Ende der 90er Jahre schlug es hohe Wellen im Senat der Ruhr-Universität, als eine damals an der RUB sehr aktive Tierrechtsinitiative die Zahl der Tierversuche auf dem Campus auf 6.000 im Jahr schätzte. Wie der von 1987 bis 2008 als Tierschutzbeauftragter tätige Diplombiologe Dr. Falko von Stralendorff daraufhin im April 1998 der RUBENS-Redaktion mitteilte, wurden zu jener Zeit 70 deklarationspflichtige Tierversuchsreihen an der Ruhr-Uni durchgeführt. Nimmt man sämtliche gemäß der „Versuchstiermeldeverordnung“ für „wissenschaftliche Zwecke“ ‚verwendete‘ Wirbeltiere in den Blick, so stellen sich die Dimensionen aus der Sicht von TierversuchskritikerInnen aktuell wesentlich dramatischer dar als vor 14 Jahren: „Im Jahr 2010 waren das an der RUB insgesamt 12.537, davon 3.800 in genehmigungspflichtigen und 507 in anzeigepflichtigen Tierversuchen“, führt der seit 2008 amtierende Tierschutzbeauftragte Dr. Matthias Schmidt aus. „Im Jahr 2011 lauten die entsprechenden Zahlen insgesamt 16.258 – genehmigungspflichtig 3.810, anzeigepflichtig 924, für wissenschaftliche Zwecke getötet 11.524“, so Schmidt weiter.

Volle biologische Bandbreite

Auch wenn 96 Prozent der an der RUB ‚verbrauchten‘ Tiere Nager sind (66 % Mäuse, 30 % Ratten), ist die Bandbreite der hauptsächlich zu wissenschaftlichen Zwecken getöteten Tiere groß und schließt neben Fischen auch Krallenfrösche, Tauben, Hühner, Katzen und – bis vor einigen Monaten – Makaken ein. Größter ‚Tierverwender‘ auf dem Campus ist die Medizinische Fakultät, wo neben der Krebsforschung u. a. Therapien für diverse Infektionskrankheiten (z. B. HIV) und neurodegenerative Erkrankungen (z. B. Multiple Sklerose) entwickelt werden. Zudem laufen in den Fakultäten für Biologie und Biotechnologie, Chemie und Biochemie sowie Psychologie im Rahmen neurowissenschaftlicher Grundlagenforschung Tierversuchsreihen. Hierbei erwartet die „Versuchstiere, die in genehmigungspflichtigen Versuchsvorhaben verwendet werden“, überwiegend ein tödliches Schicksal: Sie „werden am Ende der Versuchsreihen in der Regel eingeschläfert, weil Organe oder Gewebeproben entnommen werden und histologisch, biochemisch oder molekularbiologisch weiterbearbeitet werden“, konstatiert Matthias Schmidt.    
Die alarmierende Zunahme des ‚Tierverbrauchs‘ zu (wissenschaftlichen) Versuchszwecken auf dem RUB-Campus in den letzten Jahren setzt einen langfristigen deutschlandweiten Trend auf diesem Gebiet bruchlos fort: „Wie sich im Tierschutzbericht 2011 der Bundesregierung nachlesen lässt, ist in der Bundesrepublik die Zahl der in der Grundlagenforschung verwendeten Tiere von 750.000 im Jahr 2004 auf 917.000 im Jahr 2009 angestiegen“, erläutert Matthias Schmidt. „Die Entwicklung der Zahlen bei Tieren, die für wissenschaftliche Zwecke getötet wurden, verläuft entsprechend: von 460.000 im Jahr 2004 auf 690.000 im Jahr 2009“, ergänzt der Tierschutzbeauftragte der RUB.

Tierversuchsalternativen
kaum angenommen

In der RUBENS Nr. 123 (4/2008) erklärte Matthias Schmidt zu seinem Amtsantritt, anregen zu wollen, „auf bestimmten Gebieten auch alternative Methoden“ an die Stelle des Tierversuchs treten zu lassen. Dies ist offensichtlich nur bedingt gelungen: „Wenn man die ‚nackten‘ Zahlen betrachtet, habe ich offensichtlich keinen Rückgang der ‚Tierquote‘ erwirken können. Allerdings sind die Möglichkeiten des Tierschutzbeauftragten auch dahingehend begrenzt, dass er nur beratend arbeitet, und daher nur indirekten Einfluss ausüben kann.“ Wenngleich der/die AntragstellerIn im Genehmigungsverfahren darlegen müsse, warum eine alternative Methode zum beantragten Tierversuch nicht verwendet werden könne, seien die Möglichkeiten der Einflussnahme begrenzt: „Der Tierschutzbeauftragte kann nur Vorschläge für sogenannte ‚alternative Methoden‘ machen. Ob sie tatsächlich angewendet werden, entscheidet der Forscher.“ 

Ende der Affenfolter
ohne happy end

Als Teilerfolg kann aus der Sicht von TierversuchsgegnerInnen gewertet werden, dass zumindest die besonders grausamen Affenversuche an der Ruhr-Universität inzwischen eingestellt wurden: Im Zuge neurobiologischer Reiz-Reaktionstests waren Rhesus-Affen, eine Primatenart aus der Gattung der meerkatzenähnlichen Makaken, in jahrelangen quälenden Versuchsreihen Elektroden durch die offene Schädeldecke ins Hirn implantiert und die Tiere durch Flüssigkeitsentzug zur Kooperation gezwungen worden – so beschreibt die bundesweite Vereinigung „Ärzte gegen Tierversuche“ den standardisierten Versuchsablauf. Der Abschluss der Experimentreihe sei jedoch „nicht das Ergebnis ‚monatelanger Auseinandersetzung einer Gruppe von Tierversuchsgegnern mit der Genehmigungsbehörde‘, sondern erfolgte aus rein wissenschaftlichen Gründen“, so der Tierversuchsbeauftragte der RUB. Doch auch für die verbliebenen Rhesusaffen gab es kein ‚happy end‘: Die Tiere wurden „mit Beendigung der individuellen Messreihen eingeschläfert und die im Anschluss entnommenen Organ- und Gewebeproben für weiterführende Untersuchungen verwendet“, bilanziert der Beauftragte nüchtern die tödliche Mission.

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