Bild: EU-Podiumsdiskussion: Unter anderem Sascha Bednarz (CDU) und Fotios Amanatides (Piraten) diskutierten die Zukunft Europas., Europawahl: Kandidaten verschiedener Parteien diskutieren auf dem Campus Foto: bk

Die Europawahl scheint ein Imageproblem zu haben: Während die Beteiligung bei der letzten Bundestagswahl im Vergleich zur letzten Wahl um einige Prozentpunkte nach einem historischen Tief im Jahr 2009 auf etwa 75 Prozent gestiegen ist, konnten sich bei der letzten Europawahl nur 42 Prozent aller stimmberechtigten BürgerInnen dazu aufraffen, ihr Kreuz auf den Wahlzettel zu setzen. Damit dies bei der nächsten Wahl am 25. Mai anders wird, organisierte das AStA-Referat für Politische Bildung eine Podiumsdiskussion mit Kandidaten einiger Parteien, um interessierten Studierenden die Möglichkeit zum Austausch über politische Themen zu geben.

Bei der Podiumsdiskussion standen vor allem die Fragen im Vordergrund, inwieweit das Konstrukt „Europa“ gesellschaftliche Realität ist und in welchen Bereichen der Zusammenarbeit der EU-Länder noch Verbesserungspotenzial besteht. Zudem wurde über die Risiken und Chancen einer Erweiterung der Aufgaben der Europäischen Union gesprochen, etwa durch das geplante Freihandelsabkommen mit den USA. In einer zweiten Diskussionsrunde stellten sich die Repräsentanten der Parteien, Dr. Jürgen Mittag (SPD), Peter Alberts (Grüne), Fotios Amanatides (Piraten), Lukas Krakow (FDP), Fabio de Masi (Die Linke) sowie Sascha Bednarz  (CDU) den Fragen des Publikums.

Schon die Überlegung, inwieweit die Europäische Union Teil des alltäglichen Lebens der BürgerInnen ist, sorgte für Diskussionen: Während sich Jürgen Mittag, der Kandidat der SPD, etwa mehr wirtschaftliche Zusammenarbeit unter den EU-Ländern wünschte, kritisierte Fotios Amanatides von den Piraten die Tatsache, dass die Römischen Verträge, die den Grundstein für die heutige Europäische Union gelegt hatten, in erster Linie Verträge zwischen Staaten gewesen seien – und eben nicht zwischen den darin lebenden BürgerInnen. Folglich, so Amanatides, würden sich diese mit dem Konstrukt EU überfordert fühlen, da sie nicht genug in dessen System eingebunden seien.

Unterdessen äußerten Peter Alberts und Sascha Bednarz die Befürchtung, es gebe zwischen den EU-Mitgliedsstaaten einen Wettbewerb – um Unternehmen anzulocken würden die Länder untereinander um die niedrigsten Gewerbesteuern konkurrieren. Hier sehen die beiden Politiker eine Schwachstelle im europäischen Wirtschaftssystem. Auch das geplante Freihandelsabkommen mit den USA birgt nach Ansicht der Diskussionsteilnehmer einige Gefahren für Europa: Fast alle kritisierten das Abkommen in seiner jetzigen Form stark, da es Unternehmen das Recht einräumen würde, Staaten zu verklagen. Dass dadurch Unternehmen in gewissem Sinne auf die gleiche Stufe wie Staaten gestellt werden, wertet etwa Fabio de Masi von der Linkspartei als „Gefahr für die Demokratie“. Hier gab es eine parteiübergreifende Übereinstimmung aller Kandidaten.

Die Vereinigten Staaten von Europa?

Auch bei der Sicherheitspolitik der EU gebe es nach Ansicht der Diskussionsteilnehmer noch Nachholbedarf – vor allem bei den aktuellen Flüchtlingsproblemen, insbesondere als eine Zuschauerin fragte: „Hat die EU den Friedensnobelpreis im Jahr 2012 auch dann noch verdient, wenn man bedenkt, dass Tausende afrikanische Flüchtlinge im Mittelmeer vor der EU-Grenze ertrinken?“ Explizit wurde Frontex, die Agentur zur Sicherung der EU-Außengrenzen, kritisiert, da sie aufgegriffene Flüchtlinge oft einfach wieder zurück in ihr Heimatland schickt, wo meist Krieg und Hungersnöte auf sie warten.

Wie geht es angesichts dieser Herausforderungen weiter für das Projekt EU? Immer öfter macht in letzter Zeit die Idee von den „Vereinigten Staaten von Europa“ nach US-amerikanischem Vorbild die Runde. Während Lukas Krakow von der FDP zwar findet, dass die EU „in erster Linie eine Wertegemeinschaft“ ist, die über finanzielle Interessen hinausgeht, hält er die Idee eines europäischen Bundesstaates für wenig realistisch. Fotios Amanatides betont, dass die Situation der EU-Länder nicht mit der Situation der USA bei ihrer Entstehung zu vergleichen sei. Die Schere zwischen Arm und Reich, die von den DiskussionsteilnehmerInnen in der EU durchaus gesehen wird, sei jedoch Ausdruck einer Krise, die durch die verschiedenen innereuropäischen Verfassungen entstanden sei; so gebe es etwa keine gemeinsame Sozialpolitik innerhalb der Europäischen Union. Somit sei eine europäische Verfassung notwendig – allerdings nicht ohne Mitwirkung der BürgerInnen.

Solange es dazu noch nicht kommt, bleibt diesen immerhin die Möglichkeit, bei der Europawahl mitzubestimmen. Daher appellierten alle Kandidaten, an die ZuschauerInnen am 25. Mai wählen zu gehen – denn die EU ist Teil der alltäglichen Realität in Europa.
 

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