Bild: Essay: Gedanken anlässlich von Houellebecqs fragwürdigem Machwerk

Mit dem Roman „Unterwerfung“ ist Michel Houellebecq ein Verkaufserfolg gelungen, dessen Thematik gespenstisch aktuell wirkt. Das surreale Szenario einer politischen Islamisierung Frankreichs spielt jedoch bloß mit verbreiteten Ängsten. Zudem schürt das Buch ein stark verzerrtes Islambild, in welches Houellebecq sexistische Gedankenspiele projiziert. Hauptsächlich geht es aber um die Sinnkrise der westlichen Kultur. Dabei wird immerhin erkennbar, dass Europas Neue Rechte sich zwar als die überwindende Kraft gegen den Nihilismus definiert, doch dass sie bei dessen Überwindung nur scheitern kann.

Der alternde Literaturprofessor François – Ich-Erzähler und Houellebecqs Alter Ego in „Unterwerfung“ – leidet an seinem westlichen Lebensstil. Geld, Status und Sex machen ihn noch längst nicht glücklich. Doch im Gegensatz zum Schriftsteller Joris-Karl Huysmans (1848-1907), für den François ein geradezu besessener Experte ist, kann er selbst keinen sinnstiftenden Ausweg im Katholizismus finden, sondern bleibt im Nihilismus gefangen. Nur der Islam erscheint ihm schließlich als Alternative. Houellebecq reduziert den Islam in seinem Buch allerdings auf Polygamie und extremes Patriarchat, im Stil von „eine vierzigjährige Ehefrau für die Küche, eine fünfzehnjährige für andere Dinge“. Zur Konversion überzeugt wird François dann auch noch von einem Professor, der früher bei der neurechten „Identitären Bewegung“ aktiv war, bis er den Islam als einzigen realistischen Gegenentwurf zum europäischen „Sittenverfall“ in Form von Homo-Ehe, Abtreibungen und „Frauenarbeit“ (!) einschätzte.

Der Wille zur Macht

Dieses Handlungselement wählt Houellebecq nicht von ungefähr: Den VertreterInnen der Neuen Rechten fehlt der zur Überwindung des Nihilismus nötige „Wille zur Macht“, wie ihn Friedrich Nietzsche als innerlich erfahrene, gelingende Interpretation der Welt und des Lebens definiert. Die Neurechten haben lediglich den Willen zum Machtwillen. Daher müssen sie die von ihnen beschworene „Identität“ größtenteils negativ durch Feindbilder und die Abgrenzung von Fremdem definieren. Ihre Alternative zum nihilistischen Relativismus stellt ohnehin bloß ein „ethnopluralistischer“ (= völkischer) Kulturrelativismus dar. Somit hält sich die Überzeugungskraft der Neuen Rechten in Grenzen. Ein universeller religiöser Fundamentalismus würde strategisch besser funktionieren – wenn ihn denn hinreichend viele Menschen teilen würden.

Islamisierungsfantasien

Solch eine rückschrittliche Rechristianisierung wird in Europa aber nicht stattfinden. Houellebecq lässt deswegen einen frauenfeindlichen Islam als siegreiches Gegenmodell zur heutigen westlichen Kultur auftreten – dem sich Linke wie Rechte bereitwillig anschließen.

Jedoch ist diese Islamisierung Europas in Wahrheit ebenfalls keine realistische Entwicklung: Zum einen schon wegen der demographischen Entwicklung (:bsz 1027), zum anderen weil die meisten Musliminnen und Muslime in Europa sicher keinen derart patriarchalen Islam leben. Und die Polygamie stellt bei ihnen sowieso eine seltene Ausnahme dar. Houellebecq hat mit „Unterwerfung“ also ein realitätsfremdes Buch geschrieben, dessen Handlung zwar originell ist, das die Wahrnehmung des Islam jedoch unnötig negativ beeinflusst. Dieses Werk dürfte allerdings auch schwerlich im Sinne der Neuen Rechten sein.

:Gastautor Patrick Henkelmann
 

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