Bild: Fegte wie ein Sturmtief über die Literaturlandschaft: Allrounderin Stefanie Sargnagel. , lit.RUHR war definitiv lit Foto: Alexander Golla

Festival. Vom 4. bis 8. Oktober wurde es erstmals ausgerichtet: das Internationale Literaturfest lit.RUHR. Die :bsz war dabei und hat zwei AutorInnen unter die Lupe genommen, um der Antwort auf die Frage näher zu kommen: War es wirklich lit?

Tosendes Gewitter und donnernde Schläge. Die Rede ist nicht vom Applaus, der auf die Lesungen folgte; gemeint ist der Überraschungsgast: Sturmtief Xavier tobte und durchkreuzte nicht nur die Lande, sondern auch die Pläne des lit.RUHR-Teams. Trotz der zahlreichen Absagen, die auf die massiven Zugausfälle folgten, bot das junge Literaturfest ein abwechslungsreiches Programm mit verschiedenen AutorInnen und noch verschiedeneren Texten, Büchern und Geschichten. 

Who the f*** is Stefanie?

„Es begann mit kleinen Postings im Internet.“ So kündigt das Programmheft der 

lit.RUHR ihr erstes Schmankerl an. Stefanie Sargnagel gehört zu den wichtigsten Autorinnen, Künstlerinnen und Aktivistinnen im deutschsprachigen Raum. Anders als der Autor dieses Artikels versucht sie sich nicht krampfhaft-kümmerlich an Jugendslangs, sondern kommentiert präzise und klug ihre Umgebung. Während Politiker in globalen Machtpositionen in 140 Zeichen ihre Dummheit unter Beweis stellen, benötigt die (Netz-)Feministin oftmals weniger für das genaue Gegenteil: In schmerzhaft-subtile Sätzen packt sie ihre Beobachtungen und avancierte so zu einer Großmeisterin der Kurzform. Nicht nur durch angeschlagene Themen wie Gentrifizierung, Sexismus und Werbung, sondern auch als Mitglied der ersten weiblichen Burschenschaft Hysteria „bringt sie die FPÖ und alte, grauhaarige Männer wie mich zur Weißglut“, beschrieb treffend Christian Ankowitsch, der in der Zeche Bochum durch den Abend des 4. Oktobers moderierte. Die Wienerin stellte einmal mehr in privaten Anekdoten und treffend gewählten Leseparts ihre Raffinesse unter Beweis und verhalf der lit.RUHR zu einer gelungenen Eröffnung. 

Ah, den kenn’ ich doch!

Der zweite Abend lief unter dem Titel: The Great Hornby. Nominiert für den Literaturnobelpreis, mehrere (verfilmte) Drehbücher, Millionen verkaufter Romane: Da kann man auch mal die Bodenhaftung verlieren. Vor 25 Jahren erschien sein Debutroman „Fever Pitch“, mit dem sich Nick Hornby in das Herz der literarischen Kanonisierung einnistete. Seitdem gestehen FeuilletonistInnen ihre geheim gehaltene Liebe zum Fußball, tausende tränenunterdrückende, postpubertäre Jugendliche erkennen sich im Protagonisten von „About a Boy“ wieder und die Welt spielt verrückt. Bei allem Wirbel um sein „phänomenales Werk“ schmeckt die Inszenierung seiner Person wie die Wahlkampagne von Martin Schulz. Alltägliche Erzählungen in banalen Situationen, gewürzt mit etwas „personality“ – et voilà: fertig ist der massentaugliche Macho, aber dafür nah am Puls der Bevölkerung. Dafür überzeugte der improvisierende Philipp Schwenke: Als Moderator und gleichzeitiger Ersatz für Ruhrpottmatador Joachim Król, der sturmbedingt ausfiel, changierte Schwenke gekonnt vom Deutschen ins Englische und entzündete den mit Król verloren gegangenen Hauch Lokalpatriotismus: Bevor er aus Hornbys „Fever Pitch“ las, schwenkte er stilvoll einen BVB-Schal um den Hals. 

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die lit.RUHR bringt internationale Literatur, deutschsprachige Jung-Talente und BestsellerInnen zusammen und rahmt ein gelungenes Festival mit gewohnt-nostalgischen Pottbezügen. Ein Festival, das sicherlich auch in den Zechen, Salzlagern aber auch Orchesterzentren des Ruhrgebiets eine vielversprechende Heimat gefunden hat. Mit Orkantief Xavier konnten jedenfalls die Wogen geglättet werden.

:Marcus Boxler

 

 

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