Bild: Kameras an jeder Ecke? Orwell lässt grüßen!, Innenminister Friedrich wünscht sich mehr Videoüberwachung für Deutschland Foto: ck

Am 10. Dezember 2012 misslang ein Sprengstoffanschlag am Bonner Hauptbahnhof. Erst wurden Personen aus der „Salafisten-Szene“ verdächtigt, dann geriet ein mutmaßlicher Verbindungsmann von al-Qaida in das Visier der ErmittlerInnen. Jetzt möchte Innenminister Friedrich (CSU) die bundesweite Videoüberwachung ausweiten. Nach seiner Argumentation wären die TäterInnen durch weitere Kameras vielleicht abgeschreckt worden.

Erste Ermittlungen hatten zuvor in die islamistische Szene Bonns geführt. Verdächtigt wurden der 27-jährige Somali Omar D. und eine weitere Person. Omar D. ist für die StaatsschützerInnen kein Unbekannter. Im September 2008 wurde D. zusammen mit einem Begleiter auf dem Rollfeld des Flughafens Köln/Bonn gestellt. Die beiden wollten eine Fokker 50 besteigen und mit dieser nach Amsterdam fliegen. Von dort aus sollte es dann über Entebbe (Uganda) nach Pakistan weitergehen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und die Ermittlungsbehörden vermuteten, dass die beiden dort in einem Lager „für den Dschihad trainieren“ wollten. Dieser Hintergrund und der „begründete Verdacht“, es könne sich bei D. um den mutmaßlichen Bombenleger handeln, führten schließlich am 11. Dezember 2012 zur Verhaftung von D. und einer weiteren Person in einem Bonner Internetcafé. Zuvor hatte die BILD berichtet, dass Schüler D. und einen Begleiter am Bonner Hauptbahnhof gesehen und auf Fotos identifiziert hätten. Nach der Befragung wurden die beiden jedoch schnell wieder auf freien Fuß gesetzt. Einige Tage später geriet eine weitere Person in das Visier der ErmittlerInnen. Der Tatverdächtige aus dem nordrhein-westfälischen Langen soll laut WDR „gute Verbindungen“ zum Terrornetzwerk al-Qaida unterhalten. Ob sich der Verdächtige zur Tatzeit am Bahnhof aufgehalten hat und ob er an der Planung und/oder Durchführung des Sprengstoffanschlags beteiligt war, ist noch immer unklar. Die Bundesanwaltschaft geht bei der Tat von einem islamistischen Hintergrund aus und hat die Ermittlungen übernommen. Aktuell wird nach mehreren Verdächtigen gefahndet.

Videoüberwachung und Konsequenzen

Medienberichten zufolge war der Sprengsatz gezündet worden, jedoch aufgrund eines Konstruktionsfehlers nicht explodiert. Die blaue Sporttasche, in der sich die Bombe befand, war am 10. Dezember 2012 auf einem Bahnsteig des Bonner Hauptbahnhofs abgestellt worden. Ein Sprengstoffkommando der Polizei entschärfte die Konstruktion schließlich. Zur Identifizierung möglicher Verdächtiger hofften die ErmittlerInnen auf verwertbares Videomaterial der Bahn zurückgreifen zu können. Ziemlich schnell zeigte sich jedoch, dass man von der Bahn keine Mitschnitte erhalten würde – die sieben Kameras des Bonner Hauptbahnhofs zeichneten nämlich weder auf, noch waren sie auf den Tatort gerichtet. Lediglich die Kamera eines sich am betroffenen Gleis befindlichen McDonalds lieferte verwertbares Material.
Als Konsequenz aus dem misslungenen Anschlag will Bundesinnenminister Friedrich (CSU) nun die Videoüberwachung in Deutschland ausweiten. „Die unfassbare Gewalttat auf dem Alexan­derplatz in Berlin und der Bombenfund in Bonn zeigen: Wir brauchen eine effizientere Videoüberwachung und Video­aufzeichnung auf öffentlichen Plätzen und Bahnhöfen“, sagte Friedrich dem SPIEGEL. Zuletzt war die Debatte um eine Ausweitung der bundesweiten Video­überwachung Mitte Oktober nach dem tödlichen Überfall auf einen Mann am Berliner Alexanderplatz entbrannt. Für Friedrich beste­he nun akuter „Handlungsbedarf“. Gerade auf öffentlichen Plätzen und Bahnhöfen müsse man technische Standards schaffen, um eine uneingeschränkte Videoüberwachung zu ermöglichen. Damit ließen sich „Gewalttäter abschrecken und Anschläge aufklären“, so der Minister. Unterstützt bei seinem Vorhaben wird der CSU-Politiker aus den eigenen Reihen. Auch der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) und Wolfgang Bosbach (CDU), Chef des Bundestags-Innenausschusses, äußerten sich in ähnlicher Weise.

Politischer Gegenwind

Gegenwind für sein Vorhaben erhält Friedrich nicht nur aus der Opposition – auch die FDP distanziert sich von den Plänen des Innenministers. FDP-Generalsekretär Döring äußerte gegenüber der WAZ, dass man aktuell „keine neue Debatte über Strafverschärfungen oder mehr Videoüberwachungen“ benötige. Michael Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, kritisierte Friedrichs Vorhaben und sagte, dass die Videoüberwachung allenfalls eine scheinbare Sicherheit suggeriere. Auch Volker Beck, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, äußerte sich zu den Plänen des Ministers und sagte gegenüber SPIEGEL ONLINE: „Die Totalüberwachung des öffentlichen Raums schafft nicht mehr Sicherheit“. Fest steht: der Sprengsatz in Bonn wurde gezündet. Mehr Kameras hätten daran wohl auch nichts geändert.
 

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