Bild: Redner*innen luden zu ihren Vortägen zum Bösen ein: Der SKK 2019, 10. Komparatistikkongress an der Uni Bild:leda

Studi-kongress Komparatistik. Der Fachschaftsrat Komparatistik holte das Böse ins Haus. Der 10. Studierendenkongress Komparatistik fand wieder an der RUB statt.

Was ist das Böse? Ist es überirdisch oder allzu menschlich? Verändert sich unsere Vorstellung vom Bösen über die Jahrhunderte? Und können, dürfen wir es in Worte fassen?  Die Teilnehmer*innen des Studierendenkongresses Komparatistik (SKK) stellten sich letzte Woche dem „Bösen“ in verschiedenen Facetten. Seit zehn Jahren findet der studentisch getragene Kongress statt, immer an einer anderen Uni Deutschlands. Der Fachschaftsrat Komparatistik holte ihn sowie Vortragende aus Wien, Berlin und South Carolina an die RUB.
Drei Tage, 32 Vorträge: Die Pfingstwoche mag einige Gäste, vor allem Dozierende, von der Veranstaltung ferngehalten haben, aber: „Wir sind insgesamt sehr zufrieden“, so Thomas Stöck aus dem Vorstand des Fachschaftsrats Komparatistik. Bereits 2014 hatte der Fachschaftsrat den fünften SKK in Bochum ausgerichtet, der diesjährige wurde unter anderem vom Verein der Freunde und Förderer der RUB, als auch des CH.A. Bachmann Verlags mit 4.000 Euro unterstützt. Davon konnte Verpflegung, ein Rahmenprogramm und ein Tagungsband finanziert werden. Den teilweise von weither angereisten Gästen war es möglich gewesen, Geld für die Hin- und Rückreise über ihre eigenen Universitäten zu beantragen.
Dem schönsten Wetter zum Trotze im klinisch-weißen Hörsaal sitzen und sich gruseln für die Literatur. Vor dem sozialen Monster bei Süskind, dem Untergrundmenschen bei Dostojewskij, den Vergewaltigungen bei Ovid und ein paar Figuren des weiblich Bösen; Nixen und Nymphomaninnen. Frauen traten, Kanonbildung sei Dank, öfter als bösartige Charaktere als in Form von Autorinnen auf. Weit in der Überzahl waren dafür die weiblichen Vortragenden auf dem SKK.
Nächstes Jahr könnte der Kongress erstmals außerhalb Deutschlands, in Bern, stattfinden. Doch sein internationaler Charakter zeigte sich schon dieses Mal deutlich, wie in den Vorträgen des Panels Sieben. „Der Geist, der stets das Böse will und stets das Gute schafft“ – wie die Grenzen zwischen Dystopien, Utopien und Anti-Utopien verschwimmen können, zeigte Ganna Gnedkova. Die Studentin aus Wien ist in der Ukraine geboren und sprach über das „gut gemeinte Böse“, im Sinne eines weiterentwickelten Mephisto in russischen Dystopien der 1920er und 1930er Jahre. In Romanen wie „Wir“ von Evgenij Zamjatin, und „Tschewengur“ von Andrej Platonow, sei die Krise der Utopien noch nicht spürbar und der Kommunismus eine idealisierte Vorstellung. Erst die Weltkriege, haben die „böse“ Natur des Menschen sichtbar und die Vision einer Gesellschaftsutopie unmöglich gemacht.
Wie sich historische Zäsuren auf Sprache auswirken können, nämlich: verstummend, demonstriert Lise Allirand anhand der Autobiographie „W, ou, Le Souvenier d’enfance“ von George Perec. Allirand, die ihren Bachelor in Frankreich,  ihren Master an der RUB gemacht hat und über die Dokumentation des Holocausts in der Gegenwartsliteratur promoviert, wirft die Frage auf, ob jedes Böse artikulierbar sei. George Perec, dessen Mutter in Auschwitz ermordet wurde,  würde durch dekonstruierte Erinnerungen und Auslassungen, bestimmte Satzzeichen und Buchstaben, sowie seine Widmung, den Terror und „stummen Schmerzes“ des Holocausts adressieren, ohne ihn aussprechen zu müssen.
Am Ende ihrer Antwort auf eine Frage  aus dem Plenum sagt Lise Allirand: „Es bleibt offen“. So kann letztlich auch das Böse zu keiner Zeit einheitlich wahrgenommen werden, sich hinter immer anderen Stilmitteln und Satzzeichen verstecken.             

 :Marlen Farina
 

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