Bild: Bergbau: Hier hat sich der Mensch die Unterwelt zu eigen gemacht ­ – nicht ohne Risiko. , Ausstellung im LWL-Industriemuseum Zeche Zollern geht den Dingen auf den Grund Foto: dh

Der Ausstellungsort passt zum Thema: Unterwelten auf Zeche Zollern – da denkt der Besucher an Bergwerkstollen, verstaubte Kohlengesichter, unterirdische Gleissysteme. Doch „Über Unterwelten“ zeigt seit Ende März mehr als die Geschichte des Bergbaus im Ruhrgebiet. Die Schau erklärt Mythen und religiöse Vorstellungen über die Welt unter unseren Füßen. Eine Welt, die Menschen seit jeher abschreckt und fasziniert. Und es geht auf eine Reise in das Reich, was sich tatsächlich unter der Erde verbirgt: U-Bahn-Verkehr, Kanalisation, Tunnel, Bunker, Katakomben, der Boden selbst, mit seinen vielen Schätzen. Noch bis Anfang November steht das Paralleluniversum für Besucher offen – so geheimnisvoll wie banal zugleich.

„Wo liegt die Unterwelt?“, steht in weiß auf einer schwarzen Wand geschrieben, „versteckt sich eine Unterwelt in mir?“, heißt es weiter. Wer das herausfinden möchte, muss ins Dunkel laufen und paradoxerweise ein paar Stufen hinaufsteigen. Denn auf Zeche Zollern beginnt die Unterwelt im ersten Stock.

Blick in den Höllenschlund

Gut, die Unterwelt ist es noch nicht – sondern der Übergang dazu. Rund 300 Exponate warten insgesamt. Die ersten zeigen, wie Menschen verschiedener Epochen den Weg in die Hölle gedacht haben. In diese Kategorie fällt auch der Feuer-Leviathan, das Titelmotiv der Ausstellung. Ein geöffneter Rachen, durch den BetrachterInnen ins Innere der Hölle blicken. Als Vorlage diente eine Radierung von 1745. Holzstiche von Gustave Doré und Albrecht Dürer aber auch viele Werke anderer Künstler sind von Dantes Göttlicher Komödie inspiriert. Und weil zahlreiche gelehrte Anspielungen das Verständnis der berühmten Vers-Erzählung erschweren, hat der amerikanische Zeichner Seymour Chwast Dantes Erlebnisse mit Vergil ins 20. Jahrhundert übertragen. Als Detektive protokollieren die beiden in einem Comic das Geschehen.
Wenige Meter weiter begegnen dem/R BesucherIn Idole, kleine weibliche Figuren aus der Steinzeit – ohne Gesichter, ohne Füße. Sie wurden beim Aufwühlen der Unterwelt entdeckt, im vorderen Orient, Mitteleuropa und Südamerika. Doch was bedeuten sie? Sind die steinernen Figürchen Traum- oder Sehnsuchtsbilder? Seit über 100 Jahren versucht die archäologische Forschung, die Bedeutung der Idole mit neuen Fragen und aus neuen Perspektiven zu entschlüsseln.

2.000 Jahre alte Mumie

Eines der ältesten Exponate ist eine über 2.000 Jahre alte Mumie. Zusammen mit weiteren Leihgaben aus dem Diakonie-Museum Düsseldorf gibt sie Auskunft über Totenkult und Jenseitsvorstellungen im alten Ägypten. Wer der 1,65 Meter große Mann war, ist nicht bekannt. Gelebt hat er in der Ptolemäischen Periode (332-31 v. Chr.) – zu jener Zeit, als die Nachfolger Alexanders des Großen über das Land am Nil herrschten.
Etwa 76 Prozent der Menschen im Ruhrgebiet gehören einer Religionsgemeinschaft an. Im Hinblick aufs Unterirdische sind sie von unterschiedlichen Vorstellungen mit zum Teil sehr ähnlichen Motiven geprägt. Im Buddhismus gibt es Ober- und Unterwelten in die man wiedergeboren wird. Die Unterwelt ist die der Tiere, Hunger- und Durstgespenster, sowie Höllenwesen.
Redewendungen, wie „zum Kern der Sache vordringen“, oder „in die Tiefe gehen“, haben die Kuratoren der Ausstellung veranlasst, einen kleinen Bereich (natur-)wissenschaftlichen Arbeiten von der frühen Neuzeit bis zur Moderne zu widmen. Durch „erobern und erfassen, beherrschen und ausbeuten“, so heißt es, nähere man sich seit der frühen Neuzeit nicht nur der Welt über Tage. Ob Bergbau, der Umgang mit seltenen Erden oder Fracking – immer, so lehrt die Ausstellung auch, ist es mit Gefahren für ArbeiterInnen, Umwelt und Mitmenschen verbunden, wenn wir die Unterwelt erschließen und nutzbar machen.

Virtuelle Seilfahrt

Vor einer Videoleinwand können BesucherInnen im Förderkorb unter Tage rauschen, 10 Meter pro Sekunde. Auf einer Rüttelplatte vergleichen sie die Schwingungen, die eine vorbeirasende Straßenbahn im Vergleich zu Bohrungen, Sprengungen oder seismischen Untersuchungen erzeugt. Sieben Zeitzeugen, die zum Zeitpunkt der Luftangriffe auf Städte im Ruhrgebiet sieben bis 18 Jahre alt waren, berichten von ihren Erlebnissen rund um den Luftschutzbunker. Weitere Exponate zeigen die logistische Leistung, die hinter unterirdischen Verkehrs- und Abwassersystemen steckt. Jedes Exponat ist ausreichend, aber nicht überfrachtend beschriftet. Ein übersichtliches Leitsystem und größere Beschriftungen heben wichtige übergeordnete Aspekte der Ausstellung hervor. Auch mit wenig Zeit bekommt man so einen guten Überblick.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 2. November 2014, dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr im LWL-Industriemuseum Zeche Zollern, Grubenweg 5 in Dortmund. Der Eintritt kostet sechs (ermäßigt vier) Euro. „Über Unterwelten“ wird durch ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm begleitet.

Weitere Informationen im Internet unter: www.unterwelten.lwl.org/unterwelten/veranstaltungen
 

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