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Mit dem Verbot der Studierendenschaften in den 1970er Jahren wurden die ASten in Baden-Württemberg zu reinen Uni-Gremien, denen es seitdem verboten ist, sich politisch zu äußern. Die politische Interessensvertretung musste von provisorischen unabhängigen ASten, sogenannten u-ASten übernommen werden, die bis heute zum Beispiel von gemeinnützigen Vereinen getragen werden. Nun kann diese Notlösung aufgegeben werden.

Mehr Demokratie

„Endlich ist es soweit“, freut sich Lennart Lein, Vorstandsmitglied des u-AstA in Freiburg. „Nach viel zu langer Zeit der Unmündigkeit werden wir auch ohne ein u-Modell wieder sinnvolle Hochschulpolitik machen können“. Die Zeit des „mundtoten AStAs“ sei nun vorbei. „Der AStA war bisher nur eine Verwaltungseinheit, die dem Rektor untersteht, ohne Finanzautonomie“, sagt Lein der bsz. „Der Studierendenvertretung war es untersagt, sich politisch – sogar hochschulpolitisch zu äußern“. Gerade in Bildungsstreikzeiten habe dies zu Frustrationen geführt. „Wenn ich als Mitglied des AStAs gesagt hätte: ‚Ich finde Studiengebühren doof‘, hätte ich dafür verklagt werden können“, so Lein.

Studierendenvertretung als Linksterrorismus

Das Verbot der Verfassten Studierendenschaft hatte die CDU damals mit harten Vorwürfen durchgesetzt. „Da gibt es dieses berühmte Zitat des ehemaligen NS-Marinerichters und damaligen Ministerpräsidenten Hans Filbinger. Auf dem Höhepunkt des Deutschen Herbstes wollte er ‚den Sympathisanten-Sumpf des Terrorismus trockenlegen‘“, sagt Lein. Diesen verortete er offensichtlich an den Unis des Landes.
Ab 2013 also haben die Studierenden in Baden-Württemberg nun wieder die gleichen Rechte wie in den meisten anderen Bundesländern auch. Die Verfassten Studierendenschaften, die sich nun gründen werden, können für ihre Aufgaben dann auch im Ländle selbständig einen Beitrag erheben, der sie unabhängig von dem Wohlwollen des Rektors macht – eine wichtige Grundlage für effektive Interessensvertretung.“ Damit sind demokratische Mindeststandards wieder hergestellt – nach 35 Jahren“, sagt Lein.

Kleine Unis in Bedrängnis

Doch es gibt auch Kritik an dem neuen Gesetz, das an die neu zu gründenden Studierendenschaften höhere Anforderungen stellt als in vielen anderen Bundesländern. „Zum Beispiel sieht das Gesetz einen Haushaltsbeauftragten vor, der von der Studierendenschaft eingestellt werden muss“, bemängelt Lein. Dieser solle die Finanzen mitverwalten. „Die hauptamtlichen Finanzbeauftragten müssen eine relativ hohe Qualifikation erfüllen und kosten viel Geld. Das ist gerade für kleinere Hochschulen ein Problem.“ Für die Musikhochschule in Trossingen zum Beispiel, die nur etwa 470 Studierende hat, stellt die Regelung zum Beispiel eine die Regelung eine deutlich höhere Belastung dar als für die großen Universitäten.

Dennoch, das sind sich die meisten StudierendenvertreterInnen einig: Die Neuerung ist ein erster, gar nicht mal kleiner Schritt hin zu einer etwas demokratischeren Hochschule. Damit erfüllt der grüne Ministerpräsident Ernst Kretschmer nach dem historischen Regierungswechsel in Baden-Württemberg ein Wahlversprechen, das symbolisiert: Der kalte Krieg ist vorbei. Abgeschafft durch einen antikommunistischen ehemaligen NS-Funktionär, fällt die Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft in die Regierungszeit eines Ministerpräsidenten, der einst als Mitglied des Kommunistischen Bundes Westdeutschland selbst vom Berufsverbot bedroht wurde.

„Verirrung hat ein Ende“

Erstmals seit 35 Jahren werden an den baden-württembergischen Hochschulen im kommenden Jahr also Wahlen innerhalb der Verfassten Studierendenschaften anstehen. Über die politische Ausrichtung könne man noch keine sichere Prognose wagen, sagt Lein. Man wisse schlicht nicht, „wohin die Studierenden, die bislang den u-Asta unterstützt haben, politisch wandern werden.“ Konservative Kräfte seien bisher allerdings deutlich in der Minderheit.
Damit ist Bayern das letzte Bundesland ohne ordentliche Studierendenvertretung. Bereits 1973 wurde dort der AStA durch einen „Studentischen Konvent“ sowie einen „Sprecherrat“ ersetzt. Dieser hatte aber, wie in Baden-Württemberg, keine Satzungs- und Beitragshoheit. Solange Bayern fest in CSU-Hand ist, ist wohl keine vergleichbare Reform in Sicht.

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