Ich frage mich, was sind das für Menschen, die auf Spielemessen gehen? Zum einen sicherlich Kinder. Aber welches Kind möchte schon gerne den ganzen Tag durch neonbeleuchtete Messehallen laufen? Neinnein, den Kindern würde auch sicherlich ein gewinnbringender Einkauf im Spielwarengeschäft reichen. Die wahren Antreiber auf Spielemessen sind doch die Eltern. Vollbartträger und Frauen mit mittellangen Haaren. Alle mit Jeans, die etwas zu kurz sind, so dass man die Tennissocken sehen kann. Auf der Messe führt man dann wohl Gespräche unter sich. Etwa über Trends in der Szene: „Diese neue Welle an Bauernhofmetapherspielen führt doch zu nichts.“
Brettspiele haben den Ruf des ehrlichen, bodenständigen, pädagogisch Wertvollen. So wie Wollpullover oder ungesüßter Früchtetee. Schon das Material aus Pappe, Papier und Holzfiguren trägt etwas Reaktionär-Utopisches in sich. Gesellschaftsspiele sind quasi der Dünger, auf dem Lehrerkinder wachsen. Aber ich habe noch nie verstanden was an „Hurra, eine 5! Da komm ich auf das Zieh-eine-Karte-Feld“ erkenntnisbringender als an einem Computer-Ballerspiel sein soll. Bei letzterem schult man wenigstens seine Hand-Augen-Koordination. Wenn ich mal eine Bypass-Operation brauche, hoffe ich, dass der Chirurg in seiner Kindheit eine Xbox hatte und nicht „Das verrückte Labyrinth“.
Auch in meinem erweiterten Bekanntenkreis gibt es Menschen, die „Lasst uns doch etwas spielen“ vorschlagen, wenn man einen Abend zufällig am gleichen Ort verbringt. Diese Bitte ist meistens mit solch einer naiven Unschuld vorgetragen, dass man nicht mit dem gebührendem Zynismus und Bitterkeit antworten kann. Und statt die Zeit angemessen mit Alkohol und gegenseitigen Beleidigungen zu verbringen, muss dann gespielt werden. Oft mit Rohkost und fettarmem Dip.
Zunächst wird sich über das Spiel gestritten. Es gibt nämlich auch unter Spielern und Spielerinnen verschiedene Typen. Die Hardcore-Fraktion hat alle Erweiterungen zu „Die Siedler von Catan“ und will eigentlich nie was anderes spielen. Leute, die auf „Trivial Pursuit“ und dergleichen beharren, sind meist die Klugscheißer in der Gruppe. Aber wenn man das Spiel schon sechsmal gespielt hat, hat man auswendig gelernt, wer 1988 die Goldmedaille im 100-Meter-Sprinten gewonnen hat. Zu guter Letzt gibt es noch hoffnungslos Verliebte. Meine persönliche Feldforschung hat ergeben, dass 65% aller Spieleabende in der Bundesrepublik nur durchgeführt werden, damit Paare Zeit totschlagen können und Möchtegern-Pärchen endlich, endlich zusammenfinden. Diese Verzweiflungssingles schlagen dann meistens Aktionsspiele mit Scharaden vor. Das endet darin, dass irgendein komischer Typ versucht, ein Mädchen durchzukitzeln. Das ist peinlich für alle Anwesenden.

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