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Die Polizei versucht, die Demonstrationen mithilfe von Wasserwerfern und zahlreichen Festnahmen zu unterbinden. Ende August wurde ein 16-Jähriger Demonstrant von einem Polizisten erschossen.  
Trotz positiver Bilanzen der chilenischen Wirtschaft hat sich eine Welle des Protests gegen soziale Ungleichheit und gegen die rechtsliberale Regierung unter Präsident Sebastian Piñera entwickelt. Bereits 2006 gab es tagelange Demonstrationen von SchülerInnen in Chile, die blutig niedergeschlagen wurden. Die damalige Regierungspräsidentin Michelle Bachelet versprach eine Schulreform, die allen SchülerInnen in Chile eine gute Ausbildung garantieren sollte. Die SchülerInnen von 2006 sind die Studierenden von heute. Die Versprechen von damals wurden offenbar nicht umgesetzt. Die damals regierende Sozialistische Partei hätte für eine Schulreform Stimmen der Rechtspartei benötigt, die sich aber gegen ein neues Gesetz aussprach.

Bildungssystem

Das gegenwärtige Bildungs- und Erziehungssystem Chiles ist noch unter der Militärdiktatur Augusto Pinochets implementiert worden. So gilt die unter Pinochet festgelegte Selbstfinanzierung der Bildungseinrichtungen bis heute. In Chile gibt es private und staatliche Universitäten. Da sich aber auch die staatlichen Hochschulen selbst finanzieren müssen, liegen die Studiengebühren für beide Universitätsformen bei durchschnittlich 6.000 Euro pro Jahr. Das durchschnittliche Monatseinkommen liegt im Vergleich dazu bei 263 Euro im Monat. Obwohl Chiles Wirtschaft in den letzten Jahres stabil und ertragreich war, gibt der Staat nur weniger als ein Prozent des Staatsetats für Bildung aus. Für besonderen Ärger sorgen die Verwicklung der finanziellen Interessen einzelner Regierungsmitglieder. So ist etwa Joaquin Lavin, der ehemalige Erziehungsminister, Eigentümer einer Privatuniversität. Seit Juli diesen Jahres ist er Planungsminister. Auch andere Regierungsmitglieder sind finanziell an der Universität beteiligt.

Studierende und Regierung

Präsident Piñera versteht Bildung im Sinne eines Unternehmens: Sie ist Konsumgut und Investitionsmöglichkeit. Export und Produktivität sollen durch gute Bildung gesteigert werden. Doch durch die neoliberale Privatisierung des Bildungssystems kann jede/r eine Schule oder eine Universität eröffnen. Staatliche Qualitätskontrollen bleiben so aus.
Nach dem Tod des 16-jährigen Demonstranten und rund 1.400 Festnahmen lud Präsident Sebastian Piñera die VertreterInnen der chilenischen Studierendenproteste zu Gesprächen ein. Kurz nach deren Beginn haben die Studierenden den Dialog wieder abgebrochen, nicht einmal minimale Forderungen der Bewegung würden erfüllt. Zudem lehnt die Föderation der chilenischen Studierenden (CONFECH) den Zeitplan zur Beilegung des Konflikts ab. Die CONFECH will den Bildungsbetrieb weiterhin bestreiken, zumindest solange, bis die Regierung einen im August ohne Beteiligung von StudierendenvertreterInnen beschlossenen Gesetzentwurf zur Bildung zurücknimmt. Die CONFECH will in den nächsten Tagen einen Gegenvorschlag vorlegen, in dem sie eine stärkere staatliche finanzielle Unterstützung des Bildungssystems sowie ein kostenloses und qualitativ hochwertigeres Studium einfordern wird. Piñera wirft den Studierenden nach Abbruch der Gespräche wenig guten Willen zur Beilegung des Konflikts vor, ignoriert laut CONFECH aber weiterhin Forderungen nach Stipendien für finanzschwächere Studierende und Reformen der Verwaltung.

Veranstaltung im Sozialen Zentrum

Am 16. September findet ab 19.00 Uhr eine Informationsveranstaltung zu den Studierendenprotesten in Chile im Sozialen Zentrum Bochum statt. Eine Gruppe aus Bochum war kürzlich in Chile und berichtet nun von den Protesten und deren Hintergründen.

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