenhaus“ leben und wurde im Januar 1942 nach Riga deportiert, wo sich ihre Spur verliert. Fanny Rath wurde am 08. Mai 1945 für tot erklärt.

Patrick Henkelmann

 

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