Bild: In der Atmosphäre, im Boden, in der Artenvielfalt: Der ökologische Fingerabdruck des Menschen hat weltweite Folgen., Schaffe, schaffe, Welt umbaue: Sind wir ins Anthropozän eingetreten? Illustration: mar

Der Mensch will sich nicht damit abfinden, dass die Welt nicht so ist, wie er sie gern hätte. Also begann er, sie zu verändern. Und zwar derart tiefgreifend und unumkehrbar, dass WissenschaftlerInnen verschiedener Fachbereiche von einem neuen Erdzeitalter sprechen: dem Anthropozän, der Ära des Menschen. Während etwa der Münchner Physiker und Naturphilosoph Harald Lesch das Wort wie selbstverständlich benutzt, sehen andere darin grünen Aktionismus. Im Sommer wollen ExpertInnen bestimmen, ob zumindest für Erdschichten eine neue Ära angebrochen ist.

Bislang bezeichnet die Geologie die Epoche, in der wir leben, als Holozän, was sich mit „das völlig Neue“ übersetzen lässt. Im 19. Jahrhundert hatten nur wenige geglaubt, dass der Mensch schon so bald so sehr das Gesicht der Erde verändern würde, dass eine Epoche danach überhaupt in Betracht gezogen werden müsste. Im Sommer berät die Internationale Union der Geowissenschaften (IUGS) in Kapstadt, ob es wirklich so weit sein soll. Die Anthropozän-Arbeitsgruppe befindet: „Das Anthropozän unterscheidet sich funktional und stratigraphisch“ – also als Erdschicht – „ vom  Holozän“.

Nur ein Hype für UmweltaktivistInnen?

Doch steht nicht nur die Frage im Raum, wann das neue Zeitalter überhaupt begonnen haben soll: mit dem Beginn der Industriellen Revolution? Mit Beginn des Atomzeitalters? Es regt sich ebenfalls Widerstand gegen das Konzept. In einem Beitrag auf der Seite der Geologischen Gesellschaft von Amerika (GSA) wird der Begriff mit einem popkulturellen  Hype gleichgesetzt.

Halden wie im Ruhrgebiet sind nur ein Beispiel dafür, wie der Mensch seine Umwelt tiefgreifend verändert.Beispiele vor der Tür

Doch wie genau hat der Mensch die Erde in den letzten Jahrzehnten geformt? In der Tiefsee soll es eine dünne Schicht menschengemachtes Sediment geben. Die Topografie der Erde wird teilweise erheblich vom Menschen verändert: Der 150 Meter hohe Tippelsberg in Bochum-Riemke besteht zum Teil aus der Erde, die der U35 weichen musste. Auch an weiteren, größeren Halden mangelt es im Ruhrgebiet nicht.

Atomwaffentests (und -einsätze) verteilten weltweit radioaktive Stoffe. Die Erde ist voll von sogenannten Technofossilien – versteinerten Fossilien oder solchen aus Stein beziehungsweise Beton. Und 2014 haben GeologInnen ein neues Gestein entdeckt — Plastiglomerat, Stein und Kunststoff in einem.

Aber auch in die Atmosphäre (Ozonloch, Treibhauseffekt) oder die Evolution (Zucht, Genmanipulation, Ausrottung von Arten) hat der Mensch nachhaltig eingegriffen. So bleibt der Begriff Anthropozän nicht nur den Geowissenschaften vorbehalten.

:Marek Firlej

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