Die Szene kommt einem bekannt vor: Auf dem Bahnsteig in Langendreer nähert sich eine Gruppe von zehn bis 15 Personen einer weiteren, kleineren Gruppe. Wortgefechte, dann der erste Schlag. Am Ende haben die Opfer Brüche und Platzwunden. Diese Episode wäre, so es sich bei den AngreiferInnen um zum Beispiel Araber gehandelt hätte, ein gefundenes Fressen für die (konservativen) Medien. Statt „U-Bahnschläger“ kreischte man dann „S-Bahnschläger“, ein Sturm der Entrüstung würde sich in den Medien entladen. Eine neue Debatte über, man kann es nicht mehr hören, Integration stünde am Anfang einer langen und fruchtlosen Diskussion über „Migrantengewalt“ und die Verkommenheit der Jugend. Da es sich hier aber um  teils bekannte Neonazis handelte, blieben die Reaktionen spärlich. Dabei war das Vorgehen äußerst brutal: Die Opfer wurden, nach Aussagen örtlicher AntifaschistInnen, zusammengetreten. Dann, wenige Minuten bevor der Zug einfuhr, sollen die Nazis ihre Opfer sogar in das Gleisbett geschubst haben. Einer der Betroffenen konnte sich losreißen und Hilfe holen. Bei der Rückkehr allerdings hatte sich der braune Mob wieder entfernt. Dieser zog dann, nach Aussagen von AnwohnerInnen, durch das nächtliche Langendreer und skandierte Parolen wie „Frei, Sozial und National“. Außerdem sollen Feuerwerkskörper gezündet worden sein.

 

Die ProtagonistInnen sind bekannt

Einer der Hauptakteure der neuen Naziszene in Langendreer ist der Skinhead Daniel E. Dieser ist einer der MieterInnen in der Alten Bahnhofstraße, er soll seine Wohnung des öfteren für rechte Saufgelage mit anschließendem Stadtschreck-Spielen zu Verfügung stellen. So hätten die Nazis auch in jener Nacht den Abend in seiner Wohnung promillelastig ausklingen lassen. Antifaschistische Gruppen sind schon seit längerem aufmerksam auf E. geworden. Dieser hat offenbar Probleme sich zu entscheiden, bei welcher Nazi-Spielart er Bestätigung suchen soll. So sieht man ihn, der äußerlich das Klischee des Naziskins erfüllt, auf Veranstaltungen diverser Nazi-Spektren. Er nahm teil an dem sogenannten „Nationalen Antikriegstag“ in Dortmund, bei dem die „freien Kameradschaften“ stark vertreten waren. Dann wiederum ist er auf einer Demonstration in Bad Nenndorf gesehen worden, welche das Spektrum der „Autonomen Nationalisten“ anzieht. Auch an Veranstaltungen der NPD, wie etwa im Juni dieses Jahres, nimmt Daniel E. teil.

An dieser Umtriebigkeit lässt sich ablesen, wie ernst die Lage in Langendreer ist. Nazigegnerinnen aus der Initiative „Langendreer gegen Nazis“ berichten, dass immer wieder Autos mit auswärtigem Kennzeichen vor der Tür des Nazis parken. Auch sollen einschlägig bekannte Neonazis aus Dortmund oftmals bei ihm vorbeischauen.

Nazis prügeln, der Staat schaut weg

In Langendreer scharren einige bereits mit den Hufen. Sie wollen den braunen Dreck nicht mehr länger hinnehmen, die Pöbeleien finden nicht nur im Schutze der Nacht, sondern auch ganz offen tagsüber statt. Dies war bis vor ein paar Monaten in Langendreer undenkbar. Wütend ist man hier auch auf die Ignoranz der Politik, diese verharmlose und relativiere die Vorfälle stets als „Prügelei unter Jugendlichen“.

Auch seien Politik und Justiz häufig auf dem rechten Auge blind. So zögen neonazistische Straftaten selten ernsthafte Ermittlungen nach sich, während linke AktivistInnen regelmäßig von Repression betroffen seien. Dies wird auch deutlich am Beispiel des sogenannten „Pappnasen-Prozess“, welcher eine Welle der Solidarität hervorrief. Ein Aktivist muss sich vor Gericht verantworten, da er Zeuge einer rassistischen Personenkontrolle durch vier Bundespolizisten wurde und protestierte. Die Beamten fühlten sich durch die Kritik offenbar beleidigt und beschuldigen den Aktivisten jetzt, sie unter anderem als „Pappnasen“ und „Hampelmänner“ beschimpft zu haben. Der Angeklagte bestreitet dies. Allerdings ist der staatliche Übereifer bemerkenswert, mit dem hier eine Lappalie zur Staatsaffäre stilisiert wird. Die Opfer neonazistischer Gewalt in Langendreer dürften dafür eher wenig Verständnis haben.

Wie es also weitergeht in Langendreer wird man sehen. Dass sich Daniel E. und seine rechten FreundInnen von alleine den bunten Stadtteil verlassen, ist nicht abzusehen.

Verfasserin der Redaktion bekannt.

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