Bild: Ein retro-avantgardistisches Leitbild: Laibach-Sänger ­Tomaž Hostnik. , Industrial-Rock aus dem Dritten Reich in Bochum? Was steckt hinter Laibach Foto: mar

Bochum, Zeche. Sonntagabend. Ein Mann mit Tropenkopfschutz in strammer Haltung. Neben ihm steht eine Frau, in edle Garderobe gekleidet, ­hinter einem Sythesizer. Sie singt und gebärdet sich dabei wie Joseph Goebbels. Der Synthesizer wird zum Redepult. Hinter ihr marschieren Menschen über die Leinwand. Die Band Laibach inszeniert auch dieses Konzert vom 15. Februar wie jeden ihrer Auftritte als Machtspiel.

Der Vergleich mit dem Propagandaminister ist nicht absolut. Er drängt sich in Deutschland auf, zudem ist die nationalsozialistische Ästhetik durchaus ein häufig geschöpfter Quell der slowenischen Rock-/Industrial-/Elektro-/usw.-Band. Ihr Gestus kann aber auch der jedes anderen große Reden schwingenden Staatsmannes sein. In ihrer Heimat erinnert Mina Špilers Auftritt vielleicht eher an den kommunistischen Diktator Jugoslawiens, Josip Broz Tito (1892–1980).

Die Politik tat sich schwer mit der Band: Verhöhnt sie die jugoslawische Führung oder verherrlicht sie den Faschismus? Schon der Name war ein Affront: Sloweniens Hauptstadt Ljubljana hieß unter anderem unter NS-Besatzung Laibach. Langjähriges Auftrittsverbot war die Folge.

Enough Siegheiling!

Doch kokettiert die Band, die Rammstein als einen wichtigen Einfluss angibt, nicht nur mit Nazisymbolik. (Eine Ansage während des Konzerts: „Enough Siegheiling – Peace!“) Ein Symbol aus der russischen Kunst-Avantgarde findet sich etwa im Kreuz-Logo der Band, das auf den Maler Kasimir Malewitsch zurückgeht. Die martialische Inszenierung der Auftritte orientiert sich, wie gesagt, an den Auftritten autoritärer Führer jeder Fasson. Thematisch werden große politische Themen kommentiert. So geht es im aktuellen Album „Spectre“ von 2014 um Überwachungsstaaten. Interessanterweise hat der Ohrwurmtitel „The Whistleblowers“, nach dem durch Edward Snowden und Julian Assange bekannt gewordenen Wort benannt, direkte musikalische Anleihen beim Mitpfeifmarsch „Colonel Bogeys March“, den man aus alten Kriegsfilmen kennt.

Altes neu erfinden und dabei die immer gleichen Mechanismen von Pop und Politik aufdecken, so lautet die gängige Interpretation des Laibach-Konzepts. Diktatoren wie Popstars präsentieren sich auf der Bühne, um den Schein von Nähe zu erwecken. Die ernsten Gestalten um Vokalist Tomaž Hostnik auf der Bühne der Zeche decken dieses Schema kühl auf, indem sie die obligatorischen Popstar-Floskeln („You are the best audience!“) bloß vom Band abspielen.  Die Licht- und Videoshow war nicht zufällig sondern effektvoll eingesetzt. Alles hätte enormen Eindruck gemacht – leider ist die kleine Bühne des (obwohl musikalisch geschichtsträchtigen) Bochumer Konzertsaals nicht der Raum für große Menschenmassen mobilisierende Verkündungen.

Große P(r)opaganda

Den Abschluss des Abends machte das vom Publikum sichtlich ersehnte „Geburt einer Nation“, eine ins Deutsche übersetzte Coverversion von Queens „One Vision“. Aus „One man, one goal, one mission“ wird ein machtvolles „Ein Mensch, ein Ziel und eine Weisung“ – bedarf es noch eines Beweises dafür, wie nah Pop und Propaganda beieinander liegen?

:Marek Firlej

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