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„Feiern, flirten, trinken“ sollten die Gäste nach Vorstellung des Initiators auf dem Dr.-Ruer-Platz am 16. Juli. „Bringt reichlich Getränke mit, es wird eine lange Nacht“, schrieb er unter dem Pseudonym Tomh Nhikoe. Bis sich die Stadt einschaltete, hatten bereits 7.000 Leute zugesagt. „Eine Veranstaltung in dieser Größenordnung ist dort gar nicht möglich“, hatte Stadtsprecher Thomas Sprenger erklärt. Der Platz habe nur eine Kapazität von maximal 2.000 Personen. Sprenger meinte im Folgenden, die Stadt habe keine Einwände, wenn Menschen in Bochum feiern, zum Beispiel im Bermudadreieck. Aber eine Veranstaltung, bei der im Vorfeld ausdrücklich zum Trinken aufgerufen werde und die möglicherweise im Komasaufen enden könnte, sei ausdrücklich nicht erwünscht. Die Polizei kündigte an, die Party wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu verbieten. Die Bochumer Stadtverwaltung hat daraufhin die Facebook Germany GmbH angesprochen sowie Kontakt zu Tomh Nhikoe gesucht. Mittlerweile hat Facebook die Veranstaltungsseite gelöscht.

Die Innenminister von NRW, Niedersachsen und Bayern fordern nun, die Möglichkeiten bestehender Gesetze auszureizen. Kommunale Ordnungsbehörden sollten solche Partys verbieten, bei denen es konkrete Hinweise für eine „Gefahr der öffentlichen Sicherheit“ gebe. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) will zwischen guten privaten und bösen öffentlichen Partys unterscheiden: „Etwas ganz anderes sind friedliche und fröhliche Facebook-Partys, zu denen ein überschaubarer Kreis von Freunden eingeladen ist. Sie sind ein Bestandteil der Jugendkultur.“

Geburtstagsparty wie im Teeniefilm

Um eine der ersten Facebook-Partys in Deutschland hat sich inzwischen ein Mythos gebildet. Die Hamburgerin Thessa wollte per Facebook ihre FreundInnen zum 16. Geburtstag Anfang Juni einladen, versehentlich kennzeichnete sie die Fete als öffentlich. Es gingen mehr als 3.000 Zusagen ein. Alle Anstrengungen, die Party abzusagen, schlugen fehl: Ungefähr 1.500 Menschen kamen in die Reihenhaussiedlung, bewacht von einer polizeilichen Hundertschaft. Die Feier begann friedlich und der „offizielle Geburtstagssong“ („Thessa, oh, Thessa, wir kennen uns zwar nicht / Doch uns egal, wir feiern dich und saufen uns jetzt dicht“) wurde gesungen. Im Laufe der Nacht sollen einige PartybesucherInnen aggressiv geworden sein – die polizeiliche Bilanz waren elf Verhaftungen wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt.
Danach wurden im Juni weitere Straßenpartys organisiert. So trafen sich Mitte des Monats in Wuppertal 800 Menschen in Feierlaune. Medienberichten zufolge kippte die Stimmung, als sich „Hooligans“ unter die Menge mischten. 16 Leute wurden im Krankenhaus behandelt, die Polizei nahm drei Personen in Gewahrsam. Auf Facebook entrüsten sich UserInnen im Nachhinein über die Gewalt der Beamt­Innen, sie hätten Tränengas, Pfefferspray und Schlagstöcke benutzt.

Im Gegensatz dazu fand eine Woche später in Solingen eine weitgehend gewaltfreie Party mit 200 BesucherInnen statt. Die einzige Festnahme ereignete sich dort, als jemand den Hitlergruß zeigte. Vergangenen Freitag sollte die zweite Facebook-Party in Wuppertal steigen, aber nach den schlechten Erfahrungen standen den hundert PolizistInnen gerade mal acht Gäste gegenüber.

Von Berliner Hinterhöfen ins Netz

Partys ohne behördliches Konzept sind nichts Neues. Historisch haben Jugendkulturen oft Freiräume gesucht, um ohne AufpasserInnen zu feiern und zu rebellieren. In jüngerer Zeit wuchs ein ganzes Musikgenre aus der Illegalität: Im UFO, der Geburtsstätte der Berliner House-Szene, versammelten sich 1988 in Westberlin all jene InsiderInnen, die später eine musikalische Karriere starten würden. Die illegalen Partys mit bis zu 1.000 BesucherInnen wurden von den Behörden gesucht und waren deshalb gut versteckt. Der Radiosender 4U kündigte sie immer kurzfristig an.

Facebook wirkt heutzutage als Multiplikator solcher Zusammenkünfte. Die digitalen Aufrufe entwickeln ein Eigenleben, das kaum noch kontrolliert werden kann. Es wäre angebracht, in den Kommunen über kreative Lösungen nachzudenken, um den Wünschen der Feierwilligen entgegenzukommen und für eine sichere Umgebung zu sorgen, ohne die Staatskasse zu sehr zu belasten. Aber wenn die Stadt Bochum vorschlägt, man könne doch ins Bermudadreieck gehen um zu feiern, ist das so autoritär wie die AufpasserInnen in alten High-School-Kömodien, die die Kids am Küssen und Trinken hindern sollten. Unter dem wachsamen Auge der Obrigkeit darf man sich das überteuerte Lokal seiner Wahl aussuchen. Der Engelbertbrunnen? War mal.

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