„Anna Kpok steht im Aufzug und sagt: Jetzt.“ Auf die Suche nach der Ebene 00 begab sich vergangene Woche die Theatergruppe „Anna Kpok“. Einen ganzen Tag lang besetzte sie sämtliche Aufzüge auf der Nordseite des GB-Gebäudes. Angekündigt hatte die Gruppe eine „performative Intervention mit Büchern, Schreibtischen, Fahrgästen, Fußmatten, Kopfhörern, Spiegeln, Leuchtknöpfen“. Ziel ihrer Aktion war es, die gängigen Zeit- und Raumerfahrungen aufzubrechen und die zugrunde liegenden Konzepte zu hinterfragen.
Alle durch
Der Boden des Aufzugs ist mit Teppich ausgelegt und gemütlich hergerichtet. Dort, wo es sonst schon eng wird, ist nun noch weniger Platz. Aber das stört niemanden. Alle Fahrgäste rücken zusammen und schauen der Vorleserin über die Schulter. „Was lesen Sie denn da? Gerade war ich in einem Aufzug, in dem jemand an seiner Diplomarbeit schrieb. Ich glaube, ich habe jetzt alle einmal durch“, sagt eine Frau, die gerade zusteigt. Eine andere entgegnet ihr: „Waren Sie schon in dem Aufzug, in dem Musik gemacht wird? Da ist es total witzig. Aber ich habe mich zuerst ganz schön erschrocken.“ Wer am vergangenen Donnerstag zwischen 9.45 Uhr und 16 Uhr einen Fahrstuhl in GB benutzt hat, war darin mit Sicherheit nicht alleine. Der Ansager drückte die Knöpfe und informierte über die gewünschten Etagen. Die Vorleserin las laut, meist mit Publikum. Nebenan blieb den Fahrstuhlgästen nur noch die Wahl zwischen Musikeinlage mit Trommeln oder angestrengter Schreibarbeit.
Wer ist Anna Kpok?
Aufgekommen ist die Idee im Zusammenhang mit dem Film „Drei Künstler – keine Zeit“ von Christian Franke, Nicole Hübner und Anna Storm. Der war im Rahmen des Projektmoduls “Gedankenexperimente” unter der Leitung von Stefan Rieger entstanden, der derzeit eine Professur für Mediengeschichte und Kommunikationstheorie an der RUB inne hat. Die für die Fahrstuhl-Performance verantwortliche Gruppe „Anna Kpok“ hat sich bereits 2009 gegründet und tritt regelmäßig unter wechselnder Besetzung mit Theater und Performances auf. Daran beteiligt sind hauptsächlich Studierende der Theaterwissenschaft der RUB. Ihr Name ist ein Pseudonym, das auf die Gründungsmitglieder verweist.
Der Ansager
Plötzlich öffnen sich die Türen und in rot-goldener Uniform steht der Ansager vor den Fahrstuhlgästen. Freundlich flötet er ihnen entgegen: „Guten Tag, die Dame. Guten Tag. der Herr. Wo darf es denn hingehen?“ Den Knopf für die gewünschte Etage drückt hier heute niemand selbst. Denn dafür und für eine außerordentlich fröhliche Stimmung sorgt der Ansager. „So. Da wären wir. Ebene 06. Hier finden Sie das Englische Seminar. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag.“ Es ist doch irgendwie erleichternd, dass der Ansager (anders als der Liftboy in „Kuttel-Daddeldu“ von Joachim Ringelnatz) während seines Dienstes nie sagen musste: „Meine Damen, bitte schön! Zwischenstock! Abteilung Knochen und Leder!“ Die Ebene 00 aber hat an diesem Tag übrigens noch immer niemand gefunden.
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