Bild: Das Männerbild im Wandel: Fassel zeigt pluralistischen Entwicklung anhand von Vampirfiguren. Collage: sat, Vampire: Blutrünstige Untote oder doch menschliche Wesen? Collage: sat

Vortrag. Am 26. Juli fand ein Vortrag zum Vampirbild in Filmen im Wandel der Zeit statt. Der Literaturwissenschaftler Michael Fassel untersucht, inwieweit dieses als Indikator für gesamtgesellschaftliche Veränderungen angesehen werden kann. 

Vampire sind in der Popkultur unserer Gesellschaft angekommen. Und das nicht erst seit Edward Cullen und der „Twilight“-Filmreihe. Schon vor 200 Jahren erschien die erste Vampirerzählung der Weltliteratur. Im Sommer 1816, in einer Villa am Genfer See, treffen sich Percy Shelly, seine künftige Frau Mary, Lord Byron und sein Leibarzt John William Polidori. Polidori erschafft in seiner kleinen Erzählung „The Vampyre“ den
Archetypus des aristokratischen Vampirs, welcher später als Vorlage für den berühmten Dracula dienen sollte. Am Mittwoch, den 26. Juli fand ein vom FSR Gender Studies organisierter Vortrag des Literaturwissenschaftlers Michael Fassel mit dem Titel „Von Dracula bis Edward Cullen: Ausprägungen des männlichen Vampirs im Film – eine Männlichkeitsgeschichte?“ statt. 

Gender Studies

Gender Studies ist ein Master-Studiengang an der Ruhr-Universität Bochum und hat zum Ziel, ein disziplinenübergreifendes Verständnis für die Funktionsweise von Macht und Ungleichheit und den daraus resultierenden Konsequenzen für Individuum und Gesellschaft zu entwickeln. Der Vortrag untersuchte exemplarisch ausgewählte männliche Vampirfiguren in Filmen der vergangenen Jahrzehnte und inwiefern die Figur des Vampirs als Projektionsfläche für gendertheoretische Diskurse im Allgemeinen und maskulinitätstheoretische Diskurse im Besonderen fungiert. Kann anhand der Darstellung des männlichen Vampirs im Verlauf der Zeit das jeweilige Männerbild der Gesellschaft rekonstruiert werden? 

Der Vampir im Laufe der Zeit

Für Michael Fassel ist eine klare Entwicklung zu sehen. Während Terence Fishers Dracula-Adaption von 1958 einen erhabenen Aristokraten zeige, der destruktiv handelt und vollkommen dominant auftritt, seien Frauen in dem Film eher eindimensional dargestellt und auf ein Objekt der Begierde reduziert worden. Anders sei dies bei Roman Polanskis „Tanz der Vampire“ gewesen. Hier sei, neun Jahre später, zum ersten Mal ein schwuler Vampir konzipiert worden, der offen seine Zuneigung zu einem der männlichen Protagonisten zeige. 1992 erschien mit „Bram Stoker‘s Dracula“ ein Vampir, der zwar immer noch übermächtig sei, aber als gebrochener Mann inszeniert werde, der an den Folgen einer längst verstorbenen Liebe leidet. Neil Jordan wagte einen weitaus mutigeren Schritt, indem er in Anne Rices „Interview mit einem Vampir“ Vampire mit offenbar homoerotischen Neigungen konzipiere, die Geschlechter- und Sex-Grenzen überschreiten und somit einen innovativen Genderentwurf repräsentierten. Schlussendlich kam Fassel auch auf „Twilight“ zu sprechen. Die Filmreihe projiziere konservative Werte auf das Idealbild eines Mannes, während sich die Protagonistin vollends von ihm abhängig mache – eine eher rückläufige Tendenz.
Fassel zieht hier Parallelen des Vampirbildes zu dem Männerbild in der Gesellschaft. Der Vampir sei innerhalb der Kulturwissenschaft nicht nur ein phantastisches Wesen, sondern wie Männlichkeit und Weiblichkeit eine Kategorie. Man könne nicht mehr von nur einem Vampir reden, sondern müsse von einem pluralistischen Vampirbild sprechen. So betrachtet könne die Figur des Vampirs als Indikator gesamtgesellschaftlicher Veränderungen angesehen werden. 

:Andreas Schneider

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