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Und dieses Mal könnte aufgeschoben auch aufgehoben sein. Gewerkschaften und Sozialverbände protestieren dagegen, dass unter dem Namen Sozialticket nun stattdessen ein Fahrschein eingeführt werden soll, der kaum jemandem hilft. Der DGB lädt zu einem öffentlichen „Ratschlag“ ein, um den Druck zu erhöhen.

Eigentlich ist die Idee so einfach wie einleuchtend: Gerade einmal 22,78 Euro pro Monat sind im Hartz-IV-Regelsatz für Mobilität vorgesehen. Also muss es zu diesem Preis auch ein Monatsticket für Bus und Bahn geben, das sich die Betroffenen leisten können. Dafür setzt sich seit Jahren ein ruhrgebietsweites Bündnis ein. Anfang 2010 schienen die Argumente endlich Wirkung zu zeigen: Während die SPD nahezu überhaupt kein Engagement zeigte, versprachen CDU und Grüne, die gemeinsam in den Gremien des VRR regieren, ein solches Ticket einzuführen – allerdings mit einigen Beschränkungen. Unter anderem sollte es nur für die Preisstufe A gelten, was bedeutet:  Arbeitslose aus Bochum kämen mit der Monatskarte noch nicht einmal in die zehn Minuten entfernten Nachbarstädte Dortmund oder Essen.

Zweifelhaftes Gutachten

Doch selbst für diese längst versprochene Minimallösung reichte der politische Wille nicht. Insbesondere in den Vorständen der Verkehrsbetriebe regte sich massiver Widerstand. Das Ticket sei nicht finanzierbar, hieß es unter anderem bei der Bogestra. Das Bochumer Verkehrsunternehmen bezieht sich dabei auf ein Gutachten der Ingenieurgruppe IVV GmbH & Co. KG. Die BefürworterInnen des Tickets halten die zentralen Behauptungen des Papiers allerdings für zweifelhaft. „Die Methoden des Gutachtens scheinen so fragwürdig, dass sich der VRR bis jetzt weigert, es vollständig der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen“, beschwerte sich schon vor  Wochen der DGB-Regionsvorsitzende Michael Hermund, und stellte weiter fest: Die veröffentlichten Auszüge aus dem Gutachten deckten sich überhaupt nicht mit Erfahrungen aus anderen Regionen, in denen es bereits ein Sozialticket gibt.

Nun befürchtet das Sozialticket-Bündnis, dass sich die schwarz-grünen Koalitionsparteien und der Verkehrsverbund letztendlich mit einer „Mogelpackung“ aus der Affäre ziehen wollen. Statt eines bezahlbaren Monatstickets für Arbeitslose und Geringverdienende plane der VRR, unter dem Namen Sozialticket einfach ein geringfügig reduziertes Viererticket einzuführen. Im Gespräch ist dem Vernehmen nach ein Rabatt von einem Fünftel des Normalpreises. Das würde bedeuten: Hartz-IV-EmpfängerInnen könnten sich mit dem vorgesehenen Mobilitätssatz noch nicht einmal an sieben Tagen pro Monat eine Hin- und Rückfahrt innerhalb der eigenen Stadtgrenzen leisten – geschweige denn auch mal eine Fahrt in die Nachbarstadt. Zusätzlich sei im Gespräch, dass sich die Betroffenen vorher sogar noch eine gebührenpflichtige Berechtigungskarte kaufen müssen. „Mit einem Sozialticket, wie wir das fordern, hat das alles überhaupt nichts mehr zu tun“, so Michael Hermund weiter.

NRW-Fördergelder: Gibt es trotzdem

Dennoch sieht es so aus, als wollten sich sowohl die VertreterInnen in den VRR-Gremien als auch die Verkehrsbetriebe auf diesen Etikettenschwindel einlassen. CDU und Grüne könnten dann wenigstens so tun, als hätten sie ihr Versprechen nicht vollständig gebrochen. Für den VRR hätte die Lösung einen weiteren geldwerten Vorteil: Insgesamt 30 Millionen Euro hat das Land NRW für die Förderung von Sozialtickets im Haushalt eingeplant. Diese Subvention könnte der VRR wohl auch dann abrufen, wenn er einfach geringfügig reduzierte Vierertickets statt eines echten Sozialtickets einführt.

Sachverstand statt Etikettenschwindel

Argumente gegen die schwarz-grüne Mogelpackung sammeln und beraten, wie es weitergeht – das sind die Ziele einer Veranstaltung, zu der der DGB für kommenden Montag nach Bochum einlädt. Beim öffentlichen „Ratschlag“ des Sozialticket-Bündnisses wollen Michael Hermund und seine MitstreiterInnen vor allem mit Kompetenz und Fakten punkten. Das Hauptreferat wird der bekannte Wirtschaftswissenschafts-Professor Heinz-Josef Bontrup von der Fachhochschule Gelsenkirchen halten, der sich unter anderem als Herausgeber der jährlichen Memorandum-Stellungnahmen einen Namen gemacht hat. Sein Thema auf dem Bochumer Ratschlag: „Vom betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Nutzen des Sozialtickets.” Anschließend sollen VertreterInnen aus verschiedenen Städten, in denen es bereits ein Sozialticket gibt, über ihre Erfahrungen berichten.

„4. Ratschlag Sozialticket“
Montag, 23. Mai, ab 17 Uhr
Jahrhunderthaus der IG Metall,
Alleestraße 80, Bochum

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