„Die Besteuerung des Internets ist eindeutig überflüssig, unüberlegt und falsch.“ Mit dieser Aussage positionierte sich die ungarische Partei Fidesz (Bund junger Demokraten) gegen die Internetsteuer – 2008 jedenfalls. Diesen Herbst trug sie den Vorschlag selbst ins Parlament und löste damit eine Welle von Protesten aus. Letzten Freitag dann die Erleichterung: Regierungschef Viktor Orbán (Fidesz) kündigte an, die Debatte über das Gesetz sei vorerst eingestellt.

Mitte Oktober wurde der Gesetzentwurf erstmals im Parlament vorgestellt. Demnach sollten Internetanbieter ab 2015 pro verbrauchtem Gigabyte eine Steuer von 150 Forint (ca. 50 Cent) entrichten. Die Idee selbst ist gar nicht so neu: Vor fünf Jahren wollten Großbritannien und die Niederlande auf eine ähnliche Weise ihre Haushaltskassen aufbessern. Es hagelte massive Kritik und der Gedanke wurde verworfen. Nun versucht Ungarn, mit der Besteuerung des Internets zusätzliche Einnahmen zu generieren, mit denen Breitband-Anschlüsse im ganzen Land ausgebaut werden sollen.

Die Ankündigung schlug riesige Wellen: EU-PolitikerInnen twitterten in scharfen Tönen ihre Empörung, Mitglieder der Opposition – 2008 noch die IdeengeberInnen der Internetsteuer – protestierten lautstark und auf Facebook organisierten sich die ersten Gruppen zum Widerstand. Einige Tage später revidierte die Regierung den Entwurf. Die Abgaben sollten nun gedeckelt werden, sodass Internetanbieter pro Monat nicht mehr als 700 Forint (ca. 2,30 Euro) für PrivatverbraucherInnen und maximal 5000 Forint (ca. 16,30 Euro) für gewerbliche NutzerInnen zahlen dürften. Zudem machte Fidesz klar: Ausschließlich die Provider zahlen, nicht die UserInnen.

Medien-Wirrwarr

ExpertInnen warnten einhellig davor, dass die Unternehmen die Steuer auf die Bürger abwälzen würden. Zahlreiche Online- und Druckmedien veröffentlichten Schätzungen über die Höhe der Abgaben und verglichen diese mit den Gesamteinnahmen ungarischer Internet­anbieter. Verschiedenste Zahlen und Schlussfolgerungen kursierten – so war es schwer bis unmöglich, sich ein klares Bild von der Lage zu verschaffen. Leider verwirrte die Berichterstattung im Ausland nur noch mehr. Knappe und zumeist ungenau recherchierte Artikel behaupteten immer wieder, es seien die ungarischen BürgerInnen, welche die Steuer entrichten müssten. Verständlicherweise erntete das scharfe Kritik – nur traf diese eben nicht den tatsächlichen Inhalt des Gesetzentwurfs.
Unmissverständlich hingegen fiel die Reaktion der ungarischen Bevölkerung aus. Auf der Facebook-Plattform „Hunderttausende gegen die Internetsteuer“ schlossen sich über 200.000 Menschen zusammen, um gemeinsam gegen die Steuer zu demonstrieren. Zwei Mal zogen jeweils Zehntausende BürgerInnen mit erhobenen Smartphones in der Hand durch Budapests Straßen.

Orbáns Rückzug

Offenbar zeigte das Wirkung: Knapp zwei Wochen nach dem ersten Gesetzentwurf kündigte Ministerpräsident Orbán an, die Internetsteuer „könne in ihrer jetzigen Form nicht eingeführt werden“. Stattdessen plane die Regierung für Anfang nächsten Jahres eine umfassende BürgerInnenbefragung, welche die Grundlage für weitere Verhandlungen bilden soll. Prompt zog es die DemonstrantInnen erneut auf die Straße – dieses Mal mit gemischten Gefühlen. Während manche in der Kursänderung noch einen dubiosen Trick wittern, feierten andere auf den erneuten Kundgebungen ihren Sieg. Im Ausland atmeten JournalistInnen wie PolitikerInnen erleichtert auf. Die ehemalige EU-Kommissarin für digitale Angelegenheiten Neelie Kroes twitterte optimistisch: „Sieht so aus, als würde die ungarische Regierung die vorgeschlagene Internetsteuer zurückziehen. Gute Nachricht.“

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