Bild: Ob Hamburg, Kassel oder Bochum: Hausbesetzungen kommen wieder in Mode., BesetzerInnen sehen Stadt in der Pflicht Foto: BesetzerInnen

Kommentar.  Seit fast vier Wochen ist die Herner Straße 131 besetzt. Die BesetzerInnen suchen den Dialog mit der Stadt; diese schweigt. Dabei besteht ihrerseits die Pflicht, zu handeln!

Bei Hausbesetzungen denken die meisten Menschen an die Rote Flora in Hamburg oder an die Rigaer Straße in Berlin
und natürlich an Straßenschlachten. Stichworte wie „bezahlbarer Wohnraum“ oder „Begegnungsstätte“ fallen selten. Wenigstens die Sturmhauben haben die aus Funk und Fernsehen bekannten GroßstädterInnen mit den Bochumer HausbesetzerInnen gemein.
 

Was tut die Stadt? 

Die jungen AktivistInnen nehmen sich genau der Probleme an, für die die Stadt verantwortlich ist: sozial verträglicher Wohnraum, Schlafstätten für Menschen mit keinem oder nur geringem Einkommen und ein Begegnungsraum für den Stadtteil.
Ja, es scheint, als werde die Stadt ihren Aufgaben nicht gerecht und so nehmen sich die BesetzerInnen dieser Probleme an.
Nicht, dass der Dialog zwischen Stadt und Haus nicht gesucht würde, doch unter anderem ein offener Brief ans Rathaus blieb bis dato unbeantwortet. Dabei sind die Missstände in Bochum unübersehbar: Laut Mieterverein stehen mehr als 7.000 Wohnungen leer, hinzu kommen etwa 90.000 Quadratmeter Bürofläche. Platz satt. Es bestünde keine Notwendigkeit, leere und marode Häuser zu besetzen, würde die Stadt Bochum endlich ihrer sozialen Pflicht nachkommen. Doch stattdessen nimmt man es hin, dass Wohnraum künstlich verknappt wird, dass SpekulantInnen den Mietpreis seit Jahren unaufhaltsam in die Höhe treiben und dass das soziale und
(sozio-)kulturelle Leben in Bochum immer stärker verknappt. Seit einigen Jahren ist der Trend zu beobachten, dass vor allem ehemals preiswerter Wohnraum modernisiert und hochpreisig vermietet wird. Nicht nur der Vorsitzende des Mietervereins, Michael Wenzel, sieht daher die BesetzerInnen im Recht.
 

Zwischen Recht und Gerechtigkeit 

Doch da gibt es noch die andere Seite: Ein Haus in der Zwangsversteigerung weist nicht selten darauf hin, dass ein Mensch finanziell nicht mehr in der Lage ist, die Auflagen wie Modernisierung oder wenigstens Instandhaltung zu meistern. Bei der Herner Straße 131 handelt es sich nicht um ein Spekulationsobjekt. Das alte, grüne Haus ist kein Apartmentkomplex mit horrenden Mieten. Und auch eine Gentrifizierung ist im beschaulichen und eher ruhigen Stadtteil Hamme noch nicht zu erkennen. Doch trotzdem steigt mit jedem verkauften und teuer sanierten Haus diese Gefahr. In der Emscherstraße, keine 500 Meter vom besetzten Haus entfernt, geschah vor nur wenigen Jahren eben dies: ein ehemals in stiller Besetzung bewohntes Haus wird nun als Luxusapartmentkomplex zu überteuerten Mietpreisen angeboten. Gleichzeitig werden Sozialwohnungen für prekär lebende Menschen und allgemein günstiger, zentrumsnaher Wohnraum Mangelware.
Ja, das Recht sieht bei Hausbesetzungen Strafverfolgung vor, doch die Gerechtigkeit sagt, dass die Stadt allen gehören muss. „Die Stadt denen, die sie brauchen, die Häuser denen, die drin wohnen“, haben sich die BesetzerInnen auf die Fahnen geschrieben. Wie richtig sie liegen. Bleibt zu hoffen, dass sie auch Recht bekommen.
 
:Justinian L. Mantoan
 

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