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Zugegeben: Auch an diesem Mittwochmorgen gab es bemühte Polit-Symbolik zu bewundern. Die AktivistInnen warfen sich Wollknäuele zu – um die „Verflechtungen der Atomlobby“ bildlich darzustellen, meinten die einen. Um die Blockade des Eingangs zur Grugahalle strukturell zu verstärken, sagten die anderen. Die zweite Erklärung macht einen Anspruch deutlich, den Anti-Atom-Proteste abseits der Castor-Blockaden im Wendland und in Ahaus selten formuliert haben: Die AktivistInnen wollten den geregelten Ablauf der Dinge effektiv beeinträchtigen: Zivilcourage als demokratischer Störfall gegen den atomwirtschaftlichen Normalzustand.
Knapp zwei Stunden hielt die Blockade, in der sich einige DemonstrantInnen sogar Gorleben-like mit Rohrkonstruktionen ineinander verkeilt hatten. Die anwesenden Polizeihundertschaften hatten Mühe, zumindest einen kleinen Korridor freizuhalten, durch den sich die rund 5000 AktionärInnen im Gänsemarsch zwängen mussten. Eine Konsequenz: Die Hauptversammlung konnte erst verspätet beginnen. Auch dann war allerdings längst nicht alles vorbei, denn mehrere AktivistInnen-Kleingruppen hatten es trotz massiver Polizeipräsenz in die Halle selbst geschafft. Mehrfach musste RWE-Chef Jürgen Großmann seine Rede wegen der lautstarken Proteste unterbrechen. Von der Geräuschkulisse und den unverhofft entrollten Transparenten zeigte sich der Atom-Hardliner sichtlich irritiert: Statt vom „erfolgreichen Abschneiden“ des RWE-Konzerns sprach er versehentlich vom „erfolgreichen Abschalten“.

Protest im Zentrum der Aktiengesellschaft

Dass es für die Atomkraft kein ruhiges Hinterland gibt,  das ist seit Jahrzehnten eine  Grundbedingung der Auseinandersetzung. Die großen Schlachten, in denen zehntausende PolizistInnen die Atomtransporte in die Zwischenlager prügeln, spielen sich seit 15 Jahren im ehemaligen Zonenrandgebiet und im dünn besiedelten westlichen Münsterland ab, direkt an der Grenze zu den Niederlanden. In den politischen und wirtschaftlichen Zentren, wo die Atompolitik gemacht wird, beschränkte sich der Protest dagegen zumeist auf Latschdemonstrationen. So sah es auch noch Anfang April aus, als viele tausend DemonstrantInnen die leere Essener RWE-Zentrale umzingelten – an einem Samstag, außerhalb der Bürozeiten. Es ist den vielleicht 400 Grugahallen-BlockiererInnen zu verdanken, dass die Großdemonstration von vor gut vier Wochen jetzt nicht mehr wirkt wie ein Schildbürgerstreich, sondern als eine kollektive Meinungsäußerung, auf die weit mehr folgen kann. Wenige der AktionärInnen sind im Vorfeld schon einmal so unvermittelt mit der Tatsache konfrontiert worden, dass sie die Dividende einer Politik einstreichen, die noch für die kommenden 100.000 Jahre ein kaum kalkulierbares Risiko bedeutet, selbst wenn sie heute beendet würde.

Atom-Profite auch in rot-grünen Rathäusern

Und das ist ein weiterer Erfolg der Proteste anlässlich der RWE-Hauptversammlung: Abseits aller bemühter Wollknäuel-Metaphorik konnten sie den Blick auf das Geflecht der Eigentums- und Interessensverhältnisse lenken, unter denen die Pro-Atom-Politik in Deutschland seit Jahrzehnten betrieben wird. Denn an der steuerlich hochsubventionierten Atomdividende bereichern sich nicht allein private InvestorInnen. Der RWE-Konzern, der wegen Lobbyismus-Affären und mutmaßlichen illegalen Preisabsprachen hochumstritten ist, gehört zu einem Viertel den Kommunen an Rhein und Ruhr. Im Aufsichtsrat sind die Städte und Kreise sogar überproportional stark vertreten. Die kommunalen Anteilseignerinnen müssen sich also vorwerfen lassen, über Jahre hinweg die Atompolitik des Konzerns mitgetragen und davon profitiert zu haben.

Bochum: Zahnloser Beschluss für schnellen Ausstieg

Seit der Atomkatastrophe in Japan scheint auch den KommunalpolitikerInnen zu dämmern, dass sie von den Wählerinnen und Wählern für diese jahrelange Pro-Atom-Politik zur Rechenschaft gezogen werden könnten. So kündigte die Dortmunder SPD an, ihren Oberbürgermeister Ullrich Sierau, der für die Kommunen im Aufsichtsrat sitzt, auf einen Anti-Atom-Kurs zu verpflichten. Auch die Stadtwerke Bochum halten ein Paket von insgesamt 6,5 Millionen RWE-Aktien, die dem städtischen Tochterkonzern jährlich etwa 23 Millionen Euro einbringen. Im Bochumer Rat ließen Grüne, SPD und Linke Anfang April einen Antrag verabschieden, der sich für einen schnellen Atomausstieg ausspricht. Konkrete Konsequenzen in Bezug auf die RWE-Anteile oder andere verbindliche Verpflichtungen sieht der Beschluss allerdings nicht vor.

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