Bild: „Tee statt Waffen“ : Plakat der Antikriegsbewegung gegen den Irakkrieg. , Zu Besuch im Imperial War Museum Foto: Jan Freytag

Wie lässt sich Krieg darstellen, ohne ihn und seine AkteurInnen zu glorifizieren oder zu dämonisieren? Kann man ZivilistInnen den Horror und die Gefahren der Front und des Kampfes jenseits von Kriegsromantik begreiflich machen? Diese Frage dürfen sich nicht nur VeteranInnen und PolitikerInnen, LiteratInnen und andere GeisteswissenschaftlerInnen stellen, sie müssen vielmehr die Gesellschaft als Ganzes beschäftigen. Der Archivar der :bsz, Jan Freytag, war für Euch vor Ort.

Der ehemalige französische Premierminister George Clemenceau hat diese Verantwortung in griffige Worte gekleidet: „Krieg ist ein zu ernstes Geschäft, als dass man ihn den Generälen überlassen dürfe.“ Das britische Imperial War Museum und seine MitarbeiterInnen übernehmen diese Verantwortung und versuchen, sich den aufgezählten Fragen anhand der drei großen Konflikte des 20. Jahrhunderts zu stellen: Erster Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg und Kalter Krieg einschließlich Nordirlandkonflikt. Wie wird  mit dem Phänomen Krieg umgegangen und welche Antworten gibt es?

Der Wahnsinn und die Militärtechnik

Das Museum und seine Ausstellungsräume liegen auf dem großflächigen Gelände der ehemaligen Londoner Nervenheilanstalt Bedlam; es gibt daher genug Platz für die verschiedenen Ausstellungen und Exponate. Um den Innenhof herum gruppieren sich die verschiedenen Etagen, die jeweils eine der großen Ausstellungen beherbergen. Der Innenhof ist eine Leistungsschau der Militärtechnik: Von der Decke stürzen britische Spitfire-Jagdflugzeuge auf die Besucher hernieder, V1 und V2 Raketen steigen der Decke entgegen, Landrover Jeeps warten aufs losfahren, in einer der Ecken steht ein kolossaler russischer T-34- Panzer. Das Zentrum des Innenhofes gehört jedoch einem britischen Artilleriegeschütz samt Zugmaschine. Es scheint zunächst eine etwas willkürliche und zusammengewürfelte Sammlung. Dennoch weisen die Flugzeuge, Panzer und Raketen die BesucherInnen darauf hin, dass die Kriege im 20. Jahrhundert ohne die industrielle Massenfertigung von Kriegsmaterial weder geführt noch gewonnen werden können.

Reise durch das Jahrhundert der Kriege

Die Kriegsreise beginnt chronologisch im Ersten Weltkrieg, die Räume sind dunkel und eher spärlich ausgeleuchtet. Ähnlich wie im Innenhof sind auch hier die Räume vollgestellt mit Schaukästen, Tafeln und Ausstellungsstücken. Die BesucherInnen schlängeln sich diszipliniert durch den übrigbleibenden Platz. Aus Lautsprechern knattern Maschinengewehre, pfeifen Granaten, kommt das Geräusch prasselnder Erde. Akustisch kommt das Ausstellungskonzept dem Ersten Weltkrieg also sehr nahe. Im Gegensatz zum dramatischen Audiokonzept stehen die Texttafeln, die versuchen, in einer nüchternen, auf wertende Adjektive verzichtenden Sprache den Kriegsalltag sowohl an der Front als auch in der Heimat zu schildern. Um ihn zu illustrieren werden Gasmasken, Klappspaten, Rationsmarken und Spielzeug aus Munitionsresten ausgestellt. Es wird deutlich, dass das Begreifen des Krieges vor allem durch Augen und Ohren geschehen soll und dass der Intellekt dahinter zurück steht. Es ist keine verkopfte Ausstellung und daher sind das Grauen des Krieges und seine Gefahren auch für NichtwissenschaftlerInnen und ZivilistInnen gut nachvollziehbar. Augenfälligstes Beispiel hierfür ist der Nachbau eines Schützengrabens, durch den man sich im Laufe der Ausstellung begeben muss.

Insgesamt folgt die Ausstellung über den Ersten Weltkrieg –  wie übrigens die anderen Ausstellungen auch – einem chronologischen Konzept. Ebenso ist der audio-visuelle Fokus auch in den anderen Ausstellungen zu finden. Eine Ausnahme bildet die Unterausstellung des Bereiches Kalter Krieg über Spionage. Hier gibt es – was in der Natur der Sache liegt – weniger Dokumente, dafür lauscht man den Berichten ehemaliger M15- und M16-AgentInnen.

Kriegsdarstellung zwischen Ablehnung und Heroisierung

Das Museum versucht, einen Überblick über die größten, bedeutendsten und vor allem blutigsten Konflikte des 20. Jahrhunderts zu liefern. Aber wie geht es nun mit den eingangs gestellten Fragen um? Es versucht, ZivilistInnen den Krieg vor allem durch Ausstellungsgegenstände näher zu bringen und ihn  durch Nachbauten und Soundeffekte erfassbar zu machen. Hierbei übernimmt es sich aber – wie viele Museen – und erschlägt seine BesucherInnen bzw. lässt wenig Raum für den Zusammenhang. Bei der ersten Frage bemüht sich das Museum um einen fast nicht einzuhaltenden Spagat. Es werden in der Ausstellung immer wieder heroische Einzeltaten beschrieben und der Hervorhebung des Dienstes der Soldaten am Vaterland wird ebenso großer Raum gelassen. Auf der anderen Seite zeigt es – insbesondere in der Ausstellung zum Ersten Weltkrieg – dass Soldaten häufig von ihren Generälen in sinnlose Kämpfe geworfen wurden, die viele mit dem Leben bezahlten und an deren Ende ein paar Quadratmeter Erde mehr in der Statistik zu Buche schlugen.

Ambivalenter Ort

Das Imperial War Museum ist kein Ort der militärischen Heldeninszenierung und huldigt nicht dem Britischen Empire sowie seinen Errungenschaften. Es ist aber auch kein Ort an dem über die Sinnhaftigkeit von Krieg nachgedacht und nutzloser Blutzoll angeprangert werden kann. Es ist ein ambivalentes Museum, da mich einerseits die Darstellung der Kriegsleiden berührt hat und andererseits die militärische Leistungsschau abgestoßen hat. Die Spannung zwischen der Menschlichkeit und der Technik ist manchmal schwer zu ertragen, aber gerade dieser Spagat zwischen warm und kalt macht dieses ambivalente Museum sehenswert.  

:Gastautor Jan Freytag 

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