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Feminismus ist für alle da: Leserinnen wie Leser sind bei Lieselle willkommen. Foto: mh.

 :bsz Eine eigene Frauenbibliothek an der RUB, wie kam es dazu?
Anna Schiff: 1978 wurde die Bibliothek als Protestaktion gegründet, da einige Studentinnen nicht damit einverstanden waren, wie unreflektiert über Hexenprozesse in einer Vorlesung gesprochen wurde. Sie wollten einen Ort schaffen, an dem die Frauenbewegung und Frauengeschichte dokumentiert wird. Es ging ihnen darum, Wissen nicht nur zu sammeln, sondern auch weiterzugeben. Das Projekt wurde so groß, dass es „nebenbei“ nicht mehr zu stemmen war und so entstand aus der Archivierung und Bücherverwaltung die reine Leihücherei Leihse, die seit einiger Zeit Lieselle heißt. Die Archivalien wurden aus organisatorischen Gründen dem Bochumer Frauenarchiv AusZeiten gegeben. Wir sind aber studentisch geblieben, darum werden wir auch durch den AStA finanziert, wofür wir sehr dankbar sind.

Was ist alles in Eurem Bestand?
Tausende von Büchern zur Frauen- und Geschlechtergeschichte und viele feministische Zeitschriften, wie z.B. die seit 30 Jahren erscheinende „Wir Frauen“. Wir haben auch zahlreiche Abschluss-arbeiten von Studierenden. Diese nehmen wir auch sehr gerne weiterhin entgegen und in den Bestand auf. Wir sind ein Sammelzentrum für Bücher zu Frauen- bzw. Genderthemen, von den Anfängen der Frauenbewegung bis heute, mit einem sehr breiten Spektrum, das zum einen Fachbücher etwa aus der Soziologie, Geschichte, Medien- oder Politikwissenschaft umfasst und zum anderen Romane, Krimis etc. Bei uns finden sich viele Exemplare, die es an der RUB sonst nicht gibt, die bereits vergriffen sind und KlassikerInnen. Außerdem bemühen wir uns nach Möglichkeit, wenn Bücher eingestellt werden, Restbestände in unseren Bestand aufzunehmen und wir haben einige Filme. Anregungen sind uns immer willkommen.
Wenn Studierende oder DoktorandInnen z.B. Bücher benötigen, die es nicht in der Uni-Bibliothek gibt, bestellen wir auch gerne auf Anfrage – natürlich muss die Literatur thematisch zu unserer Bücherei passen und wir müssen gerade über ein Budget verfügen.
Und wir sind keine Brutstätte für Alice Schwarzer-Bücher, das denken ja alle – aber ihre Werke sind natürlich im Bestand (lacht). Wir bestellen alles, was relevant für uns erscheint – ob wir persönlich eineR AutorIn zustimmen oder nicht. Da Lieselle ein breites Spektrum zur Frauen- und Geschlechterforschung anbieten möchte, geben wir keine Meinung vor.

Wie sieht Eure Arbeit konkret aus?
Wir sind vier Mitarbeiterinnen und ein sehr gut eingespieltes Team. Das ist vor allem von Bedeutung, da wir vor einem Jahr umziehen mussten, von FNO nach GA. Alle signierten Bücher ein- und wieder auszupacken, das war schon eine logistische Herausforderung. Aber normalerwiese besteht unsere Arbeit darin, Bücher zu signieren, die Ausleihe zu organisieren und den Katalog zu verwalten. Parallel zu der alltäglichen Arbeit planen wir Veranstaltungen, oft mit anderen Gruppen zusammen.

Welche Kooperationen habt Ihr?
Wir kooperieren z.B. mit dem Frauen- und Lesbenreferat, mit der Gleichstellungsstelle und mit dem AusZeiten-Archiv. Aber wenn Studierende Vorschläge haben, um Referierende einzuladen oder andere Veranstaltungen zu machen, dann sind wir offen für Anregungen und setzen diese gerne um.
So hatten wir etwa eine Lesung mit der niederländischen Autorin Myrthe Hilkens (Autorin des Buches „McSex. Die Pornofizierung der Gesellschaft“, Anm. d. Red.). Als Margot Käßmann Gastprofessorin war, haben wir sie eingeladen und wir zeigen auch Filme, wie z.B. „The Hours“.

Und die Veranstaltungen richten sich an Frauen und Männer?
Ja klar, so wie unsere Bibliothek. Bei „intimen“ Themen allerdings behalten wir es uns vor, eine Veranstaltung nur für Frauen zu machen.

Das heißt, es leihen auch Frauen und Männer bei Euch aus?
Hauptsächlich Frauen. Aber alle Menschen sind und waren bei uns willkommen. Seit diesem Semester gibt es deshalb zum ersten Mal eine gemischte Öffnungszeit für Männer und Frauen. Das heißt nicht, dass Männer vorher nicht zu uns gedurft hätten, wie es manchmal behauptet wird, im Gegenteil. Aber da die Bibliothek ein Raum war, den sich Frauen erkämpft haben und der ihnen auch als Vernetzungsort dienen sollte, war es uns immer wichtig, spontan die anwesenden Frauen (und diejenigen die sich als solche fühlen) zu fragen, ob es ok wäre, wenn ein Mann reinkommt. Das ist alles. Wenn die Nachfrage der männlichen Besucher in Zukunft steigt, werden wir auch mehr gemischte Öffnungszeiten anbieten.

Und wie oft musstest Du bisher einen Mann abweisen, da eine Frau etwas dagegen hatte wenn er reinkäme?
Bisher noch nie (lacht), es hat keinen interessiert, zu uns zu kommen. Darum verstehe ich die Aufregung auch nicht, dass wir nicht eher eine gemischte Öffnungszeit angeboten haben.
Die Frauenbewegung ist eine junge Bewegung, die noch viel zu erreichen hat. Wir möchten die bestehende Tradition fortführen, an das, was die Frauen vor uns errungen haben, anknüpfen. Es geht bei einem Frauenraum über die Literatur hinaus um Kontakte und Vernetzungen; Lieselle ist auch ein Ort um sich auszutauschen. Und „für Frauen“ heißt ja nicht automatisch „gegen Männer“. Aber natürlich sehen wir Dinge heute anders. Vor einigen Jahren waren Bücher zu Pornographie unter „Gewalt“ eingeordnet, heute stehen sie unter „Medien“. Die Räume wurden von Frauen für Frauen erkämpft, die geben wir doch nicht einfach auf!
Aktuell überlegen wir, eine Führung für Männer anzubieten, um Vorurteile abzubauen. Wir freuen uns über jede neue Entleiherin und jeden neuen Entleiher – ob StudentIn oder nicht. Ich glaube, viele wissen gar nicht, was für ein toller Ort wir sind!

Wer sich davon überzeugen will, kann zu folgenden Zeiten die Bibliothek aufsuchen: Montag 10-13 Uhr, Mittwoch 10-13 Uhr (gemischte Öffnung) und Freitag 9-12 Uhr
GA 02/60 – am Ende des Flurs
Kontakt: frauenarchiv@rub.de

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