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Für Hanna Ackermann vom Duisburger Friedensforum ist die Welt ziemlich einfach: Die Pälästinenser*innen sind ausschließlich Opfer, Israel und die USA sind dagegen die bösen Aggressoren schlechthin – und sobald sich einer was traut, so wie Günter Grass, stürze sich gleich eine „keifende Meute“ auf ihn. Tabubruch, Antisemitismus-Keule, das sind die Kategorien, in denen hier heute argumentiert wird. Auch eine Prise Geschichtsrevisionismus darf nicht fehlen, wenn am Ostersamstag der Nahost-Konflikt für eine urdeutsche Auseinandersetzung dienstbar gemacht wird: „Die Israelis sind – auch im Fall eines Angriffs gegen den Iran und vor dem Hintergrund der mörderischen Unterdrückung der Palästinenser – genauso wenig ein Volk der Täter wie es die Deutschen sind“, ruft Ackermann von der Ladefläche des gemieteten LKW auf den weitgehend leeren Platz. Währenddessen verteilen Aktivist*innen des Friedensforums Kopien des Grass-Gedichts „Was gesagt werden muss“. Wer so eine Friedensbewegung hat, braucht tatsächlich keine Kriege mehr zur moralischen Verwüstung.

Ja, hier gehören sie hin, die Verschwörungsrapper der Duisburger Hip-Hop-Combo ‚Die Bandbreite’ – sowohl ästhetisch als auch inhaltlich. Denn Sänger Marcel ‚Wojna’ Wojnarowicz und sein Kollege DJ Torben fühlen sich als mindestens ebenso große Opfer politischer Verfolgung wie Günter Grass: „Für diese Hexenjagt zeichnet sich kein Ende ab, weil es damals den Song von uns über den 11. September gab“, holpert Wojna im Takt zu Beats aus dem Laptop, und auch sonst rappen die beiden ganz im Geiste des alten Literatur-Recken: „Darum nennen sie mich einen Antisemit, doch ich schwör, dass ich jeden meiner jüdischen Brüder lieb’. […] Halbwahrheiten, gleichgeschaltet […] Und so werden sie geblendet, beugen sich dem Druck der Massen, nur weil ein paar Fanatiker Flyer gegen uns drucken lassen.“
„Sie“, das ist in diesem Fall wohl jener Teil der Friedensbewegung, der die Einladung der Verschwörungs-Rapper massiv kritisiert hat. So etwa die Organisator*innen der Bochumer Ostermarsch-Etappe. In einer Erklärung hat das soziokulturelle Zentrum Bahnhof Langendreer bereits im Vorfeld mitgeteilt, dass der Auftritt emanzipatorischen Anliegen absolut widerspreche: „Wir finden, dass eine solche Veranstaltung im Ostermarsch keinen Platz finden sollte und distanzieren uns ausdrücklich von diesem Teil des Ostermarschprogramms!“

Reaktionäre Diskurse

Tatsächlich stellen sich die Duisburger Ostermarsch-Organisator*innen nicht nur durch ihren eigenen Redebeitrag, sondern auch durch die Einladung der ‚Bandbreite’ in eine höchst zweifelhafte Gesellschaft. Denn die Band lässt sich sonst vor allem von der verschwörungstheoretischen ‚Wahrheits-Bewegung’ feiern und verbreitet deren krude Thesen in ihren Songs. (Die bsz berichtete.) Ein Charakteristikum dieser Bewegung ist außerdem, dass sie mit scheinbar kritischem Duktus ein Feld für reaktionäre Diskurse öffnet. Und genau hierfür ist ‚Die Bandbreite’ ein Paradebeispiel. So trat das Duisburger Hip-Hop-Duo im vergangenen Sommer unter anderem im Schweizer St. Moritz auf einer „Anti-Bilderberger-Konferenz“ auf, in deren Programm auch mehrere Politiker der rechtsaußen-Partei SVP gegen die vermeintliche Verschwörung der Mächtigen ins Feld ziehen durften. Im Jahr davor performten Wojna und DJ Torben sogar auf dem verschwörungstheoretischen Anti-Zensur-Kongress (AZK) von Ivo Sasek, dem Gründer der evangelikal-esoterischen Organischen Christus-Generation (OCG). Seit Jahren dient die Konferenz vor allem Vertreter*innen von rechter Esoterik und Geschichtsrevisionismus als Bühne, etwa Befürworter*innen der „Neuen germanischen Medizin“, dem bekannten schweizer Holocaust-Leugner Bernhard Schaub und dem extrem rechten ehemaligen Generalmajor der Bundeswehr Gerd Schultze-Rhonhof. Der revisionistische Autor ist hauptsächlich damit beschäftigt, die Kriegsschuld Nazideutschlands am Zweiten Weltkrieg zu relativieren. Verständlich, dass Teile der Friedensbewegung die Einladung der ‚Bandbreite’ zur Ostermarsch-Auftaktveranstaltung vor diesem Hintergrund als Provokation verstehen.

„Wir unterstützen weiterhin ernsthafte friedenspolitische Arbeit, gleichzeitig erwarten wir von Initiativen der Friedensbewegung, die sich als emanzipatorisch verstehen, dass sie sich von verschwörungstheoretischen, anti-emanzipatorischen, nach rechts offenen politischen Positionen deutlich abgrenzen“, erklären die Organisator*nnen des Bochumer Ostermarsch-Programms. Auch aus den Reihen des Bochumer Friedensplenums gab es Kritik, allerdings fand nach eigenen Angaben vor dem Ostermarsch kein Plenumstreffen mehr statt, um eine gemeinsame Stellungnahme zu beschließen.

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