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In den vergangenen zwei Jahren hat die rot-grüne Landesregierung mit einer Stimme zu wenig im Landtag regiert. Für alle Gesetzesvorhaben oder den Haushalt benötigte Rot-Grün eine Stimme aus der Opposition oder zumindest die Enthaltung einzelner Abgeordneter. Die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat mit wechselnden Mehrheiten regiert und aus der Not eine Tugend gemacht. Das Verhältnis zwischen allen Fraktionen wirkte sehr kollegial und offen. Je nach Themengebiet arbeitete Rot-Grün mit einer anderen Fraktion zusammen. Mit der Linken schaffte Rot-Grün die Studiengebühren ab, mit der CDU beschloss die Minderheitsregierung ein Schulgesetz und selbst die FDP stimmte gelegentlich zu.

Das liebe Geld

Wie so häufig ging es auch in diesem Fall ums Geld. Der Nachtragshaushalt 2010 wurde bereits vom Landesverfassungsgericht gestoppt. Obwohl kein einziger Euro von Rot-Grün ausgegeben wurde, gingen CDU und FDP auf die Barrikaden gegen ihren eigenen Haushalt. Beim Haushalt 2011 stimmte die Linke zu, obwohl sie sich eigentlich enthalten wollte. Auch für den Haushalt 2012 stand die Landesregierung in intensiven Gesprächen mit Linken und FDP. Eine der beiden Fraktionen wollte sich enthalten, um den Haushalt passieren zu lassen. Jedoch durchkreuzte die Landtagsverwaltung den Plan. Normalerweise hat ein Haushalt ein Dreilesungsverfahren: In der ersten Lesung wird über Grundsätzliches gesprochen, in der zweiten Lesung über jedes einzelne Ressort abgestimmt und in der dritten über den ganzen Haushalt. FDP oder Linke wollten sich in der dritten Lesung enthalten, jedoch entschied die Landtagsverwaltung, dass auch in der zweiten Lesung alle Ressorts eine Mehrheit benötigen. Obwohl weder Linke noch FDP eigene Anträge zum Haushalt eingereicht hatten, stimmten sie – zusammen mit der CDU – gegen den Einzelplan des Innenressorts. Damit wurde dieser abgelehnt. Nach einer kurzen Pause stimmte der Landtag NRW einstimmig seiner Auflösung zu.
Für die Freidemokrat_innenen könnte die Ablehnung des rot-grünen Haushalts schwerwiegende Folgen haben. Obwohl der ehemalige FDP-Generalsekretär Christian Lindner wie Phönix aus der Asche zum neuen Spitzenkandidaten und Landesvorsitzenden ausgerufen wurde, dürfte die FDP deutlich an der Fünfprozenthürde scheitern. Das Aus der Freidemokraten im größten Bundesland könnte auch bundespolitische Folgen haben. Ob Philipp Rösler dann noch als Bundesvorsitzender und Vizekanzler zu halten sein wird, ist mehr als fraglich. Dann dürfte die FDP vor dem endgültigen Chaos stehen. Auch für die Linke wird es eng werden; der als besonders chaotisch geltende Landesverband hat sich in den letzten Monaten stabilisiert und sehr konstruktiv mit der Landesregierung zusammengearbeitet. Laut Umfragen könnte die Linke ebenfalls an der Fünfprozenthürde scheitern. Jetzt dürfte wieder die Diskussion beginnen, ob sich die Linke auf reine Oppositionspolitik konzentrieren soll. Vorsorglich hat die Linke bereits ein rot-rot-grünes Bündnis ausgeschlossen. Anders sieht es für die nordrhein-westfälischen Piraten aus. Laut Umfragen können sie auf den Einzug in Deutschlands größtes Landesparlament hoffen. Der Landesverband der Piraten zählt mittlerweile über 3.500 Mitglieder und ihre Kampagnenfähigkeit dürfte recht gut sein. Die einzige Frage, die sich die Piraten stellen, ist, ob die Wahl nicht zu früh kommt. Ein Landtagswahlprogramm dürfte wohl noch für einige Kontroversen sorgen und auch die Listenaufstellung könnte Überraschungen hervorbringen. Die politische Richtung ist immer noch nicht deutlich. Um die aussichtsreichen Listenplätze streiten sich nicht nur netzaffine Menschen, sondern auch Ex-Grüne, Ex-Linke, Ex-FDPler_innen, radikale Evangelikale, Scientolog_innen und (Ex-)Rechte.

Rot-grüne Mehrheit

Es ist sehr wahrscheinlich, dass SPD und Grüne zusammen eine deutliche Mehrheit erringen werden. Beide Parteien haben bereits angekündigt, dass sie ihre Koalition fortsetzen wollen. Der CDU-Landesvorsitzende und Bundesumweltminister Norbert Röttgen buhlt derweil um Grüne und SPD. Jedoch muss auch ihm klar sein, dass die CDU wahrscheinlich in der Opposition landen wird. Sollte Röttgen nicht Ministerpräsident werden, wird er wohl lieber in Berlin bleiben; konkreten Fragen dazu wich er bislang aus. Das werden ihm die Wähler_innen bestimmt übel nehmen. Ob die Landtagswahl auch ein Barometer für die Bundestagswahl 2013 sein wird, wird die Analyst_innen nach dem 13. Mai sehr beschäftigen.

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