Bild: Ästhetische Evolution eines Mediums: Das Cover von „Turrican II“ (1991) , Kommentar: Computerspiele als zünftiges und wichtiges Medium akzeptieren Cover: Moby Games

In jedem vierten Deutschen Haushalt steht eine Spielekonsole, in den Haushalten mit Kind sind es sogar sechs von zehn. Die Gamescom und ihre Begleitveranstaltungen besuchten 345.000 Menschen. Mensch, das ist ein Medium, das die Gesellschaft verbindet, aber auch spaltet, auf jeden Fall bewegt und verändert. Und wenn das Internet Archiv seine Bibliothek um 10.000 Spieleklassiker erweitert, interessiert das – niemanden? Welchen Stellenwert haben Spiele wirklich?

In seinem Blog „Der Blindband“ vergleicht Spieleentwickler Wolfgang Walk („Die Siedler“) den Upload der knapp 10.000 Amiga-Spiele auf archive.org mit dem von 10.000 Musikaufnahmen von 1900 bis 1920 oder 10.000 digitalisierten antiken Büchern. Der Feuilleton würde ausrasten vor Begeisterung – in den letzten beiden Fällen. Wenn tausende von Spielen aus einer stil- und genredefinierenden Epoche  für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, interessiert das höchstens die Technikredaktionen. Das ist, schreibt Walk, als würde man die oben erwähnte musikgeschichtliche Kiste „an den Redakteur geben, der alle drei Monate über neue Neuentwicklungen im Audiomarkt berichtet“. Auch wenn es sich bei der Aktion auf archive.org um einen Betatest gehandelt hat (für den Online-Emulator), und die Spiele wieder vorübergehend offline sind: Warum ist das so?

SpielerInnen sind immer noch kurios

Einerseits wurden Computer- und Videospiele bereits seit 2008 vom Deutschen Kulturrat als Kulturgut eingestuft und anderersits berichten auch große Medien über Gamescom, „GTA“ und „Pokémon GO“. Aber wenn wir genauer hinsehen, entdecken wir: Die SpieleentwicklerInnen scheren sich herzlich wenig darum, ob sie „offiziell“ Kunst produzieren und die Medien fanden die CosplayerInnen auf der Kölner Spielemesse interessanter als alles andere. Die virtuelle Monsterjagd wurde nicht als innovatives Augmented-Reality-Konzept wahrgenommen, sondern als diese App, bei der die Leute irgendwo gegen rennen, weil sie nur aufs Fon starren.

90 Prozent von allem ist Dreck

Seit Atari mit Nolan Bushnells „Pong“ eine neue Ära der Unterhaltung einläutete, sind 44 Jahre vergangen. Natürlich, anfangs ein nerdiger Zeitvertreib; die Technik bot kaum Möglichkeit für erzählerische Tiefe (ausgenommen Textadventures, die aber auch kaum Beachtung als revolutionäre nicht-lineare Erzählungen finden). Auch heute sind die meisten Spiele Unterhaltung statt Kunst. Ehrlich gesagt, geht mir das prätentiöse „Spiele sind auch Kunst“-Getue auch auf den Sack. Es geht auch anders: Spiele wie „Valiant Hearts“ sind einfach Kunst, ohne es unbedingt sein zu wollen und ohne Unterhaltungswert einzubüßen. 

Das meiste auf dem Spielemarkt ist Dreck. Das liegt daran, so besagt es Sturgeons Gesetz, dass 90 Prozent von allem Dreck ist. 50 Cents „Musik“ ist sicherlich nicht wertvoller als der Soundtrack von „Bastion“, Stephenie Meyer schreibt keine besseren Geschichten als „Mass Effect“ erzählt.

Viele Spiele sind einfach Unterhaltung. Sehen wir doch ein, dass sie auch verdammt gute Unterhaltung sein können.

:Marek Firlej

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